Serien streamen, Fotos verschicken, die Präsentation fürs nächste Meeting teilen – das Übertragen gewaltiger Datenmengen funktioniert heute innerhalb von Sekunden. Nicht so bei einer Online-Überweisung: Unabhängig von der Datenverbindung müssen Bankkunden meist 24 Stunden oder länger auf den Zahlungseingang warten. Kein tauglicher Standard für die Instant Economy, findet Fintech-Gründerin Lena Hackelöer. 2019 hat die ehemalige Klarna-Managerin deshalb das schwedische Start-up Brite gegründet. Mit Brite können Echtzeit-Zahlungen von Konto zu Konto getätigt werden, und zwar ohne zusätzliche Apps, Passwörter oder Kreditkarten. Stattdessen erfolgt die Zahlungsfreigabe über das Online-Banking der Hausbank.
Aus dem E-Commerce ist das Prinzip unter dem Namen Sofortüberweisung schon lange bekannt. Zu den Vorreitern gehörten die deutschen Fintechs Sofort und Billpay, die 2014 von Klarna übernommen und als Alternative zur Lastschrift in den schwedischen Bezahldienst integriert wurden. Für Unternehmen und Kunden bietet das Verfahren Vorteile: Im Gegensatz zur Lastschrift besteht für den Handel kein Chargeback-Risiko, denn Überweisungen können nicht widerrufen werden und auch Zahlungsausfälle durch Betrug oder mangelnde Kontodeckung sind nahezu ausgeschlossen. Für Kunden ist das Verfahren vor allem bequem, denn sie müssen weder Überweisungsformulare ausfüllen noch sich Accounts bei Zahlungsdiensten wie Paypal anlegen oder weitere Zugangsdaten merken. Auch Zahlkarten, beispielsweise Kredit- oder Debitkarten von Visa oder Master, sind nicht erforderlich – ein online-fähiges Bankkonto genügt.
Vom Massenzahlungsmittel ist die Sofortüberweisung aktuell allerdings noch weit entfernt. Weniger als zwei Prozent des deutschen E-Commerce-Umsatzes werden laut EHI-Payment-Studie 2022 mit Diensten wie Klarna Sofort oder der Sparkassen-Alternative Giropay beglichen.
Mehr als jeder zweite Euro entfällt stattdessen auf die dominierenden Zahlungsarten Paypal oder Rechnungskauf. Zudem fehlen bislang Lösungen für den POS. Der HDE sieht in Instant Payments eine Chance, neue effiziente Bezahlmöglichkeiten am POS zu etablieren und unterstützt gemeinsam mit der Standardisierungsorganisation GS1 Germany die Definition technischer Standards. Zwar will nun die European Payments Initiative (EPI) mobile Instant Payments als Bestandteil des digitalen Wallets Wero mittelfristig an den POS bringen, der Zeitplan ist allerdings noch offen. Hinter EPI stehen 16 europäische Finanzdienstleister, darunter DSGV, Deutsche Bank und DZ Bank.
Offen für Open Banking
Lena Hackelöer lässt sich davon nicht beirren. Echtzeit-Zahlungen von Konto zu Konto, auch als „Pay by Bank“ oder Account-to-Account-Payments (A2A) bezeichnet, könnten sich in Deutschland schon bald als alltägliche Zahlungsmethode durchsetzen, glaubt die Brite-Gründerin. Seit wenigen Wochen bietet das schwedische Fintech seine „Pay by Bank“-Lösung auch in Deutschland an und ist somit in 21 Ländern verfügbar. „Unsere Studie zeigt, dass der deutsche Markt ein enormes Wachstumspotenzial für Instant Payments aufweist“, sagt die Deutsch-Schwedin. Die optimistische Prognose beruht nicht zuletzt auf einer repräsentativen Kundenbefragung, die Brite Anfang 2023 in Deutschland und fünf weiteren EU-Ländern durchgeführt hat. Das Ergebnis: Entgegen dem Klischee von der „Bargeldnation“ sind die Deutschen für alternative Zahlungsmethoden durchaus offen – vorausgesetzt sie sind sicher und kosten nicht extra (siehe Grafik). Rund jeder fünfte Kunde gibt an, Konto-zu-Konto-Zahlungen bereits wöchentlich zu nutzen, 29 Prozent wären immerhin bereit, „Pay by Bank“ künftig auszuprobieren.
Pay with Charlie ist sofort payment ready. Wir prüfen im Hintergrund, welche Zahlarten auf dem Handy hinterlegt sind und machen sie ohne weitere Registrierung verfügbar.
