Für die Anbieter von Wägetechnik ist Digital Signage im Lebensmittelhandel ein Wachstumsmarkt. „Vor allem Key-Account-Manager erkennen das Potenzial und forcieren das Thema“, sagt Daniel Joha, Head of Retail Marketing Management bei Mettler Toledo. Der Hersteller Bizerba beobachtet ein „signifikant steigendes Interesse“. Eine treibende Kraft sei der zunehmende Einsatz der Waage als Werbemedium. Tudor Andronic, Director Global Retail Solutions bei Bizerba, stellt fest: „Werbeagenturen, die Digital-Signage-Medien im filialisierten Lebensmittelhandel betreuen, haben die Waagendisplays als vollwertiges Medium anerkannt.“ Darüber hinaus stelle man im Handel ein „Interesse an Vermarktungsstrategien“ fest.
Aktuell intensiviert sich die Nutzung von Wägetechnik nach Aussagen von Andronic stark im Bereich der Mitarbeiterbildung: E-Learnings, Qualifizierungsmaßnahmen sowie Einzelartikelinformationen. Die werblichen Funktionen verknüpfen Artikel-, Hersteller- und Imagewerbung und erhalten neue Dynamik durch innovative Content-Formen wie die Verknüpfung mit Ad-on-Angeboten wie Apps oder mobilen Websites des Handels oder der Industrie. Bizerba-Manager Andronic sieht hier „vollkommen neue Vermarktungsaspekte, die vor wenigen Jahren nicht absehbar waren“.
Welche Art des Contents für Waagen für ein Handelsunternehmen geeignet ist, lässt sich nicht pauschal beantworten – je nachdem, wie weit der Händler bereits in das Thema Digital Signage eingestiegen ist. „Man kann hier durchaus von einer Lernkurve bei den Nutzern sprechen“, sagt Daniel Joha von Mettler Toledo, „die meisten beginnen ihre Projekte zunächst mit generischem Inhalt, um ein Gefühl für das Medium zu entwickeln.“ In der zweiten Stufe folge bei fast allen dann der Umstieg auf Preis- und Artikelinformationen, das Instrument Digital Signage wird dann stärker in Preis-Promotions eingebunden. Der damit verbundene häufigere Content-Wechsel bedeutet für den Händler zunächst „einen Mehraufwand und verlangt auch eine enge Abstimmung zwischen Marketing und Category Management“, so Joha. Im Gegenzug jedoch erhält der Händler belastbarere Zahlen, was Digital Signage ihm bringt und nach welcher Zeitspanne sich die Investition rechnet.
Viele der heute im Digital Signage dargestellten Inhalte sind statisch. Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Zukunft dynamischen Inhalten gehört. Damit ist aber laut Daniel Joha weniger die Ablösung von Standbildern durch bunte Videoclips gemeint, sondern ein grafisches Template, in dem einzelne Teile dynamisch aus einer externen Datenquelle befüllt werden können. Joha: „Ein Paradebeispiel wäre etwa die Aktualisierung von Preisangaben.“ Während also das vom Marketing auf Basis der CI-Guidelines erstellte Template optisch unverändert bleibt, nimmt das Template gleichzeitig aus einer externen Datenquelle Aktualisierungen wie Preisänderungen vor: Wird der Preis im ERP-System der Zentrale aktualisiert, so ändert sich automatisch auch die Preis-Einspielung auf dem Bildschirm. Auf der EuroShop 2011 hat Mettler Toledo in Zusammenarbeit mit CAS Concepts and Solutions eine Demo-Anwendung auf der Basis von SAP gezeigt.
Zentrale Anbindung
Die Marketingabteilungen der größeren Handelsunternehmen sind in der Lage, dem Medium Digital Signage angepasste Inhalte zu erzeugen. Problematisch wird das Thema eher bei kleineren Betrieben, zum Beispiel Metzgern oder Feinkosthändlern, die diese neue Technologie nutzen wollen, aber kein professionelles Marketing haben. „Hier wird schnell die Qualität der Bildschirminhalte zum Problem“, so Marketingfachmann Joha. „Eigene mit der Digitalkamera gemachte Bilder sind eher kontraproduktiv. Wir können nur immer wieder dazu raten, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.“ Allerdings stehen kleinere Betriebe hier mitunter vor einer Kostenhürde: Wer die Investition in Content nur für zwei Geräte benötigt, tut sich mit der Amortisation wesentlich schwerer als die großen Handelsketten mit ihren Skaleneffekten.
Mit der wachsenden Verbreitung von Digital Signage auf Waagen entstehen neue Kooperationsmodelle. Für Bizerba ist die Vermarktung von allgemeinem und individuellem Content sowie individueller Beratungsleistung ein expandierender Geschäftszweig geworden. Im Angebot sind unter anderem Betreibermodelle für Wartung und Pflege von Digital-Signage-Systemen. Dafür seien sowohl der Handel als auch die Industrie im Rahmen ihres „Bedienthekenmarketings“ bereit zu zahlen, heißt es in Balingen. Für den Content hat Bizerba 2010 die Tochtergesellschaft Bizerba Interactive gegründet. Dieser Geschäftszweig arbeitet inzwischen mit Wissens-, Kochbuch- und Wirtschafts-Verlagen sowie mit Fotoagenturen, Online-Portalen und Werbe-Integratoren zusammen.
