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Foto: iStock. / AdamRadosavljevic

Vor dem „Mobile Moment“

Schon bald wird die Anzahl der handelsbezogenen Suchanfragen, die bei Google Deutschland per Smartphone und Tablet eingehen, die Anzahl derjenigen, die über PC und Laptop eingehen, übersteigen. Das zeigt, wie schnell und massiv mobile Geräte die Recherche- und Einkaufsprozesse verändern.

Um Entwicklungen hierzulande mit hoher Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, genügt es häufig, den Status auf dem US-Markt zu betrachten. Inzwischen besitzen 57 Prozent der US-Amerikaner ein Smartphone. Nach dem von TNS Infratest und Google aufgelegten „Consumer Barometer“ werden knapp 50 Prozent aller Einkäufe vom Internet beeinflusst. In der Vorweihnachtszeit 2014 wurde in den USA erstmals über die Hälfte des gesamten nationalen Internetverkehrs mobil per Smartphones und Tablets abgewickelt. Wal-Mart generierte am sogenannten Cyber Monday, dem Online-Schnäppchen-Montag nach Thanksgiving, rund 70 Prozent seiner Internetverkäufe über mobile Endgeräte.

Auch beim deutschen Shopper gewinnt die mobile gegenüber der stationären Nutzung der elektronischen Medien ständig an Boden. Die Auswertung der Suchanfragen bei Google ergab: Ende 2014 kam jede fünfte handelsbezogene Recherche von einem Smartphone. Dr. Jannika Bock, Industry Head Retail bei Google Deutschland, geht davon aus, dass spätestens im Jahr 2016 der „Mobile Moment“ in Deutschland erreicht wird, also der Moment, an dem die Anzahl der über Smartphones eingehenden handelsbezogenen Suchanfragen bei Google.de höher sein wird als die Anzahl der Suchanfragen von PCs und Laptops.

Auf den EHI Technologietagen 2015 in Bonn stellte die Google-Managerin eine aktuelle, zwischen August und Oktober 2015 durchgeführte Studie (GCS/Ipsos Survey „Local Search“, DE Aug.-Okt. 2015) über die Smartphone-Nutzer in Deutschland vor. Danach ist für 85 Prozent dieser Kundengruppe das Internet die erste Anlaufstelle bei der Produkt-Recherche. Bei 20 Prozent führen online gefundene Informationen häufig zur Kaufentscheidung am stationären POS. 63 Prozent suchen im Rahmen ihrer Recherche nach besonderen Angeboten, 66 Prozent nach den Öffnungszeiten, 55 Prozent nach Anfahrtswegen, 44 Prozent nach Produktverfügbarkeiten.

Drei Sekunden Zeit

Geduld allerdings bringen die Smartphone-Nutzer dabei nicht auf: 40 Prozent verlassen die Seite, falls die Ladezeit mehr als drei Sekunden beträgt. 52 Prozent sagen, dass eine schnelle Ladezeit wichtig ist für ihre Loyalität zum jeweiligen Händler. „Die Optimierung der Ladezeit und der Darstellung für mobile Endgeräte sollte ganz weit oben auf der Agenda der Handelsunternehmen stehen“, sagt Dr. Jannika Bock. Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist auch, dass 91 Prozent der Smartphone-Nutzer bei ihren Recherchen verstärkt nach lokalen Händlern suchen. Neben seinen diversen Diensten für Unternehmen hat Google dazu Ende 2014 ein neues (mobiles) Format auf den Markt gebracht, nämlich die Anzeige lokaler Produktverfügbarkeit. Händler können somit das lokal verfügbare Sortiment in einer Filiale mit lokalen Preisen jenen Verbrauchern präsentieren, die sich in der Nähe entsprechender Filialen befinden und über Google nach einem vorrätigen Produkt suchen. 

