Eine Unternehmerreise nach Portland und ins Silicon Valley lieferte 2018 den Anstoß: „Self-Scanning ist in den USA ein Top-Thema, auf das wir uns auch in Deutschland einstellen müssen“, sagt Markus Wahl, Inhaber des Männer-Modehauses Wahl im oberschwäbischen Ertingen. Das 1934 gegründete Familienunternehmen hat viele treue Stammkunden – von denen die Mehrzahl allerdings nur ein- bis zweimal im Jahr dort einkauft. Für den Firmenchef war deshalb klar: „Eine App allein für unser Geschäft macht aus Kundensicht keinen Sinn.“ Sein Wunsch: Eine händlerübergreifende Lösung für Self-Scanning und mobiles Bezahlen, mit der die Kunden bei vielen verschiedenen Unternehmen einkaufen können.
Genau dort setzt die „BuyBye“-App von Roqqio Commerce Solutions an: Zum Portfolio der Hamburger Unternehmensgruppe gehören neben Kassensoftware, Business Intelligence (BI) und Warenwirtschaft auch eine Instore-App für das Filialmanagement sowie die neue Self-Scanning-Anwendung für Kunden: „Anders als die meisten Self-Checkout-Lösungen vereint „BuyBye“ alle teilnehmenden Händler in einer App und integriert dabei die Vorteile des Online-Shoppings in den stationären Handel“, erklärt Johannes Schick, Geschäftsführer bei Roqqio am Standort Bad Hersfeld (ehemals Höltl), wo die App entwickelt wird.
So funktioniert „BuyBye“
Um den neuen Service nutzen zu können, laden sich Kunden die App kostenlos aus dem jeweiligen Android- oder iOS-App-Store auf ihr Smartphone und legen ein Kundenkonto an. Dazu werden E-Mail und Postanschrift abgefragt. Optional können auch Kundenkarten oder Bonusprogramme der teilnehmenden Händler in der App hinterlegt werden. Beim Betreten eines Geschäfts, das Self-Scanning mit „BuyBye“ anbietet, scannen die Kunden zunächst den QR-Code des jeweiligen Händlers. Dieser kann z. B. auf Plakaten an der Eingangstür, in der Umkleidekabine und/oder an Regalen angebracht sein. Anschließend können sie die Barcodes aller Artikel, die sie kaufen möchten, selbständig mit der Smartphone-Kamera einscannen. Die App lädt aus der Cloud automatisch die dazugehörigen Informationen wie die Bezeichnung, die Farbe, die Größe und den Preis.
Viele Händler äußern beim Thema Self-Scanning die Sorge, dass die Kunden nicht bezahlen. Ich sage dann immer: Einfach rauslaufen können sie auch ohne App.
Johannes SchickOffen für viele Zahlungsmethoden
Mit Klick auf den Bezahl-Button wird der Einkauf eingeleitet. „Ähnlich wie in einem Web-Shop können unterschiedlichste Zahlungsmethoden in der App hinterlegt werden“, erklärt Johannes Schick. Neben Paypal, Pay Direkt, SEPA-Lastschrift oder Kreditkarte können Unternehmen ihren Kunden beispielsweise auch die Optionen Rechnungskauf oder Bezahlen an der Kasse anbieten. Abwicklungstechnisch benötigen sie dazu ein Händler-Konto für die entsprechenden Zahlungsarten beim Zahlungsdienstleister Payone – und ggf. bei Paypal. Für Kunden gilt: Wer sich als App-Nutzer einmalig auf seinem Smartphone bei der jeweiligen Zahlungsart authentifiziert hat, kann bei zukünftigen Einkäufen mit dem bekannten One-Click-Verfahren bezahlen. Der Bon wird digital als PDF an die hinterlegte Email-Adresse versandt. Alle über die App abgewickelten Einkäufe können zudem jederzeit in der Cloud eingesehen werden.
Geringer Integrationsaufwand
Für mittelständische Unternehmen ist der technische Aufwand laut Johannes Schick gering, auch wenn eine fremde Warenwirtschaft im Einsatz ist. Mittelfristig ließe sich durch Self-Scanning unter Umständen sogar Kassen-Hardware einsparen und zusätzliche Verkaufsfläche gewinnen. Sicherheitsbedenken stellten allerdings oft noch eine Akzeptanzhürde dar: „Viele Händler äußern beim Thema Self-Scanning die Sorge, dass die Kunden nicht bezahlen. Ich sage dann immer: Einfach rauslaufen können sie auch ohne App,“ so Schick. Wer sich als Händler absichern möchte, könne zudem optional einen QR-Code als Zahlungsbestätigung auf dem Kunden-Smartphone anzeigen lassen, der beim Verkaufspersonal kurz vorgezeigt werden muss.
Self-Checkout als Zusatzservice
Markus Wahl bereitet das Thema Diebstahl wenig Kopfzerbrechen. Self-Scanning sieht er eher als begleitende Serviceleistung für Kunden, die nur wenige Teile kaufen. Seine zehn Mitarbeiter sollen weiterhin in den Verkaufsprozess eingebunden bleiben und dem Kunden bei Bedarf die Nutzung der App erklären, Der Gang zur Kasse und das Warten in der Schlange würden dagegen entfallen. Persönlich bezahlt er am liebsten mit Apple Pay und ist davon überzeugt, dass mit Self-Scanning und Mobile Payment das Einkaufen künftig angenehmer und entspannter wird. An der Kasse bietet er seinen Kunden schon heute eine breite Palette an Zahlungsmöglichkeiten an: „Alles außer Gold und Rohdiamanten“, sagt er lachend. Seinen Kunden gibt er gerne Nachhilfe in Sachen Mobile Payment und animiert sie zur Nutzung: „Man muss den Leuten die Vorteile zeigen“, findet er. Aktuell versucht Markus Wahl, andere Händler in der Region von der App zu überzeugen, am liebsten auch Supermärkte, denn: „Um zweimal im Jahr bei uns einzukaufen, lädt sich kein Kunde eine Extra-App aufs Smartphone. Der Erfolg kommt, wenn möglichst viele Geschäfte mitmachen.“