Covid-19 drückt in diesen Zeiten praktisch allem seinen Stempel auf – selbst der Entscheidung zwischen Bedienungstheke und SB-Regal. Eigentlich hatte das Einkaufsverhalten der Kunden zuletzt in Richtung Frischetheke tendiert, schlug dann aber aufgrund von Corona in Richtung SB um. „Aus Hygienegründen setzt der Handel derzeit verstärkt wieder auf vorverpackte Ware“, beobachtet Rainer Maase, Geschäftsbereichsleiter Retail Deutschland bei Bizerba.

Die Wurstwaren in der Real Markthalle Krefeld sind vorverpackt in eine Verpackung aus kompostierbarem Material auf Holzbasis.
Foto: S.A.M. Kuchler
Möglicherweise hält diese Präferenz noch eine Zeit lang an, grundsätzlich aber bewerten Marktbeobachter den Trend zur Bedienung als stabil. „Geiz ist geil war gestern, stattdessen zählen Regionalität und Frische“, meint Maase. Die Handelsunternehmen selbst hätten ein entsprechendes Interesse am Thekengeschäft, da Eigenproduktion und Veredelung eine „verhältnismäßig große Marge“ bieten. Auch könnten Händler über den Thekenverkauf den Frische-Aspekt hervorheben, Individualität demonstieren und zeigen, dass sie regionale Waren im Sortiment haben.
Constantin Kuchler, Geschäftsführer von S.A.M. Kuchler Electronics aus dem österreichischen Klagenfurt führt ebenfalls die Wertschöpfung als Argument an: „Weil der Lebensmittelhändler selbst im Markt bedarfsgerecht schneidet und verpackt, erzielt er eine höhere Marge als bei SB-Packungen, die er zukauft.“ Nicht zuletzt sei einer der wichtigen Unterschiede zwischen Discount und LEH „immer noch die Bedientheke und Ultrafrische“, so Kuchler.
Füllmenge und Scheibenstärke
Supermärkte können also ihre selber produzierten oder veredelten Waren nicht nur für die Theke herstellen, sondern auch an den Bedarf angepasst als SB-Artikel verpacken. Ein Vorteil gegenüber dem Bezug von klassischer SB-Ware ist auch, dass der Händler mit modernen Systemen die Füllmengen der SB-Packungen selbst bestimmen und auf Wünsche nach unterschiedlichen Scheibenstärken eingehen kann.
Dabei besteht die Möglichkeit, die Produktion vor Ort für den Kunden transparent zu machen. „Wir erzielen die besten Umsätze in den Märkten, in denen die Produktion sichtbar gemacht wird – also auf der Ladenfläche stattfindet“, sagt Constantin Kuchler. Damit die Maschine auch optisch in den modernen Ladenbau passt, hat der österreichische Hersteller seine neuesten Systeme mit einer speziell entwickelten Hygienebeschichtung in Matt-Schwarz ausgestattet. Auf der EuroShop 2020 zeigte Kuchler einen Vollautomaten in Bedienung. Vor den Augen der Kunden produziert das Gerät Portionen nach Zielgewicht oder Preiswunsch und legt diese in einem perfekten Layout aufs Papier.
S.A.M. Kuchler kümmert sich auch um das Verpackungsmaterial, auch hier gibt es innovative Ideen, zum Beispiel eine Feinkostverpackung ohne Plastik, die im Gartenkompost verrottet. Das Material wird aus Holz gewonnen und bietet dem Handel so eine Möglichkeit, frischen Aufschnitt in Material aus nachwachsenden Rohstoffen zu verpacken. Eine weitere Lösung sind transparente Mehr-Lagen-Verpackungen, in denen die Ware gut sichtbar ist. Sie bieten getrennte Portionen in einer Packung und erhalten die Frische über mehrere Tage. Diese conveniente SB-Packung kommt laut Kuchler
beim Kunden gut an.
Die höchsten Umsätze werden nach unserer Erfahrung in den Märkten erzielt, in denen die Produktion sichtbar gemacht wird – also auf der Ladenfläche stattfindet.
