Key Facts
- Smarte Einkaufswagen haben einen Touchcomputer mit Barcode-Scanner
- Über App-Anbindung lassen sich Einkaufsliste und personalisierte Werbung am Display anzeigen
- Integrierte Sicherheitstechnologien sollen verhindern, dass Produkte ohne Scan abgelegt werden
- Smart Carts sind aktuell in rd. 230 Supermärkten der Edeka-Genossenschaften im Einsatz
Personal Shopping Assistant – so hieß der Urahn der heutigen Hightech-Minicomputer am Einkaufswagen. In einem realen Markt eingesetzt wurde er erstmals von der Metro Group im Extra „Future-Store“ in Rheinberg Anfang des Jahrtausends, stieß jedoch bei der Kundschaft auf wenig Gegenliebe. Heute erleben die smarten Trolleys ein Revival.

Die mobilen Touchcomputer von Shopic werden vor der Nutzung auf den Einkaufswagengriff aufgesteckt.
Foto: Shopic
Der Scanner ist entweder im Einkaufswagengriff integriert oder über ein Kabel mit dem Computer verbunden. Die Displays sind deutlich größer als bei Handhelds oder Smartphones und erlauben nicht nur die komfortable Darstellung von Bezeichnung und Preis der Artikel, sondern auch die per Händler-App erstellte Einkaufsliste. Werbebotschaften, passend zum Einkaufsprofil, werden auf dem Bildschirm angezeigt. Ausgecheckt wird an stationären Kassen, am Handy oder direkt auf dem Touchscreen-Computer.
Um zu verhindern, dass Kund:innen mit ungescannten Artikeln den Markt verlassen, kommen aktuell drei unterschiedliche Technologien zum Einsatz: Kontrollkameras, die den Einkaufsprozess aufzeichnen, Wiegesensoren, die Gewichtsveränderungen im Einkaufskorb nach dem Scan-Vorgang registrieren und Computer Vision in Verbindung mit KI und Machine Learning.
Die Anonymität bei der Anwendung ist mit ein Grund für die hohe Akzeptanz.
Robert AschoffRoll-out der Hightech Trolleys
Die größte Verbreitung in Deutschland hat der „Easy Shopper“. 5.600 Exemplare sind Stand Mitte März 2023 in 142 Edeka-Märkten der Region Minden-Hannover unterwegs. Statt eines Drahtkorbes hat der Einkaufswagen eine Packfläche für die Aufnahme von Einkaufstaschen. Der Barcode-Scanner ist in einem seitlichen Antennenarm verbaut, ebenso eine auf die Packfläche ausgerichtete Kontrollkamera für die Aufzeichnung von Bild- und Videoinformationen.

Der seitliche Antennenarm mit integriertem Barcode-Scanner und Kontrollkamera ist das Erkennungsmerkmal des „Easy Shopper“.
Foto: Pentland Firth
Die zweite Kamera ist an der unteren Ablage angebracht. Ein 11,6 Zoll großer Touchscreen-Computer bildet die Einkaufsliste ab, zeigt Werbung und bietet Features wie Produktsuche, Indoor-Navigation, Rezeptvorschläge und eine Hilfetaste. Vor der Nutzung des Einkaufswagens muss sich der Kunde oder die Kundin über die zugehörige App oder die „Deutschlandcard“ autorisieren. Bezahlt wird über die App oder an den Checkout-Kassen des Marktes.
Design und Elektronik des in China hergestellten „Easy Shopper“ stammen von der Pentland Firth Software GmbH, einem Technologie-Start-up mit Mehrheitsbeteiligung der Edeka Minden-Hannover. Pentland gibt an, dass in der Packfläche integrierte Wägezellen die Gewichtsdifferenz messen, nachdem ein Artikel im Einkaufswagen abgelegt wurde. Was dann genau geschieht und wie die Wiegedaten zur Vermeidung oder Aufdeckung von Warenverlusten genutzt werden können, dazu wollte sich Pentland nicht im Detail äußern. Mit einer Store-Manager-App können Marktmitarbeitende oder Ladendetektive anhand der Kontrollkameras Livechecks durchführen und den Einkaufsprozess bei Unstimmigkeiten nachkontrollieren.
Seit einem halben Jahr bietet Pentland zusätzlich eine kompakte Variante des Smart Carts an. Als modulare Erweiterung eines handelsüblichen Einkaufswagens verzichtet der „Easy Shopper Light“ auf Wiegezellen und die zweite Kamera.
Der „Smart Shopper“, eine Gemeinschaftsentwicklung vom Technologie Start-up KBST und Expresso, Anbieter von Transportgeräten, verzichtet auf Kameras und bietet dafür eine intelligente Wägetechnologie. Kern der KBST-Software-Plattform ist ein selbstlernender, KI-gestützter Algorithmus. Drei mit Sensoren verbundene Wägezellen registrieren den Inhalt des Drahtkorbes sowie die Artikel auf der unteren Ebene während des Einkaufs und gleichen dies mit den in den Artikelstammdaten hinterlegten Gewichtswerten ab.
Legt man einen Artikel im Einkaufswagen ab, ohne ihn vorher zu scannen, weist ein Warnsignal auf das Versäumnis hin. Der Wagen blockiert und der Einkaufsvorgang lässt sich erst fortsetzen, nachdem das Produkt gescannt wurde.
Die Bedienung der fest montierten Multi-Touch-Anzeige „Scan-Box“ ist selbsterklärend und auch ohne vorherige Autorisierung nutzbar. „Die Anonymität bei der Anwendung ist mit ein Grund für die hohe Akzeptanz“, sagt Edeka-Kaufmann Robert Aschoff aus Kassel, der den „Smart Shopper“ mit seinem Sohn Max zur Praxisreife gebracht hat.
Seit Kurzem ist die Integration der Edeka-App in die KBST-Software möglich: Wer sein Smartphone mit dem Einkaufswagen koppelt, sieht auf dem Touchdisplay App-Inhalte wie personalisierte Coupons, Rabatte und andere Werbeaktionen. Wettbewerber Pentland will die Integration der Edeka-App ebenfalls in Kürze anbieten.
Rund 80 Edeka-Märkte in sechs Regionalgesellschaften (alle außer Edeka Minden-Hannover) setzen den „Smart Shopper“ mittlerweile ein. Bestellungen für „weit über 100 Märkte“ liegen vor, sagt KBST-Mitgesellschafter Max Aschoff. Als Durchschnittspreis für den Einkaufswagen gibt Vertriebspartner Expresso 4.600 Euro an. Das ist zwar deutlich mehr als die rund 3.000 Euro, die der „Easy Shopper“ nach eigenen Recherchen kosten soll. Dafür kann der „Smart Shopper“ für sich in Anspruch nehmen, eine Sicherheitstechnik an Bord zu haben, die sich praktisch nicht überlisten lässt.
KI überwacht Einkaufswagen
Auf der EuroShop 2023 gab es smarte Einkaufswagen zu sehen, die eine Erkennung der Produkte über Künstliche Intelligenz und Computer Vision ermöglichen. Eine Kamera in der Display-Einheit scannt den Barcode und fügt den Artikel nach Abgleich mit den von der KI angelernten optischen Artikelparametern hinzu. Wanzl hat auf der Messe eine Lösung vorgestellt, die nach diesem Prinzip funktioniert.
Die Kamera im Display erkennt zum Beispiel, ob eine andere Flasche Wein in den Einkaufswagen abgelegt wurde als die zuvor gescannte und ins Regal zurückgestellte Flasche. Der Einkauf lässt sich erst fortsetzen, nachdem der Fehler behoben wurde. Neulistungen im Sortiment werden über die Kameraerfassung des Barcodes nach und nach durch die KI angelernt. Jeder Scanvorgang im Produktivbetrieb optimiert die Qualität der Objekterkennung.
„Wir verzichten bewusst auf die Wägetechnik, welche die Lösung sehr komplex macht und teuer ist,“ sagt Jürgen Frank, Senior Vice President Markets & Solutions bei Wanzl. Der „Smart Trolley“ sei bei einem Lebensmitteldiscounter mit zehn Wagen im Testmarkteinsatz. Teil des modular konfigurierbaren Wanzl-Systems ist ein Pfandschloss am Einkaufswagengriff. Nach dem Entsperren mit der Händler-App über das Smartphone meldet sich der Touchscreen mit passgenauen Werbebotschaften.

