Die EuroCIS, die am Donnerstag letzter Woche nach drei Messetagen zu Ende ging, hat ihre Rolle als Leitmesse der Handels-IT eindrucksvoll bestätigt. Über 8.800 Fachbesucher (2013: 7.059 Besucher) kamen nach Düsseldorf, um sich bei den 318 internationalen Ausstellern auf 9.130 qm Nettoausstellungsfläche über neueste Produkte, Lösungen und Trends in Sachen IT speziell für den Handel zu informieren. Ausstellerzahlen und Standflächen der EuroCIS 2015 lagen um rund ein Drittel über den Ergebnissen der Veranstaltung von 2013. 

Alle größeren Händler befassen sich mit Omnichannel-Commerce. Bereits ein Drittel der Unternehmen hat intern schon eigene Budgets zum Aufbau entsprechender Services bereitgestellt – so ein Kernergebnis der neuen EHI-Studie „IT-Trends im Handel.“ Die hohe Relevanz des Themas spiegelte sich auch auf der EuroCIS 2015: An vielen Messeständen konnten sich die Fachbesucher aus dem Handel darüber informieren, wie eine nahtlose Einkaufserfahrung für den Kunden über alle Kanäle hinweg funktioniert und welche technischen Hürden dabei zu nehmen sind. Die IT-Dienstleister setzen dabei zumeist auf Plattform-Lösungen, über die Funktionen wie Instore-Return, Instore-Order, Click & Collect sowie viele weitere kanalübergreifende Services gesteuert werden können.  

Guided Selling mit dem Tablet PC - von der Kundenberatung bis zum Bezahlvorgang

Guided Selling mit dem Tablet PC - von der Kundenberatung bis zum Bezahlvorgang

Für mobile Anwendungen hat Toshiba das hybride Tablet „TCxFlight“ entwickelt. Eine interessante Anwendung dazu präsentierte der Toshiba-Partner Ratio auf der Messe. Nach einem Verkaufsgespräch erfassen die Filialmitarbeiter die ausgewählten Artikel und übermitteln die Informationen an die Kasse. Der Bezahlvorgang wird beschleunigt, da die einzelnen Etiketten nicht mehr eingescannt werden müssen. Die Identifikation über eine Kundenkarte reicht aus, um den gesamten Einkauf aufzurufen.

Zu den Komplett-Anbietern für Omnichannel-Lösungen gehören auch die IT-Dienstleister Micros Systems, Wincor Nixdorf, NCR, Höltl und Fujitsu. Auf der EuroCIS stellten diese Unternehmen ihre Weiterentwicklungen vor. Nach der Übernahme durch Oracle im vergangenen Sommer präsentierte Micros die kombinierte Lösungssuite „Oracle Retail 14.1“, die das Produktportfolio der beiden Unternehmen integriert. Auch Wincor Nixdorf zeigte mit „TP.net 5.5“ eine erweiterte Version seiner Omnichannel-Software, bei der eine kanalübergreifende Warenwirtschafts- sowie eine Kundenbindungslösung mit eingebunden ist. TP.net 5.5 stellt außerdem zahlreiche Anwendungen, unter anderem umfassende Kassenfunktionalitäten, für mobile Endgeräten mit iOS- und Android-Betriebssystemen zur Verfügung.

Dies gilt auch für die Omnichannel-Anwendungen von NCR und Fujitsu. Der japanische IT-Dienstleister erweiterte mit „Market Place Mobile“ seine POS-Software um zusätzliche mobile und kanalverknüpfende Funktionen. NCR präsentierte unter anderem mit dem „Sales Advisor“ ein cloud-basiertes Software-Modul, das vorhandene Informationen aus unterschiedlichen Kanälen zusammenführt. Ein Schwerpunkt des Messeauftritts von Höltl Retail Solutions lag auf der Minimierung des Null-Verkaufs – also jene Fälle, in denen ein gewünschter Artikel, eine Farbe oder die richtige Größe im Laden nicht verfügbar ist. Über eine webbasierte Lösung kann der Artikel nachbestellt, als „Click & Collect" abgerufen und an der Kasse bezahlt werden. Mit seiner Software „POSFlow“ präsentierte Höltl dazu seine kanalübergreifende Lösung.

In-Memory-Datenbanken als Integrationshelfer

GK Software präsentierte auf der EuroCIS eine Reihe von Neu- und Weiterentwicklungen für das nahtlose Zusammenwachsen aller Einkaufskanäle auf Basis zentraler, unmittelbar verfügbarer Produkt- und Kundendaten. Zu den auf der Messe vorgestellten Innovationen gehört insbesondere eine neue POS-Anwendung für die channel-übergreifende Kundenberatung, das sogenannte Clienteling. Die Lösung, die auch auf mobilen Endgeräten wie iPad oder Windows-Tablet läuft, stellt Verkaufsmitarbeitern in der Filiale alle für das Beratungsgespräch relevanten Informationen in Echtzeit zur Verfügung, beispielsweise Kundendaten aus allen Kanälen, Informationen zum Artikelbestand im Store oder im Webshop sowie Angaben zu aktuellen Promotions.