Constantin Kuchler
Kleine Produktionsstätten
Neben technischen Erneuerungen wie zum Beispiel Packungsgrößen, die sich der Ware anpassen, Fernwartung der Maschinen oder Echtzeit-Dashboards mit Schneidestatistiken bietet Kuchler dem Handel zusätzliche Services an.
So können die Systeme an Bestell-Plattformen angebunden werden. Die Maschinen arbeiten die Aufträge dann automatisch ab, vom Aufschneiden bis zur fertig verpackten Portion. „Wir bringen mit unseren Maschinen kleine Produktionsstätten in die Märkte“, so Kuchler. Auch die modernen Systeme seien leicht zu bedienen. Per Touch-Display werden die Vorgänge angestoßen: das Schneiden von gewichtsgesteuerten Packungen, das Ansteuern einer automatisierten Preisauszeichnung/Waage, das automatische Abarbeiten von Jobs, auch aus einem Onlineshop heraus.
Das Unternehmen Bizerba treibt die Digitalisierung auf diesem Gebiet ebenfalls voran. Mit dem System „MyOrder“ hat das Unternehmen beispielsweise den Bestellprozess komplett digitalisiert. PC-Waagen wie „M-Class II 500 Pro“ und die soeben neu angekündigte Gerätegeneration „K3“ können mit der verbauten Cutter-Technologie alle notwendigen Informationen über das Produkt, seine Nährwerte und weitere Daten dem Endkunden zur Verfügung stellen. Die Kombination der digitalen Vertikalschneidemaschine „VSP“ mit den PC-Waagen gewährleistet laut Bizerba „eine hohe Prozesssicherheit.“ In die vernetzte Systemwelt kann bei Bedarf der Wrapper „B3“ eingebunden werden: Die vollautomatisierte Verpackungs- und Preisauszeichnungsmaschine verpackt frische Lebensmittel und ist für verschiedene Verpackungsgrößen und -materialien konzipiert.
Vernetzung mit Online
Zu den in zahlreichen Ländern tätigen Ausrüstern gehört Mettler Toledo. Auf dem deutschen Markt ist das Unternehmen zwar nicht mehr im Bereich Prepacking tätig, bedient damit aber andere europäische Märkte wie Frankreich, Italien und Spanien und bestätigt hier eine gute Nachfrage. Auch in den USA sind die Systeme von Mettler Toledo im Einsatz, u.a. bei Tony O‘s („Orlando‘s“). Mettler Toledo beobachtet eine Verschiebung der Nachfrage in Richtung Onlinehandel. Damit einher gehen nach Erfahrungen des Unternehmens steigende Investitionen des Handels in moderne Prepacking-Lösungen, um die online generierte Nachfrage nach Frischeprodukten erfüllen zu können, berichtet Ann Guess, Global Head of Marketing Retail bei Mettler Toledo USA.
Der Fleischvorbereitungsraum in Supermärkten hat viel mit einer Produktionsanlage gemeinsam: Rohmaterialien gehen ein und Endprodukte verlassen ihn. Hier sei ein optimierter Prozess gefragt, der auf den Grundsätzen des Lean Manufacturing basiert, heißt es bei Mettler. Bei Tony O’s in den USA erfüllt ein Verpackungsautomat laut Mettler 880 verschiedene Anforderungen.
Das System eignet sich laut Mettler für alle typischen Abläufe bei Einzelhändlern beliebiger Größe. Welches Level die Digitalisierung und Vernetzung der Maschinen in der Fleischverarbeitung inzwischen erreicht hat, ist bei der Migros-Tochter Micarna zu besichtigen. Das Unternehmen setzt auf künstliche Intelligenz, um seine Mitarbeiter vom körperlich anstrengenden Umgang mit Schlachtprodukten zu entlasten.
Die sogenannte Produktidentifizierung übernimmt ein Bildklassifizierungssystem auf Basis des KI-Dienstes „Custom Vision“ von Microsoft. Ziel von Micarna ist es, dass die Mitarbeiter künftig per KI automatisch generierte Vorschläge zur Klassifizierung des Frischfleisches erhalten und diese nur noch im System bestätigen und verbuchen müssen.