In speziellen Parkboxen werden die Touchcomputer aufgeladen.
Foto: Pentland Firth
Auch bei der KI-Lösung des Technologie-Start-ups Nomitri wird die Sicherheitsthematik über die Kamera eines Mobil-Computers bedient – in diesem Fall auf einem handelsüblichen Tablet-PC, der auf einem normalen Einkaufswagen montiert ist. Die Kamera registriert den Barcode und trackt die Aktionen im Einkaufskorb, die den Shoppern wie bei der Wanzl-Lösung als Live-Bild im Screen angezeigt wird. Bei Unstimmigkeiten erscheint eine Fehlermeldung mit der Aufforderung zur Korrektur. Da die Technik komplett im Tablet integriert ist, kostet der Smart Trolley „nur so viel wie eine normale Scan & Go-Lösung mit dem Hand-Scanner“, sagt Dr. Moritz August, Chief Digital Officer von Nomitri. Die Anwendung läuft seit einem halben Jahr in vier Supermärkten von Edeka Lüning, weitere Testmärkte sollen in diesem Jahr hinzukommen.
Intelligente Kameras
Während bei den genannten KI-Technologien der Barcode der visuelle Marker für die Produktidentifizierung ist, sind auch schon Lösungen im Praxiseinsatz, die ohne Barcode-Scan ausschließlich mit Bilderkennung per Computer Vision arbeiten. Bei Shufersal zum Beispiel, einem Supermarktunternehmen in Israel, erkennt die Kamera am Einkaufswagen jedes Produkt, das in den Drahtkorb abgelegt wird, erklärt der Anbieter Shopic aus Tel-Aviv.
Die Kamera ist Teil eines mobilen Multitouch-Computers, der vor der Nutzung am Griff aufgesteckt wird. Shopic beziffert den Roll-out bei Shufersal mit rund 40 Märkten, pro Woche gingen zwei weitere ans Netz. Edeka-Kaufmann Dieter Hieber testet in einem seiner Supermärkte eine Anwendung des Start-ups Flow Cart, die ebenfalls mit Bilderkennungstechnik arbeitet.
Die Digitalisierung von Einkaufswagen soll die Shoppingtour komfortabler machen und den Händlern weitere Touchpoints mit der Kundschaft eröffnen. Die intelligenten Smart Carts sollen den normalen Einkaufswagen nicht ablösen, sondern den Fuhrpark ergänzen. Ab 1.000 qm Verkaufsfläche ist es sinnvoll, über deren Einsatz nachzudenken, empfehlen die Anbieter.
Zehn Stück sind eine häufig gewählte Einstiegsmenge, 20 eine typische Ausstattungsgröße. In großen SB-Warenhäusern kommen heute schon deutlich mehr Smart Carts zum Einsatz. Bei Marktkauf in Magdeburg zum Beispiel sind über 100 digitale Einkaufswagen unterwegs.