Bei Videokameras für den Einzelhandel ist es mittlerweile Standard, dass sie jederzeit Bilder in hochwertiger Qualität liefern – sowohl tagsüber als auch bei Dunkelheit. Damit sie bei den klassischen Risiken im Einzelhandel, also bei Einbruchsversuchen, Diebstahl und Vandalismus, Schutz bieten, „kommt es heute nicht auf weitere technische Feinheiten der Kameras selbst an“, sagt Alvaro Grande, Geschäftsführervon Verisure Deutschland mit Sitz in Dortmund. Entscheidend sei vielmehr, „was hinter den Kameras steckt, also wie diese angebunden sind“. Die Kameras des Anbieters von Sicherheitstechnik sind unter anderem mit der unternehmenseigenen Notruf- und Serviceleitstelle verbunden. Im Alarmfall können die Fachleute dort anhand der Bilder binnen Sekunden verifizieren, was vor Ort passiert. Bei einem Einbruchsversuch verständigen sie die Polizei und können eine nebelartige Sichtbarriere namens „ZeroVision“ auslösen, wenn der Händler diese im Geschäft installiert hat. Das System vertreibt die Einbrechenden, bevor sie etwas stehlen können. Die Lösungen von Verisure sind zum Beispiel im Spätkauf, Convenience- oder Handyshop im Einsatz, aber auch u. a. in den Filialen von Fachgeschäften für Schuhe, Fahrräder oder Bäckereien.
Smart und safe
Bei größeren Handelsunternehmen und Filialisten mit Logistikzentren sind die Einsatzgebiete entsprechend vielfältiger und die Anforderungen an die jeweiligen Videoüberwachungssysteme komplexer. „Die Herausforderungen in Bezug auf Kriminalität im Distributions- und Einzelhandelssystem haben in den letzten Jahren zugenommen“, sagt Ralph Siegfried, Key Account Manager End Customers bei Axis Communications. Vor allem große Supermarktketten sowie E-Commerce-Anbieter fragten für ihre eigenen Logistikzentren vermehrt nach IP-Videosicherheitslösungen mit smarten Analysetechniken. Ein „eindeutiger Trend im Retail, der mit Künstlicher Intelligenz einen Auftrieb erfährt“, ist laut Siegfried die Automatisierung von Prozessen, nicht nur im Laden selbst, sondern auch in der Logistik. Axis bietet den Logistikunternehmen automatisierte Sicherheits- und visuelle Waren-Tracking-Lösungen. In der Logistik geht es auch darum, die Unversehrtheit des Transports zu garantieren. Die IP-Lösungen des schwedischen Elektrokonzerns unterstützen es, Waren und Infrastruktur zu sichern. Die Analysetechnologien liefern mithilfe von Business Intelligence die dafür benötigten Daten.
Axis betreibt eine offene Technologieplattform, auf der KI-basierte Sicherheitslösungen für Retailer bereitgestellt werden: Eigenentwicklungen sowie solche, die mit Technologiepartnern umgesetzt wurden, und die sowohl für die Self-Checkouts in automatisierten Läden wie auf der gesamten Verkaufsfläche geeignet sind. In Zukunft werde auch eine Wiederkennung von über IP-Video registrierten Tätern möglich sein, kündigt Ralph Siegfried an. Im Fachjargon heißt dies „Re-Identification“ und funktioniert so: Ein Krimineller, in Markt A ertappt und – sofern datenschutzrechtlich erlaubt – mit bestimmten Merkmalen wie Gang, Kleidung, Verhalten, Körperbau im System registriert, ist auch in Markt B identifizierbar und löst dort entsprechende Vorkehrungen aus. „KI-gestützte Bilddatenanalyse eröffnet künftig extrem viele Möglichkeiten“, ist Siegfried überzeugt. Auf der EuroCIS wird Axis aktuelle Lösungen zur Verlustprävention demonstrieren und zeigen, wie Händler mit Kameras und intelligenter Videoanalyse Diebstähle verhindern, Pakete im Auge behalten und die Zahl der Schadensfälle minimieren können.
Es kommt heute nicht auf weitere technische Feinheiten der Kameras an, sondern darauf, wie diese angebunden sind.
