Die 41 ERP-Lösungen, die bei der diesjährigen Studie eine belastbare Datenbasis bildeten, erhielten von ihren Anwendern sowohl für die Software selbst als auch für die damit verbundenen Dienstleistungen uneingeschränkt die Gesamtnote „gut“. Im Vergleich zu 2018 lassen sich damit insgesamt leichte Verbesserungen bei der Anwenderzufriedenheit feststellen.

Die Ergebnisse der aktuellen ERP-Studie bestätigen die grundlegende Erkenntnis, dass Lösungen für größere Unternehmen bzw. breit aufgestellte Generalisten insgesamt kritischer bewertet werden als solche für kleinere Unternehmen und/oder (Branchen)Spezialisten.

Die Rede ist zum einen von schlanken ERP-Lösungen mit deutlichem Fokus auf dem Finanzwesen und der kaufmännischen Auftragsabwicklung wie zum Beispiel „HS (Hamburger Software)“ oder „BMD“. Von diesen Lösungen finden sich im deutschsprachigen Raum oft über 10.000 Installationen. Auf der anderen Seite handelt es sich hier teilweise um hoch spezialisierte und dabei fachlich durchaus breit aufgestellte ERP-Lösungen, die von einem sehr überschaubaren Kundenkreis genutzt werden wie zum Beispiel „Syslog. ERP“, „Issos Pro“, „Winweb-Food“ oder „RPS4Industry“.

Daten- und Rechtssicherheit

Von Themen und Trends, die im ERP-Umfeld eine Rolle spielen, halten ca. 66 Prozent der befragten Handelsunternehmen die „Daten- bzw. Informationssicherheit“ für sehr relevant. Die Einhaltung rechtlicher Vorgaben, zum Beispiel GoBD, EU-DSGVO oder Branchenregularien wie die seit 2020 geltende Belegausgabepflicht („Bonpflicht“) im Handel halten immerhin ca. 47 Prozent der befragten Unternehmen für sehr relevant, wenn es um ERP-Lösungen geht. Aus beiden Themenkreisen resultieren vor allem fachlich-funktionale Anforderungen, die durch die ERP-Software bedient werden müssen, sei es im Bereich der Zugriffssteuerung, der rechtssicheren Beleg-Archivierung, dem Nachweis der Gestattung zur Nutzung personenbezogener Daten oder der Verwaltung von Seriennummern in Verbindung mit der Produktidentifikation.

Kanal-Verzahnung

Bewertung der Zufriedenheit mit ERP-Systemen

Bewertung der Zufriedenheit mit ERP-Systemen
Foto: Trovarit

Viele der Top-Themen stehen mit dem Trend des stationären Handels hin zum E-Commerce in Verbindung, der aktuell durch die Corona-Krise noch einmal deutlich verstärkt wird. In den letzten Monaten sind viele neue Online-Kunden hinzugekommen. Das bedeutet, dass kaum ein Handelsunternehmen auf dieses Geschäftsmodell verzichten kann. Textilien, Sportartikel, Spielwaren, Möbel, Lebensmittel – praktisch alles wird online angeboten. Omnichannel und die Verzahnung der Verkaufskanäle ist die Herausforderung.

Für all das müssen ERP-Systeme als „zentraler Taktgeber“ die Basis bieten, um die neu entstehenden Anforderungen und Prozesseeffizient und flexibel abbilden zu können. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Verknüpfung mit externen Systemen wie Online-Shops, Fulfillment-Systemen und Marktplätzen zu. Da wundert es nicht, dass das Thema „Enterprise Application Integration (EAI)/Schnittstellen-Management“ von 55 Prozent der Studien-Teilnehmer aus Handelsunternehmen als besonders relevant eingestuft wird – eine Steigerung um fast 20 Prozent im Vergleich zur vorhergehenden Studie 2018 und rund 15 Prozent mehr als die Bewertung über alle diesjährigen Studien-Teilnehmer hinweg.

Die hohe Relevanz des Themas „mobile Datenübertragung in Echtzeit (z.B. 5G-Standard)“ steht in Verbindung mit der für den E-Commerce notwendigen Verzahnung von Filial- und Online-Prozessen. Gerade bei breiten und tiefen Sortimenten gibt es oftmals keine separaten Lagerbestände nur für das Online-Geschäft. Auch die normalen Zentrallagerbestände oder ggf. sogar Warenbestände aus den Filialen werden mitgenutzt. In solchen Szenarien kommt der Verlässlichkeit der Verfügbarkeitsauskunft im Online-Shop eine zentrale Bedeutung zu.

Der Kunde will in Echtzeit wissen, ob das Produkt für ihn verfügbar ist oder nicht, und nach einer Online-Bestellung muss sichergestellt werden, dass die bestellten Artikel schnell aus dem Verkauf herausgenommen werden. Bei dem Thema „Big Data/Smart Data/Smart Services“, relevant für 46 Prozent der Studien-Teilnehmer aus Handelsunternehmen, geht es um die Verfolgung und Analyse der Customer Journey und des Einkaufsverhaltens, durch deren Ergebnisse beispielsweise Konzepte wie Anticipatory Shipping oder Hyper-Individualisierung der Kundenansprache ermöglicht werden.

Schließlich sei noch das Thema „Usability/Software-Ergonomie“ erwähnt, das mit 36 Prozent von den Teilnehmern aus dem Handel (2018: 47 %) seltener als relevant eingestuft wird als von Teilnehmern aus den anderen Branchen (alle Teilnehmer 2020: 45 %). Offenbar steht die allgemein unstrittige Herausforderung, die immer komplexer werdenden ERP-Anwendungen auf unterschiedlichen Geräten (Desktop, Tablet, Smartphone) nutzerfreundlich darzustellen, gemessen an den anderen Themen im Handel aktuell weniger im Vordergrund.

Dr. Karsten Sontow ist Vorstandsvorsitzender der Trovarit AG. Markus Kloppenburg ist Analyst bei der Trovarit AG.

Die Management Summary der Studie steht unter folgendem Link zum kostenlosen Download zur Verfügung.