In den vergangenen sieben Jahren sind rund doppelt so viele gefälschte Markenprodukte online verkauft worden, knapp ein Drittel der Deutschen hat schon einmal eine Fälschung erworben. Das hat die aktuelle Studie „Produktpiraterie“ des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens EY ergeben, für die rund 1.000 volljährige Konsumenten in Deutschland befragt wurden.
Gerade im Internet boomt der Markt beispielsweise für gefälschte Uhren, Fußballtrikots und Kopfhörer. Sonderaktionen und Rabatte im E-Commerce locken etwa in Angebotszeiträumen wie Midsummer-Sale oder Cyberweek die Kundschaft mit Tiefstpreisen und können unvorsichtige Kaufentscheidungen hervorrufen. Plagiatoren haben das Potenzial der Online-Marktplätze längst erkannt, sodass sie heute den Hauptteil ihrer Vertriebsaktivitäten darüber abwickeln.
Denn für den Online-Verkauf müssen Anbieter Produktinformationen bereitstellen, die Trittbrettfahrer gerne nutzen. Je mehr Produkte Händler online offerieren, umso höher ist die Chance einer Fälschung. Betreiber von Onlineshops können jedoch auf einige Punkte achten, um ihre Partner und Lieferanten sowie ihre Kundschaft und nicht zuletzt sich selbst vor den Risiken und Folgen von Plagiaten zu bewahren.
Länderübergreifender Markenschutz
Nur angemeldete Marken sind rechtlich geschützt. Die Anmeldung bedingt den legalen Rechtshintergrund sowohl für Anwälte als auch für exekutive Schutzanbieter im In- und Ausland. Wichtig ist, dass die Eintragung der Marke in allen Ländern erfolgt ist, in denen der Hersteller agiert. Denn wenn der Schutz nur im deutschsprachigen Raum besteht, riskieren Unternehmen eine erhöhte Fälschungsgefahr, ohne rechtliche Handhabe. Denn Marktplatzbetreiber liefern über Ländergrenzen und deren Markenrecht hinaus. Ist dann das Plagiat online erhältlich, müssen alle am Handel beteiligten Parteien Zeit und Geld in einen Rechtsstreit investieren.
Allein in 2021 hat der deutsche Zoll laut seiner offiziellen Jahresbilanz 25.000 im Internet bestellte Plagiate im Wert von 315 Mi0. Euro ausdem Verkehr gezogen. Doch nicht nur das gekaufte Plagiat des Kunden ist damit weg. Darüber hinaus können die Hersteller des Originalprodukts auch noch Schadensersatzforderungen geltend machen.
Gesundheitsrisiken eindämmen
Kund:innen, die im Internet nach Schnäppchen suchen, denken häufig nicht an die Folgen eines Fälschungskaufs. Dabei können die Risiken sie auch gesundheitlich betreffen: Brennende Akkus, schlecht verarbeitete Technik, billige Ersatzmaterialien bei imitiertem Schmuck oder aggressive Chemikalien in der Kleidung – all das kann Käufer von Plagiaten verletzen oder krank machen.
Mehr als vier von fünf der Studienteilnehmer wissen um diese Gesundheitsgefahren als größtes Risiko beim Kauf von Plagiaten. Diese Gefahren sollen durch Prüfinstanzen wie den TÜV, der das GS-Siegel an sichere Artikel verleiht, vom europäischen Markt ferngehalten werden. Doch gelangen häufig Kopien mit gefälschtem Emblem über Onlineshops zu den Verbraucher:innen und können nicht nur deren Gesundheit, sondern auch dem Image der Originalmarke und nicht zuletzt dem Betreibenden der Einkaufsquelle schaden.
Piraterie durch KI erkennen
„Der vermeintlich niedrige Preis, den die Kunden für Plagiate bezahlen, kommt andere teuer zu stehen: die Unternehmen, die ihre Marke und ihre Reputation zum Teil jahrzehntelang aufgebaut haben. Mitarbeitende, die Tag für Tag daran arbeiten, vorhandene Produkte zu verbessern oder neue zu entwickeln. Das kostet neben dem Einsatz und der Energie jedes Einzelnen vor allem auch Geld. Es sind Milliarden, die die Unternehmen und ihre Mitarbeitenden jedes Jahr durch Produktfälschungen verlieren“, sagt Michael Renz, Leiter des Bereichs Konsumgüter und Handel bei EY Deutschland und Autor der Studie.
Markenmissbrauch, Urheberrechtsverletzungen und potenzielle Fälschungen können beispielsweise durch den Einsatz Machine-Learning-gestützter Software gegen Produktpiraterie von Anbietern wie Sentryc erkannt werden.
Offensiv informieren
Erhält ein Onlineshop oder Marktplatz Rückmeldungen von Kund:innenseite zu qualitativ minderwertigen Produkten, die offensichtlich Fälschungen sind, sollten die Betreibenden offensiv via Website und Presse über die Plagiate informieren, um ihrer Verantwortung gegenüber den Konsumierenden gerecht zu werden und deren Vertrauen in die Originalmarke nicht zu beschädigen.
„Mit wenigen Klicks lassen sich mittlerweile alle möglichen Plagiate von überall auf der Welt bestellen. Es ist daher sehr wichtig, dass Unternehmen reagieren, sobald sie Kenntnis davon haben, dass mit Kopien gehandelt wird. Und zwar so schnell wie möglich. Den Markt beobachten, Beweise sammeln, Behörden informieren – das ist unerlässlich, um gegen Produktpiraterie vorzugehen“, so Alexander Meinrad, Senior Manager Forensic & Integrity Services bei EY und Co-Autor der Studie.
Online-Händler können also in Bezug auf Brand Protection durch Echtheitschecks, Transparenz und Informationen über Fake-Produkte Hersteller und Politik beim Verbraucherschutz unterstützen. Denn, so Alexander Meinrad: „Das Geld, das den Unternehmen durch Produktpiraterie verloren geht, fehlt dann, um den Wirtschaftsstandort Deutschland auch in Zukunft sichern zu können. Geringere Umsätze der Unternehmen bedeuten letzten Endes auch niedrigere Steuereinahmen – was dann auch für Kundschaft und deren Kaufkraft Folgen hat.“