Alvaro GrandeSicherheit am Checkout
Ein spezielles Einsatzfeld für Videotechnik ist der Bereich Self-Checkout (SCO), der mit schneller Verbreitung der Systeme stark an Bedeutung gewinnt. Hier wetteifern die Systemanbieter mit immer besseren Lösungen um Marktanteile. Die Shopper erwarten, dass es möglichst schnell und reibungslos geht. Andererseits müssen die Einzelhändler jedoch versuchen, ihre Verluste zu minimieren. „Bisher geht die Sicherheit meist auf Kosten des reibungslosen Einkaufserlebnisses der Kunden“, kommentiert Toshiba Global Commerce Solutions die Situation– und verspricht Abhilfe. Die zentrale Rolle spielen dabei Edge-Kameras mit integrierter Software, die einen Geschwindigkeitsgewinn gegenüber zentral gesteuerten Lösungen zeigen. Da die Business-Logik über die jeweilige Kamera (Edge) läuft, sind keine Server erforderlich. So werden beispielsweise Produkte innerhalb von Sekunden genau identifiziert. Toshiba hat speziell für den Self-Checkout Edge-Kameras mit KI-gestützter Computervision-Technologie entwickelt. Die sogenannte Produce Recognition erkennt die unterschiedlichen Artikel und zeigt diese am Monitor an. Sie macht auch Vorschläge, beispielsweise was den Unterschied von „normalen“ Bananen und Bio-Bananen betrifft. Das manuelle Nachschlagen in einem Menü oder das Eingeben von Produkt-Codes entfällt. Laut Toshiba kann diese Technik der Kundschaft an der SB-Lösung oder dem Mitarbeitenden an der bedienten Kasse pro gescannte Auswahl durchschnittlich fünf bis neun Sekunden ersparen.
Die Edge-Kameras von Toshiba sollen dabei helfen, Warenverlust zu reduzieren, da der Kunde oder die Kundin benachrichtigt wird, wenn Fehler entdeckt werden oder Personal erforderlich ist. Dafür können auch Kameras über den SB-Lösungen installiert werden, die das Verhalten der Kund:innen beobachten. Beispiel: Ein Artikel, der von der Kamera identifiziert wurde, stimmt nicht mit einem eingegebenen Produkt-Code überein. In der Folge zeigt das System an, dass es eine Abweichung gibt. Bei der Lösung von Toshiba kann der Einzelhändler individuell bestimmen, wann der Kassiervorgang unterbrochen wird und ein Mitarbeitender eingreifen soll. Einige wählen den Zeitpunkt des Fehlers, andere nach Abschluss des Scanvorgangs und bei der Zahlungsaufforderung. „In der Kassenzone geht es nicht nur um die Erwartungen der Kunden, sondern auch um Anforderungen des Einzelhändlers. Für einen smarten Checkout ist die richtige Balance entscheidend“, sagt Stephen Howells, General Manager D-A-CH bei Toshiba Global. Mithilfe von Technologien wie Kameras mit Edge-Technologie und Computer Vision werde der SCO sicherer und schneller, was dessen Akzeptanz bei den Kund:innen erhöhe.
Mithilfe von Edge-Kameras und Computer-Vision wird der Self-Checkout-Prozess nicht nur sicherer, sondern beschleunigt sich.
Stephen HowellsFehler erkannt, Fehler gebannt
Diebold Nixdorf hat im Januar 2024 mit der KI-basierten Lösung „Vynamic Smart Vision Shrink Reduction“ ein System auf den Markt gebracht, das die häufigsten Ursachen des Warenschwunds im Self-Checkout-Bereich erkennen soll. Dazu wird jede Selbstbedienungskasse mit einer Kamera ausgestattet, die den Scan-Bereich beobachtet. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz erkennt die Lösung, ob ein Kunde oder eine Kundin einen Artikel am Scanner vorbeiführt, ohne diesen zu erfassen, ob ein anderer Artikel gescannt oder zwei Artikel voreinander gehalten wurden, ob der aufgeklebte Barcode und der gescannte Artikel zueinander passen oder ob sich Kund:innen nach abgebrochener Transaktion ohne Bezahlung von der SB-Kasse entfernen. Wird bei der Videoanalyse eine Fehlbedienung erkannt, kann das Self-Checkout-System die Kundschaft direkt durch eine Nachricht darauf hinweisen, dass ein Artikel nicht richtig erfasst wurde. Analog dazu wird das Personal mithilfe des intelligenten Assistenten über die Fehlbedienung benachrichtigt. Auf einem mobilen Gerät ist die aufgezeichnete Transaktion sichtbar. Die Mitarbeitenden können darauf hinweisen, dass eine Fehlbedienung stattgefunden hat. Liegt eine bewusste Manipulation vor, kann die SB-Kasse automatisch gesperrt werden. Auch dieses Tool ist individuell konfigurierbar, den jeweiligen Prozess kann der Händler selbst definieren und anpassen. Die Lösung lässt sich über mehrere Filialstandorte und Regionen hinweg ausrollen.