Immer mehr Händler aus verschiedensten Sparten müssen erkennen, dass es ihrer Branche zwar grundsätzlich gut geht, sich das Geschäft aber zunehmend im Internet abspielt. Einzig im Lebensmittelhandel geht es damit ruhiger zu – zumindest in Deutschland. In England liefern die Lebensmittelhändler Tesco und Sainsbury’s auch schon verderbliche Waren auf Mausklick nach Hause – Tendenz steigend. Um gegen den Online-Handel bestehen zu können, sollten Händler auf eine wertvolle Ressource zurückgreifen: Daten. Wenn die komplexen Datenmengen, die sich aus den verschiedenen Schnittstellen wie Bonuskarten, Online-Profilen und Aktionen in den Filialen ergeben, zielgerichtet analysiert und genutzt werden, ist eine zeitgemäße Ansprache der Kunden möglich.

Die effiziente Datennutzung bringt auch neue Möglichkeiten: Online-Händler wie Ebay können heute beispielsweise den Kunden auf Basis der von ihm besuchten Websites und der bereits gekauften Waren auf Produkte aufmerksam machen. Erfolg im Handel setzt also künftig den sogenannten 360-Grad-Blick auf den „Connected Customer“ voraus. Das heißt, der Kunde ist vernetzt und nimmt durch sein Kaufverhalten und seine Online-Bewertungen Einfluss auf das gesamte Geschäft und somit auch auf das Image der Marke. Ausgestattet mit den entsprechenden digitalen Möglichkeiten, erwartet der „Connected Customer“, bequem und jederzeit einkaufen zu können – sowie ein individuell zugeschnittenes Angebot.

Wie ein Händler sämtliche Marketing-Kanäle effizient nutzen und intelligent miteinander verknüpfen kann, zeigt zum Beispiel die britische Shop Direct Group. Sie hat sich vom klassischen Kataloganbieter zu Englands führendem Online-Versandhandel entwickelt. 75 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet der Lieferant von Fashion-, Lifestyle- und Elektronikprodukten inzwischen über den Online-Vertrieb. Bereits 20 Prozent der Online-Bestellungen geben die Kunden dabei über mobile Geräte auf – Tendenz steigend. In Echtzeit lädt die Handelsgruppe individuelle Kundendaten in ihr Data Warehouse von Teradata und integriert dabei unterschiedliche Vertriebswege. Statt Massenmails werden individualisierte Ansprachen verschickt, wodurch Shop Direct pro versendeter
E-Mail 28 Prozent zusätzlichen Absatz generieren konnte. Durch Nutzung ihrer Kundendaten konnte Shop Direct Group auch Kunden zurückgewinnen, die vermutlich ohne weitere Interaktion verloren gegangen wären.

Individualisierte Ansprache

Wenn etwa ein Besucher des Onlineshops seine Bestellung aufgrund von technischen Problemen abbricht, setzt die Datenanalyse-Software automatisch mehrere Aktionen in Gang: Shop Direct identifiziert den Besucher, entschuldigt sich per Mail und informiert ihn, wenn die Ursache der Störung beseitigt ist. In einer zweiten E-Mail versucht das Unternehmen, mit Bildern des entsprechenden Artikels erneut zum Kauf anzuregen. Auf ähnliche Weise klärt Shop Direct den Kunden in Out-of-Stock-Situationen darüber auf, wann der Artikel wieder verfügbar sein dürfte und welche Produkte noch für ihn interessant sein könnten.

Dennoch: 90 Prozent der Transaktionen im Handel finden nach wie vor traditionell in Geschäften vor Ort statt. Doch auch hier bietet die intelligente Nutzung von Big Data beste Voraussetzungen für eine gezielte Kundensegmentierung und ein verbessertes Customer Relationship Management. Eine neue Möglichkeit bietet das Nachverfolgen der Kundenbewegungen in der Filiale. Mittels „Temporary Mobile Subscriber Identity“ (TMSI) bietet sich die Möglichkeit, Smartphones im Laden zu identifizieren und zu lokalisieren, wobei die Kunden selbst anonym bleiben. Dadurch lässt sich erkennen, in welchen Bereichen des Geschäfts die Besucher die meiste Zeit verbringen und welchen Produktgruppen sie die meiste Aufmerksamkeit schenken. Mit entsprechenden Lösungen können diese Daten mit anderen Variablen wie Tageszeit, Wetter oder Personalbestand verknüpft werden. Der stationäre Handel kann somit die Informationslücke, die er gegenüber der detaillierten Verhaltensanalyse im Onlinebereich hat, schließen.

In Echtzeit Kundendaten in das Data Warehouse laden.

Volker Giessler

Senior Industry Consultant Retail, Teradata

Zudem ist es heute mithilfe von geospatialen Anwendungen möglich, potenzielle Kunden – in Kenntnis ihrer Präferenzen – mit individuellen Angeboten auf ihr Smartphone gezielt anzusprechen, sobald sie in die Nähe der Filiale gelangen. Beispiel dafür ist die größte amerikanische Buchhandelskette Barnes & Noble, welche die Teradata „Aster Data Analytics Platform“ implementiert hat. Dadurch ist das Unternehmen in der Lage, komplexe, multistrukturierte Daten aus über 1.300 Filialen und aus einem umfangreichen Kundenbindungsprogramm mit Daten aus seinem elektronischen Handel zu verknüpfen und zu analysieren. So weiß der Buchhandels-Filialist etwa aus den Weblog-Daten, welches Buch für einen Kunden interessant ist – und ob er es in gebundener Form, als Taschenbuch oder als E-Book lesen möchte. Das Ziel ist, dem richtigen Kunden das richtige Buch zur richtigen Zeit anzubieten.

Künftig werden sicher auch Social Media- Anwendungen im CRM des Handels verstärkt eine Rolle spielen. Unter deutschen Discountern erzielt beispielsweise Lidl mit 1,5 Mio. „Fans“ bereits eine beachtliche Resonanz bei Facebook. Zukünftig wird der Handel also zunehmend auch Aktivitäten aus sozialen Netzwerken in seine Datenanalyse integrieren mit dem Ziel, Entwicklungen frühzeitig zu verstehen, die Nachfrage zu prognostizieren und das Angebot kurzfristig anpassen.

Foto: iStockphoto/bogdankosanovic

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