Künstliche Intelligenz wurde von den IT-Entscheider:innen im Rahmen der EHI-Studie „Technologie Trends im Handel” als Top-Trend der nächsten drei Jahre identifiziert. Wie sehen Sie das und warum?
Künstliche Intelligenz ist sicherlich nicht nur im Handel das Top-Thema. KI ist die Gegenwart und wir sollten hierbei nicht nur fragen, was wir besser machen können, sondern vor allem, was wir anders machen können. Die neuen technologischen Entwicklungen sind in der Lage, zahlreiche Probleme zu lösen und lassen KI zum echten Produktions- und Innovationsfaktor für Unternehmen werden. Der Erfolg wird zukünftig denen gehören, die KI verstehen und zielgerichtet einsetzen können. Mit der Retaill AI GmbH bauen wir gerade ein Unternehmen auf, was hierbei einen wichtigen Beitrag leistet und speziell den Retail- und FMCG-Sektor mit innovativen GenAI-Lösungen und Dienstleistungen unterstützt.
Der Handel muss immer schneller auf Marktveränderungen reagieren, aber wie können Unternehmen dabei die Stabilität und Sicherheit ihrer IT-Infrastruktur, insbesondere im Hinblick auf Cyber-Sicherheitsbedrohungen, im Gleichgewicht halten?
Durch die Automatisierung von IT-Prozessen und die Implementierung von Dev-Ops-Praktiken können Änderungen effizient umgesetzt und Fehler reduziert werden. Ich empfehle, auf Cloud-Technologien und hierbei auf eine Multi-Vendor-Strategie zu setzen, verbunden mit einer modularen IT-Architektur. Dies bietet hohe Skalierbarkeit und Flexibilität, aber auch starke Sicherheitsfeatures. Unternehmen können mit Hybrid- oder Multi-Cloud-Strategien eine höhere Ausfallsicherheit erreichen, falls eine Plattform beeinträchtigt wird. Hilfreich können dabei auch eigens betriebene Rechenzentren sein. Mit Hilfe einer modularen IT-Architektur lassen sich zudem gezielt Systeme und Anwendungen aktualisieren oder austauschen, ohne die gesamte Infrastruktur zu gefährden.
Ein weiterer wichtiger Baustein sind proaktive Überwachung und Incident Response. Durch den Einsatz von Threat-Detection-Tools können potenzielle Angriffe frühzeitig erkannt und abgewehrt werden. SIEM (A. d. R. Security Information Management/Security Event Management)-Systeme erfassen und analysieren sicherheitsrelevante Daten, um Bedrohungen zu identifizieren. Eine gut vorbereitete Incident Response-Strategie mit klar definierten Prozessen stellt sicher, dass im Angriffsfall schnell reagiert werden kann. Auch regelmäßige Sicherheitsupdates und automatisierte Patch-Management-Systeme beugen vor.
Zu den wichtigsten Themen zählen Awareness bei und Schulungen der Mitarbeitenden, die Durchführung von Sicherheits- und Risikoanalysen. Außerdem ist wichtig, Ernstfälle zu üben, um Schwachstellen zu identifizieren, aber auch potenzielle Angriffsflächen zu erkennen und beseitigen zu können. Indem Unternehmen agile Arbeitsweisen, Automatisierung und eine proaktive Sicherheitsstrategie kombinieren, gewährleisten sie Stabilität und Sicherheit ihrer IT-Infrastruktur.
Es wird mit vielen technologischen Neuheiten auch immer mehr Rechenleistung benötigt. Ist Quanten-Computing hier die Lösung? Der Einzelhandel zeigt sich hier bisher zurückhaltend.
Quanten-Computing wird oft als eine mögliche Lösung für die steigenden Anforderungen an Rechenleistung in bestimmten Bereichen betrachtet. Klassische Computer basieren auf Bits, die entweder den Zustand 0 oder 1 haben, während Quanten-Computer mit sogenannten Qubits arbeiten, die aufgrund von Überlagerung und Verschränkung gleichzeitig mehrere Zustände annehmen können. Dadurch bieten sie theoretisch die Möglichkeit, bestimmte Berechnungen exponentiell schneller durchzuführen als klassische Computer. Da Handelsunternehmen keine Technologie-Konzerne sind, wird Quanten-Computing für diese Zielgruppe erst relevant, wenn auf Basis dieser Technologie passende Angebote zur Verfügung gestellt werden, die einen Mehrwert für Kunden und/oder Mitarbeitende darstellen. Auch hier gilt es, nicht das passende Problem für die Technologie zu finden, sondern von der Aufgabe zur passenden Lösung zu kommen.
Quanten-Computer bieten zwar enorme Vorteile für bestimmte spezifische Probleme, sind jedoch nicht für jede Art von Berechnung besser geeignet. Für viele alltägliche Aufgaben, wie zum Beispiel das Ausführen von Standardsoftware oder das Streamen von Videos, sind klassische Computer effizient genug und Quanten-Computer wären einfach überdimensioniert.
Auf den kommenden Technologie Tagen werden Sie das Tech Leader Panel moderieren. Welche Themen oder Innovationen erwarten Sie mit besonderem Interesse und warum?
Da ich seit einigen Monaten den Handel aus einer anderen Perspektive begleite, als Kundin und aus Sicht eines Dienstleisters, ist es für mich natürlich sehr spannend zu erfahren, welche Themen und Innovationen es im Kontext KI, Machine Learning und darüber hinaus in die Unternehmen, Filialen und zum Kunden geschafft haben. Besonders interessiert mich, welche KI-Anwendungsfälle es gibt und welche tatsächlichen Mehrwerte es in den Unternehmen schaffen, wie sich IT-Infrastrukturen entwickelt haben und werden, damit diese sich flexibler und bedarfsgerecht an die sich immer schneller ändernden Anforderungen auf verschiedenen Ebenen (Technologie, Kunde, Gesetzgeber etc.) anpassen können, aber auch, was sich zum Thema Payment getan hat und inwieweit es Kryprowährungen aktuell schon in die Praxis geschafft haben. Außerdem wird interessant sein, welche aktuellen Entwicklungen und Trends es rund um autonome Stores, smart carts und Self-Checkout gibt (inkl. Loss Prevention) und zu guter Letzt – angesichts der immer angespannteren Sicherheitslage – wie sich Handel und Industrie robust, gesetzeskonform und dynamisch im Bereich Cyber-Security aufstellen. Ich bin gespannt auf alle Themen, die sowohl aus technischer als auch strategischer Sicht relevant sind und direkten Einfluss auf die Effizienz, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit des Handelssektors haben.
Das Interview führte Imke Hahn.
Das vollständige Interview mit Antje König lesen Sie in der kommenden Ausgabe der stores+shops, die am 31. Oktober erscheint.