In Deutschland zählen u.a. die Baumärkte Hornbach und Obi zu den ersten Nutzern dieses Dienstes, den es in den USA schon seit Längerem gibt. Nach Angaben von Google hat zum Beispiel das dortige Warenhaus Macy’s herausgefunden, dass jeder in die Anzeige lokaler Verfügbarkeiten investierte Dollar zu 6 Dollar an zusätzlichem stationären Umsatz führe. Der Einkaufszentren-Betreiber ECE berichtet, dass für jeden Euro, der in mobile Anzeigen bei Google investiert wurde, 15 Euro Umsatz im Einkaufszentrum und in der eigenen App erzielt worden seien.

Von den Nutzern mobiler Devices gefunden zu werden und ihnen die notwendigen Informationen und Services anzubieten, wird für stationäre Händler demnach immer wichtiger. „Der Kunde im Geschäft ist wertvoller geworden“, so Dr. Jannika Bock. „Er kommt seltener, aber wenn er kommt, dann häufig auf Basis von Vorab-Recherchen und von gezielter Online-Suche nach lokalen Angeboten.“

Foto: iStock. / AdamRadosavljevic

Die Zukunft heißt No-Line

Dr. Jannika Bock hat an der Harvard University in Amerikanischer Literatur- und Kulturwissenschaft promoviert, arbeitete für verschiedene deutsche Verlagshäuser und ist seit 2008 Industry Head Retail bei Google Germany.

Liefert die USA eine Blaupause für die Handelstrends in Deutschland?

Die Implikationen der mobilen Revolution für den Handel sind anhand der Entwicklungen in den USA mehr als deutlich. Das Smartphone ist schon heute unser ständiger Begleiter. Pro Tag schauen wir durchschnittlich 150-mal auf das Display. Auf Google.de nimmt der Anteil der Suchanfragen, die von mobilen Endgeräten abgegeben werden, kontinuierlich zu. Im Jahr 2016 wird die absolute Anzahl der Suchanfragen von Smartphones die Summe der Suchanfragen von PCs und Laptops voraussichtlich übersteigen. Somit verändert das Smartphone auch den Recherche- und Einkaufsprozess der Konsumenten. Konsumenten suchen nach Produkten auf ihren mobilen Endgeräten – egal, ob sie zu Hause, unterwegs oder in Geschäften sind. Und sie erwarten von Händlern, dass sie am POS und im Internet Services für ihr Smartphone anbieten.

Wie weit sind die deutschen Händler in dieser Beziehung?

Die aktuelle Auflage der „Seamless Retail“-Studie von Accenture zeigt, dass zum Beispiel 78 Prozent der Kunden im Geschäft Testberichte und Bewertungen abrufen möchten. Jedoch bieten derzeit nur 14 Prozent der Händler QR-Codes oder Digital Signage an, um Produktinformationen zur Verfügung zu stellen. Eine ähnlich große Diskrepanz zwischen Kundenerwartungen und Händler-Services gibt es beim Thema Mobiles Bezahlen. Nur neun Prozent der Händler verfügen über entsprechende Möglichkeiten am POS. Außerdem ist eine Vielzahl der mobilen Websites von Händlern noch sehr langsam. Die Ladezeit liegt über drei Sekunden.

Denken die Unternehmen noch zu sehr in getrennten Vertriebskanälen?

Ja, aber spätestens mit dem Siegeszug des Smartphones ist eine Trennung zwischen Online und Offline hinfällig. Die Zukunft heißt No-Line. Für Handelsunternehmen bedeutet diese Entwicklung, dass das Einkaufs- und Markenerlebnis am POS und im Internet kongruent sein muss. Das ist leicht gesagt, aber in den meisten Fällen schwer umzusetzen: Fast alle Handelsunternehmen sind heute noch nach Vertriebskanälen organisiert und die Abteilungen auf Basis der jeweiligen Absätze incentiviert. Um dem heutigen Einkaufsverhalten der Konsumenten Rechnung zu tragen, müssen diese Silos aufgebrochen werden.

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