Der Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Electronic Government an der Universität Potsdam hat in Zusammenarbeit mit dem Software-Anbieter SAS Institute eine Studie durchgeführt, in der die Verbreitung von Business Analytics in Wirtschaftsunternehmen der Länder D-A-CH untersucht wurde. Befragt wurden rd. 7.000 Unternehmen aus den Branchen Banken, Handel, Manufacturing, Life Sciences und Versicherung.
Ausgangspunkt sind die bekannten Big Data-Mengen. Bisher, so die Studie, lag der Fokus für die Auswertung dieser Daten auf Business Intelligence, also auf „überwiegend vergangenheitsbezogenen Reportingsystemen“. Bei Business Analytics-Auswertungen hingegen geht es um die „Nutzung von Analysen, Simulationen, Prognosen und Optimierungen“, also darum, zukunftsorientierten „Warum“- und „Was passiert wenn“-Fragen nachzugehen. Auf diesen Unterschied zwischen Business Intelligence und Business Analytics fokussiert sich die Studie.
Die Umfrageergebnisse aus dem Handel, die im Folgenden vorgestellt werden, unterscheiden sich laut der Studie nicht wesentlich von denen der anderen Wirtschaftsbranchen. Die Autoren der Studie sprechen von einer insgesamt „fehlenden Verankerung von Business Analytics in den Unternehmensstrukturen“, BA-Anwendungen würden „eher spontan und individuell“ eingesetzt. Im Durchschnitt nur 12 Prozent aller befragten Unternehmen nutzen mehr als 50 Prozent der ihnen zur Verfügung stehenden Datenmenge für Analysen. Bislang liegt der Fokus auf strukturierten Daten aus „klassischen“ Systemen wie ERP- oder CRM-Anwendungen. Insbesondere unstrukturiertes Datenmaterial aus Social Media und Websites werde bislang kaum erschlossen. Auch hat die Studie gezeigt, dass es bei den Ergebnissen kaum Unterschiede zwischen den Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz gibt.
Im Folgenden nun einige Erkenntnisse der Studie zum Thema Nutzung und Einschätzung von Business Analytics im Handel. Im Handel sind es immerhin rd. 26 Prozent der befragten Unternehmen, die mehr als die Hälfte der verfügbaren Daten für Analysezwecke nutzen. 22 Prozent der Unternehmen geben an, dass Daten organisationsweit verfügbar sind. Hier scheint es Optimierungspotenzial zu geben. Business Analytics kommen im Vergleich zu Business Intelligence in den befragten Handelsunternehmen eher projektbezogen zum Einsatz. 30 Prozent nutzen BA „sehr selten“ oder gar nicht.
Eher projektbezogen
Was die Abteilungen und Fachbereiche angeht, scheinen BA im Handel vor allem im Service und Vertrieb zum Einsatz zu kommen. Dagegen sind Anwendungen im wichtigen Logistikbereich seltener – wobei die Logistik aber mit rd. 61 Prozent der Nennungen einen wichtigen Daten-Lieferanten darstellt.
BA werden auch zur (automatischen) Personaleinsatzplanung verwendet. Hier kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass dieser Einsatz im Handel „bislang kaum relevant“ sei. 10 Prozent der Unternehmen geben an, die BA-gestützte Personaleinsatzplanung „sehr oft“ oder „oft“ zu nutzen. Immerhin 40 Prozent nutzen sie „projektbezogen“. Insgesamt 30 Prozent nutzen diese Möglichkeit „sehr selten“ oder gar nicht. Ein eher mäßiger Prozentsatz von 22 Prozent will diese Möglichkeit zukünftig stärker nutzen.
Ein wichtiges Einsatzfeld von BA ist die Erfassung und Analyse der Kundendaten aus den unterschiedlichen Kontaktpunkten. Ergebnis der Studie: „In der Nutzung der verfügbaren Daten für Auswertungszwecke ist der Handel im Vergleich zu den anderen Branchen am stärksten aufgestellt.“ Hier stehen POS-Daten im Vordergrund, aber auch Social-Media- und Website-Daten werden vom Handel schon genutzt (jeweils 22 Prozent Nennung). Dies ist aus Sicht der Studie steigerungsfähig.
Der Einsatz von BA zur Auswertung der Customer Journey zeigt zwei „Lager“ im Handel. Insgesamt 40 Prozent nutzen diese Möglichkeit „sehr oft“, „oft“ oder „regelmäßig“, 50 Prozent „projektbezogen“ oder „sehr selten“. Automatisierte Marketingmaßnahmen wie Social Local Mobile setzen Datenanalysen in Echtzeit voraus. 10 Prozent der befragten Handelsunternehmen nutzen diese Maßnahmen „sehr oft“ oder „oft“. Knapp 40 Prozent der befragten Unternehmen schätzen die Auswertungszeit ihrer Daten als „sehr gut“ oder „gut“ ein. Die Studienmacher halten dieses Thema für „im Handel noch nicht angekommen“. Als steigerungsfähig anzusehen ist die Nutzung von BA zur Auswertung von Multichannel- und Omnichannel-Daten. Diese Anwendung kommt überwiegend „projektbezogen“ oder „sehr selten“ zum Einsatz.
Für den Bereich Marketing untersuchte die Studie, inwieweit der Handel BA nutzt, um das Nachfrageverhalten der Kunden zu erkennen und die Konsumentenmeinungen auszuwerten. Ergebnis: „Der deutsche Handel scheint vergleichbare Anwendungen schon oft und regelmäßig zur Erkennung des Nachfrageverhaltens einzusetzen.“ Die Konsequenz daraus, nämlich eine BA-gestützte „zielgenaue Kundenansprache“, halten die Autoren der Studie noch für ausbaufähig.
Im Marketing öfter genutzt
Die Studienmacher sind der Meinung, dass der Bereich Vertrieb besonders von Business Analytics profitieren kann. Die meisten Handelsunternehmen vermuten – mehr oder weniger ausgeprägt – einen Nutzen von Business Analytics für:
- die Erhöhung des Neukunden-Anteils
- die Erhöhung des Umsatzes durch kundenspezifische Kampagnen
- die Erhöhung des Umsatzes durch Cross-Selling-Analysen
Dass Business Analytics durch Prognoseverfahren dazu beitragen können, frühzeitig Indikatoren von Kundenunzufriedenheit auszumachen, dieser Annahme stimmt ein Großteil der befragten Handelsunternehmen nicht zu (knapp 40 Prozent). Ebenfalls bewerteten die Handelsunternehmen die Annahme sehr zurückhaltend, die Nutzung von BA für die Optimierung der Regalbelegung könne zu Umsatzerhöhungen führen. Auch sehr vorsichtig bewerten die Handelsunternehmen die Möglichkeit, mithilfe von BA den wirtschaftlichsten Vertriebsweg herauszufinden, auf dem der Kunde kontaktiert werden kann. Was eine bessere Auslastung der Lagerkapazitäten mithilfe von BA angeht, sieht über die Hälfte der befragten Handelsunternehmen keine Einsparpotenziale.
Ein spezifisches Potenzial sprechen die Studienmacher den Business Analytics zu für den Bereich der Auswertung von Konsumentenmeinungen in sozialen Medien. Diese Erkenntnisse können u.a. dafür genutzt werden, proaktiv Produktanpassungen vorzunehmen.
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