Fehlerhafte Angaben können Prozesse gefährden und erschweren die Kommunikation in den Liefernetzwerken bis hin zu den Konsument:innen. Sind die Abweichungen in puncto Datenqualität manchmal nur gering und bestehen nur in einem unpassenden Satzzeichen, so steckt deutlich mehr dahinter, wenn Lebensmittelhändler über falsche Produktstammdaten der Industrie klagen.
Nachweis erbringen
So hängen 70 Prozent aller Fehler mit der Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) zusammen, also den von der EU festgelegten verbindlichen Kennzeichnungsvorschriften. Sobald Pflichtangaben wie die Zutatenliste oder Aufbewahrungshinweise nicht stimmen, kann das schwerwiegende Folgen haben. Die Angaben sind dann in jedem Falle aufwendig zu korrigieren, um die gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen an die Darstellung eines Artikels zu erfüllen. Lange Zeit hatte der Handel kaum oder nur mit hohem Aufwand die Möglichkeit zu überprüfen, ob die von der Industrie zur Verfügung gestellten Daten korrekt sind. Das hat sich nun geändert. Gemeinsam mit Herstellern und Händlern wurde unter dem Dach von GS1 Germany ein Qualitätsservice entwickelt, der Produktstammdaten auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Konsistenz prüft. Der neue Branchenstandard zur Validierung der Stammdatenqualität wird für den Datenaustausch im deutschen Zielmarkt ab dem 20. Mai 2023 verpflichtend.
Relevante Daten
Stärkere Dynamik durch größere Sortimentsvielfalt, eine zunehmende Bedeutung des E-Commerce sowie erhöhte Anforderungen des Gesetzgebers sorgen dafür, dass die Anzahl und der Gehalt der im Handel benötigten Informationen zu einem Produkt ansteigen. Auch die Kund:innen möchten immer mehr wissen, bevor sie sich für den Kauf eines Produktes entscheiden. Dabei geht es ihnen nicht allein um Zutaten, sondern auch um besondere Merkmale. Beispielsweise, ob der ausgewählte Artikel vegan, nach ökologischen Gesichtspunkten hergestellt oder palmölfrei ist. Auf dieser Datenbasis wird verglichen – sowohl bei Online-Bestellungen und Liefer- und Abholservices als auch beim Einkauf im stationären Handel per Etiketten-Scan mit dem Smartphone.
Rechtlich bindend
Artikelstammdaten umfassen alle Informationen, die ein Produkt beschreiben, aber auch Attribute, die aus rechtlicher Sicht für den Warenfluss und den Absatzprozess wichtig sind, wie die Abmessungen oder die Bio-Kennzeichnung. Ein FMCG-Artikel (Fast Moving Consumer Goods) kann heute mit bis zu 500 Attributen beschrieben werden. Und es werden stetig mehr. Zum Beispiel war die Angabe zum Rezyklat-Anteil in der Verpackung vor einigen Jahren noch kein Thema – mittlerweile ist sie eine relevante Information. Die Hersteller haben die Hoheit über die Daten und stellen sie dem Handel elektronisch über das GDSN® zur Verfügung. Unternehmen wie die Rewe Group sind darauf angewiesen, diesen Informationen vertrauen zu können.
Es war höchste Zeit, dass wir zu einer qualitativen Diskussion kommen.
Michael Georgiev
„Der bisherige Datenaustausch mit den Herstellern ist eher durch Quantität geprägt“, sagt beispielsweise Michael Georgiev, Bereichsleiter Ware Organisation & Prozesse bei Rewe. Er ergänzt: „Somit war es höchste Zeit, dass wir zu einer qualitativen Diskussion kommen.“ Deshalb hat der zweitgrößte Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland die Entwicklung des Datenqualitätsservices maßgeblich mitangestoßen. Sämtliche Stationen in der Entstehung eines Produktes liefern Informationen entlang der Wertschöpfungskette. Das führt dazu, dass viele Abteilungen an den entsprechenden Datensätzen arbeiten.
So sind bei Rewe Artikelstammdaten sowohl im Einkauf und im Category Management als auch in der Disposition, in der Logistik sowie in der Buchhaltung elementar. Diese Informationen zu bündeln und in einem Produktinformationssystem zusammenzubringen, birgt die Gefahr von Ungenauigkeiten und Veränderungen. „Hinzu kommt, dass die Daten aufgrund der wachsenden Produktvielfalt und schneller werdender Lebenszyklen von Artikeln immer komplexer werden“, ist sich Georgiev sicher.
Doppelt geprüft
Der neue GS1-Qualitätsservice namens Data Quality Excellence (DQX) prüft Artikelstammdaten unter Einhaltung regulatorischer Vorgaben. Das geschieht auf zwei Wegen: maschinell mithilfe automatisierter Validierungsregeln und manuell durch eine Sichtprüfung von Daten gegen das digitale, vom Hersteller zur Verfügung gestellte Produktbild – dem digitalen Zwilling. Stimmen die Angaben, erhält das Produkt ein elektronisches Siegel. Werden die von Industrie und Handel gemeinsam definierten Vorgaben hingegen nicht eingehalten, wird der Datensatz bei Neuanlagen zukünftig nicht mehr weitergeleitet.
Daraus ergibt sich ein Eigeninteresse der Industrie: Der deutsche Schaumweinproduzent Rotkäppchen-Mumm beispielsweise nutzt den Datenqualitätsservice bereits mit dem Ziel, seine Artikelstammdaten den Bedürfnissen der Handelspartner anzupassen und so seine geschäftliche Position zu optimieren. Das Unternehmen untersucht mittlerweile sein gesamtes Produktportfolio mit Blick auf die jeweiligen Fehlertypen. Darüber hinaus werden organisatorische und gesamtwirtschaftliche Potenziale wie systemische Anbindungen aufgedeckt. Ursprünglicher Anlass für die war eine Fehlerquelle, die unzureichende Bilddaten betraf. Diese konnten anhand der im DQX-Reporting ausgewiesenen Korrekturerfordernisse zügig behoben werden.
Weiterführende Informationen zu den verpflichtenden Anforderungen zur Sicherung der Qualität von Stammdaten finden sich hier.