Eine Anwendung, bei der verschiedene Content-Formen integriert wurden, ist die deutschlandweite Ausstattung aller 125 Filialen von Tee Gschwendner mit einer Digital-Signage-Lösung von Mettler Toledo. Der Anbieter setzt darin eine Applikation für das Einblenden von Stimmungsbildern sowie zurückhaltenden Produktvorstellungen auf den Kassen- und Waagenbildschirmen ein.
Investitionen in die Wägetechnik fallen traditionell unter die Einkaufshoheit der IT-Abteilung, während der Themenkomplex Digital Signage und Content meist in der Marketingabteilung angesiedelt ist. Daniel Joha meint: „Für uns, die wir von der Wägetechnik her an das Thema herangehen, ist es vor allem wichtig, frühzeitig auch die Marketingseite mit an den Tisch zu bekommen. Gute Digital-Signage-Lösungen entstehen im Verantwortungs-Dreieck IT, Marketing und Dienstleister.“
Fotos: Mettler Toledo (1), Bizerba (2)
Waage antwortet auf Fingerzeig
Die Wissenschaftler des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Bizerba haben ein System für die Bedientheke der Zukunft vorgestellt, das mit einer sogenannten Tiefenkamera und speziellen Software funktioniert:
Zeigt der Kunde mit dem Finger auf ein Produkt, erscheinen auf dem Kundendisplay der PC-Waage sofort produktspezifische Informationen. Das System sei keine Spielerei, sondern schaffe Mehrwert für den Kunden, heißt es bei Bizerba. „Lässt sich der Verkaufsmitarbeiter das Ergebnis der Gestenerkennung anzeigen, so werden Rückfragen nach dem gewünschten Produkt nahezu überflüssig. Stattdessen erhalten Endverbraucher noch weiterführende Informationen wie Herkunfts- und Nährwertangaben sowie passende Zusatzkaufempfehlungen auf dem Waagen-Display“. Sobald sich die Auflösung der Tiefenkamera noch verbessert, sei die Serienproduktion in zwei bis drei Jahren denkbar, meint Prof. Dr. Antonio Krüger, wissenschaftlicher Direktor am DFKI.
Content ist oft vorhanden
Daniel Joha, Head of Retail Marketing Management bei Mettler Toledo, über die Chancen und Erfolgsfaktoren von Digital Signage im Handel.
Besteht nicht die Gefahr, dass immer mehr Digital-Signage-Anwendungen im Supermarkt zur Reizüberflutung der Kunden führen?
Die Gefahr der Reizüberflutung steht sicherlich dann im Raum, wenn ich auf jedem Display mit Videos und schnellen Bildabfolgen arbeite. Wir stellen fest, dass unsere Kunden sich dieser Problematik bewusst sind. Bei Tee Gschwendner war es von Anfang an klare Vorgabe, dass der Beratungs- und Verkaufsprozess durch die Digital-Signage-Einblendungen nicht gestört wird. Je stärker ich bei den Einspielungen in Richtung Preis- und Promotion-Aktionen gehe, umso mehr wird dies natürlich zu einer Gratwanderung. Andererseits: Wenn Sie Waagenbildschirme als Plattform für Digital-Signage-Einspielungen nehmen, dann haben Sie die Gewissheit, dass Ihre Einspielungen mit einer hohen Aufmerksamkeit rechnen dürfen – schließlich schaut der Kunde darauf, weil er wissen will, was sein Einkauf kostet.
Bislang zeigten Händler wenig Neigung, für den Content zu zahlen, weil es kaum belastbare Daten über den wirtschaftlichen Nutzen gab. Welche Argumente haben Sie hier?
Content ist bei vielen Retailern ja bereits vorhanden. Insofern würde ich hier nicht von einer notwendigen Wende sprechen wollen. Wenn wir meinen, dass wir übervorteilt werden könnten, sagen wir das frühzeitig. Und was generell den Nutzen angeht: Viele unserer Kunden fahren ja durchaus sehr professionell immer wieder Vergleichsreihen, um den Nutzen von Digital Signage besser in Zahlen fassen zu können. Dass man sich dabei vom Wettbewerb nicht in die Karten schauen lässt und nicht mit den Ergebnissen hausieren geht, ist verständlich. Hinzu kommt der Verkauf von Werbezeiten. Um Geld einzuspielen, ist jedoch zunächst eine entsprechende Reichweite des Digital-Signage-Netzwerkes erforderlich.
Wie kann man Ihrer Einschätzung nach die Entwicklung des Contents auf Thekenwaagen vorantreiben?
Kurz gesagt: Marketing, Werbung, Category Management und IT an einen Tisch, schauen, was an Fundus im Unternehmen vorhanden ist, und dann schauen, wie die Schnittstellen optimiert werden können.