Nicole GroßNeben dem allgemeinen Trend zum mobilen Bezahlen und Gewöhnungseffekten durch etablierte Lösungen wie „Sofort“ auf Kundenseite begünstigen auch neue regulatorische Vorgaben die Entwicklung von neuen „Pay by Bank“-Lösungen auf Basis von Open Banking. So verpflichtet beispielsweise eine neue EU-Verordnung (IPR) sämtliche Banken in der Eurozone, spätestens ab 2024 das Senden und Empfangen von Echtzeitüberweisungen zu ermöglichen. Auch die dritte Version der EU-Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 schafft für Anbieter von Open Banking-Lösungen wie Brite, Ivy oder Tink mehr Klarheit. Die Fintechs wollen das nutzen, um „Pay by Bank“ als bank- und länderübergreifende Zahlungsmethode zu etablieren, die online oder am POS spontan und ohne aufwendigen Registrierungsprozess für Ein- und Auszahlungen genutzt werden kann.
Netzwerk statt Marke
Die eigene Marke stellt die neue Generation von Open Banking-Zahlungsdienstleistern bewusst in den Hintergrund und setzt stattdessen auf Kooperationen und White Label – ein maßgeblicher Unterschied zu Paypal, Klarna oder nationalen Mobile Payment-Apps wie Twint in der Schweiz, Swish in Schweden oder Bizum in Spanien. Das Münchner Fintech Ivy versteht sich beispielsweise als „Netzwerk eines Netzwerkes“, das bereits 2.900 Banken und 290 Open Banking-Anbieter in mehr als 30 Ländern umfasst: „Wir integrieren die Local Champions im Open Banking und können Zahlungen zwischen verschiedenen Providern hin- und herrouten“, erklärte Co-Founder und Chief Revenue Officer Peter Lieck im April beim EHI Payment Kongress in Bonn. Auf diese Weise erreicht das 2020 gegründete Start-up eine deutlich höhere Bankabdeckung und somit eine höhere Conversion Rate für seine Händler. Die Whitelabel-Lösung kann per API oder Plug-in einfach als zusätzliche Bezahloption in den Checkout des Kunden integriert werden. Ein Wechsel des Payment Providers sei dafür nicht erforderlich, so Lieck.
Zu den Kunden von Ivy zählt beispielsweise Roadsurfer. Das deutsche Unternehmen vermietet Camper an mehr als 50 Stationen weltweit in unterschiedlichen Sprachen und Währungen. Die Fahrzeugmiete überweisen Kunden bevorzugt vom Konto, doch bei einer Flotte von mittlerweile 5.000 Fahrzeugen erwiesen sich klassische Banküberweisungen als zunehmend aufwendig im Backoffice. Auf der Suche nach einer effizienten, kostengünstigen und zugleich kundenfreundlichen Lösung entschied sich Roadsurfer für Ivy. Das Unternehmen hat „Pay by Bank“ als empfohlene Zahlungsart im Checkout integriert und wickelt darüber heute ähnliche Umsatzanteile ab wie zuvor per Überweisung.
Instant Payments am POS
Wie sich „Pay by Bank“ an den POS bringen lässt, zeigte Nicole Groß, Geschäftsführerin der ZIIB Zahlungssysteme, auf dem EHI Payment Kongress. Das Berliner Start-up hat mit „Pay with Charlie“ eine digitale Alternative zum klassischen Kartenterminal entwickelt. Zum Bezahlen scannen Kunden einen QR-Code, beispielsweise von einem Aufsteller an der Kasse, einem Aufkleber am Automaten oder auch von einem mobilen Endgerät. Im Hintergrund prüft das System, welche Zahlarten auf dem Handy des Kunden verfügbar sind und macht sie automatisch ohne Registriervorgang sofort für den Bezahlvorgang verfügbar. Zur Auswahl stehen alle gängigen Bezahlarten, darunter ab sofort auch „Pay by Bank“ direkt vom Konto. Die Lösung sei bereits an mehr als 15.000 Akzeptanzstellen verfügbar, darunter Snackautomaten, Taxen oder Tankstellen. An der Ladenkasse sei die Lösung zudem ein „Super-Backup fürs Kartenterminal bei gestörtem Netzbetrieb“. Pay with Charlie sei so einfach und kostengünstig wie ELV oder Girocard, biete zugleich aber smarte Funktionen wie Altersverifikation, Couponing oder eben Instant Payments. Das Fazit von Nicole Groß in Bonn: „Wir können heute schon das, was Wero vorhat.“
Echtzeit-Pflicht bei Überweisungen
Die Instant Payment Regulation IPR verpflichtet die EU-Banken zu mehr Tempo. Spätestens bis 2025 müssen alle Institute ihren Kunden das Senden und Empfangen von Echtzeitüberweisungen bis zu 100.000 Euro ermöglichen – ohne Aufpreis. Zahlen des European Payment Council EPC zufolge bieten bislang erst rund 70 Prozent aller Banken im Euroraum Instant Payments an, oft verbunden mit Extra-Gebühren. Weniger als 15 Prozent aller Überweisungen werden in Echtzeit abgewickelt.