„Immer mehr Händler reduzieren das Personal in den Läden, auch Detektive werden eingespart“, kritisiert Rolf Geckle, Leiter Koordinierungsstelle Ladendiebstahl im Polizeipräsidium Karlsruhe. Oft seien so wenig Verkäufer auf der Fläche, dass die Angestellten noch nicht einmal auf ein Signal der Warnanlage am Ausgang des Ladens reagieren können, berichtet der Hauptkommissar. Für eine Fernsehreportage hat sich Geckle selbst als Ladendieb betätigt und konnte mehrere Läden mit gestohlener Ware unbehelligt verlassen.
„Den meisten Dieben sieht man nicht auf Anhieb an, dass sie stehlen wollen“, warnt Geckle. Die beliebtesten Artikel für einen Diebstahl sind laut Polizei Markenartikel, Kosmetika, Sport-, Textil-, Schuh- und Lederwaren und Elektronik. Die Täter nehmen sich Zeit und greifen ins Regal, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Manche positionieren sich dabei so geschickt, dass die Tat auf Überwachungskameras nicht zu sehen ist. Viele Diebe stecken ihre Beute in eine mitgebrachte Tasche, die mit Alufolie ausgekleidet ist, sodass die Warnanlage bei Verlassen des Ladens durch den Eingangsbereich nicht aktiviert wird.
Nur mit mehr Personal im Laden gelingt es, Täter auf frischer Tat zu überführen.
Rolf GeckleTrickbetrug
Neben einfachem Diebstahl haben Bandendiebstähle und Betrugsdelikte im Handel deutlich zugenommen. „Profis sind hier besonders abgebrüht“, sagt Geckle. Sie gehen gezielt in Märkte, in denen es neben dem Kassierer kaum weiteres Personal gibt. Der neueste Trickbetrug: Sie wählen im Laden hochpreisige Ware aus und versuchen dann, diese an der Kasse mit dem Argument „Fehlkauf“ umzutauschen. Wird der Umtausch abgelehnt, weil der Kassenbon fehlt, verlassen die Betrüger wie selbstverständlich zusammen mit der Ware den Laden – ohne diese zu bezahlen. Oft können die Täter laut Geckle nicht überführt werden, weil nicht nachvollzogen werden kann, ob sie die Ware wirklich mitgebracht oder sie eben erst im Laden an sich genommen haben. Also muss sie am Ende an den als Kunden getarnten Dieb tatsächlich ausgehändigt werden.
Geckle nennt ein anderes Beispiel: Eine Kundin betritt mit einem Kleinkind den Laden. Sie verwickelt einen der wenigen Mitarbeiter in ein Gespräch. Derweil steckt ein wenig später ins Geschäft gekommener Mittäter unbeobachtet größere Warenmengen in eine Tasche. Die Frau mit dem Kind verlässt dann den Laden und löst absichtlich mit einer unbezahlten Ware die Warnanlage aus. Der Mittäter nutzt den entstehenden Tumult und verlässt mit der gestohlenen Ware unbehelligt den Laden. Die Frau entschuldigt sich und erklärt, das Kind habe die Ware genommen, gibt die Ware zurück und geht ebenfalls aus dem Geschäft. „Ohne dass klar ist, was da gerade vorgefallen ist“, sagt der Hauptkommissar. Wenn die wenigen Verkäufer von einem Mittäter durch ein Gespräch abgelenkt werden, haben sie keine Chance, den laufenden Diebstahl zu bemerken, so Geckle.
Nur mit mehr Personal im Laden gelingt es laut Geckle, Täter auf frischer Tat zu überführen. Die Mitarbeiter sollten lernen, durch gezieltes Beobachten frühzeitig zu erkennen, ob sich potenzielle Diebe im Laden befinden. Dann könnten sie diese proaktiv bei der Tatvorbereitung stören – durch einfache Anwesenheit oder gezieltes Ansprechen. Und es wäre wünschenswert, wenn auch Kunden einmal eingreifen würden: die Polizei rufen und als Zeuge vor Ort bleiben.
Typisches Verhalten von Ladendieben
Vor der Tatausführung:
Die Täter verschaffen sich im Laden einen Überblick. Sind mehrere Täter beteiligt, erfolgt die Entscheidung, ob die Tat jetzt ausgeführt werden soll, entweder über nonverbale Zeichen oder durch Verlassen des Ladens, um sich noch einmal verbal abzusprechen.
Tatausführung:
Die kürzeste Phase. Es erfolgt ein Kontrollblick, dann wird die Tat ausgeführt. Diese ist bei der Zusammenarbeit mehrerer Täter nicht immer erkennbar, weil sich diese gegenseitig abdecken.
Nach der Tatausführung:
Nur wenige Täter haben die Nerven, sich langsam zu entfernen. Die meisten gehen schneller aus dem Laden, als sie hereingekommen sind.
Auffälliges Verhalten
Dass Straftäter aufgrund ihres andersartigen, spezifischen Verhaltens bereits vor der Tat erkannt werden können, hat ein Projekt der Kantonspolizei Zürich mit Psychologinnen der Universität Zürich gezeigt. „Diebe verraten sich durch ihr Verhalten“, sagt Franz Bättig, lange Jahre Fahndungschef der Kantonspolizei Zürich und heute freier Mitarbeiter an der Schweizerischen Berufsschule Sicherheit (SBSS). „Unabhängig von der geplanten Straftat senden Kriminelle mehr oder weniger markante körpersprachliche Signale aus, die geschulte Personen richtig einordnen können“, so Bättig.
Drei Psychologen an der Universität Zürich haben über 7 Jahre erforscht, wie man potenzielle Ladendiebe anhand ihres Verhaltens bereits im Vorfeld der Tat erkennen kann. „Mit den Erkenntnissen haben wir zunächst unsere Polizisten in Zürich und später in der gesamten Schweiz in einer zweitägigen Schulung in der Beobachtung von Personen trainiert“, berichtet Bättig. „Um verdächtiges Verhalten erkennen zu können, lernen die Teilnehmer der Schulung, abweichendes von normalem Verhalten zu unterscheiden“, erläutert der frühere Fahndungschef. Die Teilnehmer lernen, was verdächtiges Verhalten ausmacht und wie Täter in der Regel vorgehen.