Die vorgestellten Technologien reichten von Künstlicher Intelligenz über digitale Tools bis hin zu Konzepten für autonome Stores. Dabei wurden vielschichtige Herausforderungen deutlich: steigende Kundenerwartungen, regulatorische Anforderungen und Fachkräftemangel. Mit einem Fokus auf Innovation und Kundennähe sprachen Händler verschiedenster Branchen darüber, wie sie mithilfe von Technologie den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Verantwortung zu meistern suchen.
Integrative Zielsetzungen
Die Verknüpfung von ökonomischer Effizienz und Nachhaltigkeit ist ein zentraler Punkt im Einzelhandel, der auf der Veranstaltung intensiv diskutiert wurde. Als engagiert in diesem Bereich präsentierte sich Hornbach. Die Baumarktkette, die branchenbedingt hohe CO2-Verbrauchszahlen aufweist, setzt auf technologische Lösungen wie elektronische Preisschilder, die Prozesse verschlanken, und den ökologischen Fußabdruck verkleinern sollen. CTO Andreas Schobert sieht dies als Beitrag für die nächste Generation, deren Werte und Bedürfnisse Hornbach unter anderem mit klimafreundlichen Produkten, Smart-Home-Lösungen, Mehrweg-Trays und Reparaturservices berücksichtigen will, um bei verschiedensten Zielgruppen langfristig die Kundenbindung zu stärken. „Nachhaltiges Handeln im sozialen, ökologischen und ökonomischen Sinn kannst du nicht anordnen. Du kannst es nur tun“, so Schobert.
Konsolidierung und Synergien
Mit ähnlicher Zielsetzung nutzt Rewe digitale Zwillinge zur Optimierung der Lieferkette. Durch Simulationen können Stellschrauben zur Reduktion von Lebensmittelabfällen identifiziert werden. Auch die Konvergenz von IT- und Betriebstechnologie hilft Rewe, Betriebsabläufe effizienter zu gestalten. Es brauche viele kleine Bausteine über einen längeren Zeitraum, um die gesteckten Ziele zu bewahrheiten, sagte Michael Sauerzapf von Rewe International. Rewe wie Thalia setzen verstärkt auf die Konsolidierung und Standardisierung ihrer Systeme, um langfristig effizienter zu arbeiten. Rewe fokussiert dabei auf die Interoperabilität seiner Systeme, um ein nahtloses Zusammenspiel aller digitalen Plattformen zu gewährleisten und kostspielige Insellösungen abzuschaffen. Thalia verfolgt einen ähnlichen Ansatz mit einer neuen Kassenstruktur für den gesamten D-A-CH-Raum, was den operativen Ablauf vereinfacht und Kosten reduziert.
Am zweiten Tag beleuchtete Dr. Marcel Endejan von Otto die Bedeutung von KI für den E-Commerce: Ohne die gezielte Förderung durch das hauseigene KI-Programm „Pushing AI“ wären laut ihm viele Entwicklungen nicht umsetzbar. Das interne KI-Portal hilft, konkrete Anwendungsfälle zu dokumentieren und die Kolleg:innen zu schulen. So entstehen neue Ideen für KI-Einsätze, etwa für bedarfsgerechte und kundenfreundliche Einkaufserlebnisse.
Nachhaltiges Handeln im sozialen, ökologischen und ökonomischen Sinn kannst du nicht anordnen. Du kannst es nur tun.
Andreas SchobertDer Einzelhandel als „Ort des Glücks“
Die Digitalisierung interner Kommunikationsprozesse ist ein weiterer Trend, der auf den Technologie Tagen eine zentrale Rolle spielte. Die „Toomunity“-App des Baumarkts Toom etwa veranschaulicht, wie Händler die Vernetzung ihrer Mitarbeitenden fördern wollen. Anhand der auf den privaten Endgeräten der Beschäftigten laufenden App können Beschäftigte Fragen zu allen betriebs- oder personalrelevanten Themen stellen und in kürzester Zeit Antworten erhalten, da das „Schwarmwissen“ des Unternehmens aktiviert wird. So sollen die Mitarbeitenden effizienter in ihrer Arbeit unterstützt und in Entscheidungen eingebunden werden, was das Zugehörigkeitsgefühl stärken und die Qualität der Kundenberatung verbessern kann. Dass Händler auch mit ihren Kund:innen auf informativer und emotionaler Ebene eine Bindung durch digitale Elemente und Services schaffen möchten, zeigte der Beitrag von Fressnapf. Im Rahmen seines Omnichannel-Ansatzes möchte das Unternehmen stationäre und Online-Touchpoints nahtlos miteinander verbinden, um das Einkaufserlebnis am Point of Service als „Ort des Glücks“ zu stärken.
KI für personalisierte Kundenansprache
Ikea und dm-Drogeriemarkt haben erkannt, dass KI eine zentrale Rolle spielt, um die Erwartungen der Kundschaft zu erfüllen und nachhaltige Prozesse zu etablieren. Bei dem schwedischen Möbelhaus steht laut CDO Jeremy Drury „digitales Vertrauen“ im Mittelpunkt. KI-gesteuerte Tools sollen das Kundenerlebnis verbessern und Verschwendung reduzieren. So soll etwa die „Waste Watcher“-Software Lebensmittelverluste minimieren, indem sie präzisere Bedarfsprognosen liefert.
