87,5 Prozent der Befragten, vor allem dem Food-Bereich zuzuordnende Unternehmen, meldeten zeitliche Verzögerungen bei der Warenbeschaffung. 56,3 Prozent waren von reduzierten Anliefermengen betroffen. Fast die Hälfte der Studienteilnehmer nannte gar komplette Lieferausfälle als Folge des Virus.
Weitere Effekte wie ein erzwungener Wechsel auf andere Verkehrsträger oder Änderungen der Transportrouten machen dem Handel dagegen weniger zu schaffen. Hiervon sind mit 18,8 bzw. 15.6 Prozent nicht mal ein Viertel der teilnehmenden Händler betroffen. Weitere Auswirkungen sind gestiegene Beschaffungskosten und zeitweilige Bestellungsstopps.
Personal: Erhöhter Krankenstand
Die rasante Verbreitung des Virus hat nach Angaben der Studienteilnehmer in fast zwei Drittel aller Fälle einen erhöhten Krankenstand verursacht – einschließlich der Quarantäne-Fälle, die gerade in der Logistik ihren Job häufig nur bedingt oder gar nicht zuhause ausüben können. Im Food-Bereich lag der Anteil der Händler, die einen erhöhten Krankenstand vermeldeten, mit etwa 80 Prozent noch deutlich höher als im Nonfood-Bereich mit etwas mehr als 60 Prozent.
Personalüberkapazitäten – mit 44,5 Prozent bei knapp der Hälfte der Händler zu verzeichnen – und ein erhöhter Personalmangel – in diesem Fall mit einem Anteil von 54,2 Prozent bei gut der Hälfte der Teilnehmer ermittelt – schließen sich insofern nicht aus, als dass z. B. durch Nachfrageverlagerungen vom stationären zum Online-Vertrieb im gleichen Unternehmen an der einen Stelle ein Mehrbedarf an Personal entsteht, während gleichzeitig in einem anderen Bereich Kapazitäten frei werden. Knapp 4 Prozent der teilnehmenden Handelsunternehmen haben keine eigene Logistik mit Personal.
Jeweils rund 50 Prozent der Unternehmen im Nonfood-Sektor bestätigten in der Umfrage einen Personalmangel oder Corona-bedingte Überkapazitäten. Im Food-Sektor hingegen nannten 80 Prozent einen Personalmangel, jedoch lediglich 20 Prozent Überkapazitäten. Ursache dafür sind vor allem die in der Anfangsphase der Pandemie aufgekommenen Hamsterkäufe.
Maßnahmen zur Krisen-Bewältigung
Zur Krisen-Bewältigung setzten viele Unternehmen temporär auf das Arbeiten aus dem Home Office, z. B. zur Überwachung bzw. Steuerung der Abläufe. Für das Transportieren, Packen oder Lagern von Ware lässt sich dies nicht realisieren. Zu den weiteren Maßnahmen zählen die Bewältigung von Überkapazitäten einerseits und der Ausgleich von Personalengpässen andererseits.
18,8 Prozent der teilnehmenden Unternehmen nannten weitere Maßnahmen wie den Stellenabbau externer Mitarbeiter bzw. die Abmeldung von Zeitarbeitnehmern sowie auf der anderen Seite die Erhöhung des Leiharbeiterbestandes. Viele Umfrageteilnehmer richteten darüber hinaus Schichtsysteme ein, um das Ansteckungsrisiko zu verringern. Unternehmen aus dem Nonfood-Sektor beantragten überdies Kurzarbeitergeld.
Intralogistik: Verlagerung in den Online-Markt
Über zwei Drittel der teilnehmenden Handelsunternehmen meldeten veränderte Bestellmengen aus den Filialen als häufigsten Effekt auf die eigene innerbetriebliche Logistik. Diese dürften auf mehrere Ursachen zurückzuführen sein, z. B. auf die vom Gesetzgeber verordneten temporären Filialschließungen oder die Hamsterkäufe.
56,3 Prozent verzeichneten eine Verschiebung der Kundenachfrage und damit eine mengenmäßige Verlagerung in den Online-Markt – davon fast 90 Prozent aus dem Nonfood-Segment und lediglich 20 Prozent der Lebensmittelhändler. Letztendlich ergeben sich nur bei 9,4 Prozent der Händler Verschiebungen zwischen den Lagerungsarten.
Die Bestellhäufigkeiten von der Einzelhandelsebene her haben sich nur bei 40,6 Teilnehmer geändert. Möglicherweise sind die von den jeweiligen Dispositionskonzepten bestimmten Bestellzyklen für jede Verkaufsstelle relativ starr und sollten auch im Zusammenhang mit der Tourenplanung für die Auslieferung der Bestellungen betrachtet werden.
Auswirkungen auf die Warendistribution
50 Prozent der in die Studie involvierten Handelsunternehmen bestätigten Auswirkungen der Pandemie auf die Auslastung der vorhandenen Transportkapazitäten. Für den Umstand, dass es sich dabei in der Regel eher um abnehmende Transportmengen infolge der eingeschränkten Ladenöffnungen handelt, spricht, dass 15,6 Prozent der Händler zeitweilige Überkapazitäten bei den Fahrern beklagten, jedoch nur 6,5 Prozent einen steigenden Fahrermangel. Folglich, so die Angaben, werden Fahrer in Kurzarbeit geschickt oder in anderen Lagerbereichen eingesetzt.
80 Prozent der Food-Händler hat einen höheren Bedarf an an Transportkapazitäten bzw. Fahrern an, im Nonfood-Sektor haben dies nur 12 Prozent.
Verstärkte Kontrollen und sonstigen Einreisebeschränkungen führten bei gut 40 Prozent der Handelsunternehmen zu Behinderungen im grenzüberschreitenden Verkehr.
Als weitere sonstige Auswirkungen wurden die schlechtere Kalkulierbarkeit von Lieferrouten im internationalen Warenverkehr sowie eine zunehmende Verschiebung von Filial- zu Kundenbelieferungen genannt. Eng damit verbunden ist auch der zunehmende Anteil an KEP-Sendungen.
Vorgehensweise der Studie
Das EHI hat im Zeitraum 02. bis 17. April eine Online-Befragung unter Logistikleitern im Handel zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Handelslogistik durchgeführt. Dabei wurden im Multiple-Choice-Verfahren Fragen zu den Bereichen Warenbeschaffung, interne Logistik, Warendistribution und Logistik-Personal beantwortet. 32 Logistikleiter nahmen an der Studie teil.