Für Ikea ist der European AI Act ein sinnvoller Rahmen und eine Chance, innerhalb ethischer Grenzen Innovationen voranzutreiben. Auch dm nutzt KI gezielt, um die Mitarbeitenden zu unterstützen. Die selbst entwickelte „dmGPT-App“ dient dem Unternehmen seit ca. 1,5 Jahren zur Text- und Bilderstellung, was hilft, die Arbeitsprozesse zu vereinfachen und wiederkehrende Kundenanfragen effizienter zu beantworten. Wir konnten feststellen, dass die Kolleginnen und Kollegen dadurch doppelt so häufig in der Lage sind, Probleme selbst zu lösen“, erklärt Andreas Gessner, Geschäftsbereichsverantwortlicher bei dm Tech.
Tyler Grubbs von Racetrac verdeutlichte den Wert eines stabilen Technologie-Stacks für Convenience Stores. Mit Maßnahmen zur Reduktion von Systemausfällen hat Racetrac eine deutliche Verbesserung der Kundenerfahrung erzielt, etwa durch Einführung einer App für mobile Bestellungen und Echtzeit-Alerts. Die Transformation bewirkt 90 Prozent weniger Hardwareausfälle und stärkt die Konsistenz des Einkaufserlebnisses.
Mit einer Ideensammlung haben Henny Steiniger, Vice President Services & Solutions, Customer Experience & Care, und Stephan Lange, Managing Director, beide bei Mediamarkt Saturn das Projekt GenAI in ihrem Unternehmen gestartet. Aus zahlreichen Vorschlägen hat ein interdisziplinäres Team sieben ausgesucht. Für die Umsetzung hat der Elektronikhändler ein Open AI-Standard um individuelle Anpassungen ergänzt. Dieses GenAI-Framework wird permanent weiterentwickelt. Wichtig sei dabei, alle Mitarbeitenden mitzunehmen – die meisten von ihnen arbeiten auf der Fläche. Deshalb gab es für alle Beschäftigten auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmte Schulungen. Mit einem Praxisbeispiel von Tom Tailor berichteten Fabian Bode, eCom & Consumer Analytics Manager bei dem Modehändler und Eiko van Hettinga, Gründer & CCO, dass etwa KI-basiertes Predictive Pricing und Preiselastizitäten die Rotpreisberechnung optimieren. Gleichzeitig konnte der manuelle Aufwand reduziert und Fehler vermieden werden. Die Prognose-Genauigkeit liege bei 90 Prozent.
Im Bereich dynamische Preisanpassungen präsentierte Volkan Bas von PVH, wie das Unternehmen seine „Omni Price and Promotion Engine“ (OPP) implementiert hat, um flexibel auf Marktbewegungen zu reagieren. KI-gestützte Systeme sollen dabei helfen, jederzeit den optimalen Preis für das richtige Produkt am passenden Standort anzubieten, was die Effizienz und Konsistenz im Preissetzungsprozess weiter stärkt.
Smart Stores und SCO-Lösungen
Automatisierte Store-Konzepte werden mehr und mehr zu Bestandteilen der Handelslandschaft. Das Walk-in-Modell von Edeka Jäger am Flughafen Stuttgart erlaubt Kund:innen, nachts ohne Personal einzukaufen. Möglich wird dies durch den Einsatz von Selbstbedienungskassen, automatischer Alterserkennung und bargeldlosen Zahlungssystemen. Edeka setzt auf dieses Modell als Lösung für den Fachkräftemangel und als um den Umsatz im Nachtgeschäft zu steigern. „Die technologische Optimierung im SCO-Bereich bringt uns auch im konventionellen Betrieb Kosteneinsparungen“, sagte Inhaber Florian Jäger.
Die technologische Optimierung im SCO-Bereich bringt uns auch im konventionellen Betrieb Kosteneinsparungen.
Florian JägerEbenso berichtet der litauische Händler Iki von einer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz von Smart-Store-Konzepten wie seinem Format „24/7“ Iki Go. Die Rewe-Tochter hatte den Einsatz von Self-Checkout-Optionen in Litauen initiiert und populär gemacht und den Weg für die Einführung autonomer Läden geebnet. Sie betreibt auch einen Last-Mile-Delivery-Service mit selbst fahrenden Fahrzeugen, die die Waren in unter einer Stunde zur Kundschaft bringen.
Die Toggenburgshop AG aus der Schweiz betreibt unbemannte Selbstbedienungsläden, die auf kleine, regionale Strukturen ausgelegt sind. Die Besonderheit: Da für die besonderen Anforderungen kleinerer Ladenflächen keine passenden Systeme auf dem Markt verfügbar waren, hat das Unternehmen eigene Technologien entwickelt. So entstand eine maßgeschneiderte Kassenlösung und ein Zutrittssystem, das unter anderem das Alter der Kundschaft verifiziert.
Auch in größeren Strukturen können innovative SCO-Lösungen zum Komfort beim Shopping beitragen: Die belgische Colruyt Group hat ein KI-gestütztes Kassensystem entwickelt, das Produkte automatisch erfasst, während die Mitarbeitenden Waren von einem Wagen zum anderen umräumen. Diese Eigenentwicklung, die auf den traditionellen Barcodescanner verzichtet, beschleunigt den Bezahlprozess und ermöglicht den Kund:innen die Wahl zwischen Selbstbedienung und bedientem Checkout. Durch das „Smart Cart“-Projekt wird die Wartezeit an den Kassen reduziert. Abgerundet wurde die diesjährigen Technologietage von dem Fireside Chat „Checkout der Zukunft“, in dem Expert:innen von Thalia, Edeka und Smart Retail Solutions Einblicke in ihre neuesten Entwicklungen im Bereich SCO und digitale Bezahloptionen gewährten.