Neue und weiterentwickelte IT-Lösungen zur Vernetzung der Einkaufskanäle waren ein Hauptthema auf den Messeständen.

Neue und weiterentwickelte IT-Lösungen zur Vernetzung der Einkaufskanäle waren ein Hauptthema auf den Messeständen.

Externe Anwendungen wie beispielsweise der Webshop oder das CRM-System werden dabei über Apps in die Kassenlösung eingebunden, ohne dass die Standardsoftware dafür verändert werden muss. Über externe Partner können zudem zusätzliche Funktionalitäten ergänzt werden. So stellt der Spezialist Prudsys eine intelligente App für Produktempfehlungen in Echtzeit zur Verfügung. Auch relevante Informationen aus Social-Media-Kanälen wie Twitter können über die Clienteling-Kasse verkaufsunterstützend direkt am POS angezeigt werden.

Basis für nahtlose Prozesse im Omni-Channel-Retail sind eine integrierte Datenbasis und kurze Zugriffszeiten (Latenz), wie sie die moderne In-Memory-Datenbank-Technologie SAP HANA bietet. Mit dem HANA-basierten „Customer Activity Repository CAR“ hat SAP einen einheitlichen Datenpool für alle Stamm- und Bewegungsdaten im Omni-Channel-Umfeld geschaffen. Kernbestandteile der GK/Retail-Lösungen sind als Services im CAR verfügbar. Damit lassen sich zum Beispiel eine einheitliche Preisberechnung oder Retouren über alle Kanäle hinweg sicher abwickeln.

Trendthema Electronic Shelf Labels

Die Investitionen des Handels in elektronische Regalpreisauszeichnungsetiketten (ESL) haben nicht zuletzt durch die Entwicklung der Online-Kanäle deutlich an Fahrt aufgenommen. Mit ESL können Omnichannel-Händler flexibel auf Preisaktionen von Wettbewerbern reagieren und die Preise schnell und flexibel anpassen. Auf der EuroCIS waren die Anbieter in diesem Marktsegment entsprechend stark vertreten. Delfi Technologies aus Dänemark, einer der führenden skandinavischen ESL-Anbieter, gab auf der Messe die mehrheitliche Übernahme der ZBD Deutschland GmbH bekannt. ZBD hat als exklusiver Vertriebspartner der Displaydata Ltd. rund 150 POS-Installationen mit funkgesteuerten ESL in den Sektoren LEH, Elektronikfachmärkte, Apotheken und Convenience realisiert. Am Messestand von Displaydata waren die neuen „Aura“-Produkte zu sehen, die zusammen mit den dreifarbigen „Chroma“-Etiketten die bisherige „ePOP“-Reihe ablösen wird. In Verbindung mit der Software-Lösung „Breece“ von Delfi Technologies bietet Displaydata nun ein komplettes ESL-Lösungspaket an.

Mit elektronischen Regaletiketten können Händler flexibel auf Preisänderungen reagieren.

Mit elektronischen Regaletiketten können Händler flexibel auf Preisänderungen reagieren.

Der schwedische Display-Hersteller Pricer stellte auf der EuroCIS „SmartFlash“ vor. Software-Funktionen ermöglichen die Instore-Geolokalisierung mit blinkenden Lichtsignalen in den Regaletiketten. Die Funktion kann beispielsweise mit digitalen Einkaufslisten, die der Verbraucher zuhause erstellt hat, verknüpft werden. Aktiviert der Kunde im Geschäft seine Smartphone-App, wird er zu den Artikeln aus seiner Einkaufsliste an den Regalplatz navigiert. Das französische SB-Warenhausunternehmen Carrefour, das diese Lösung erfolgreich anwendet, wurde anlässlich der EuroCIS mit dem retail technology award in der Kategorie „Best Customer Experience“ ausgezeichnet.

Ladenwaagen: App statt Zettelwirtschaft

Das Thema ESL war auf der Messe auch bei den Anbietern von Ladenwaagen präsent. Digi Deutschland stellte beispielsweise die Kombination der Waagenserie „SM-5500alpha“ mit elektronischen Regaletiketten vor, die per Radiofrequenz angesteuert werden. Dabei dient die Systemwaage als zentrale Steuer- und Programmiereinheit für die ESL. Diese Lösung ist laut Digi vor allem interessant für Metzgereien und Supermärkte, die nur in ihrer Bedientheke ESL einsetzen und diese nicht aufwändig an das zentrale IT-System anbinden wollen. Als ESL stellt Digi verschiedene Systeme mit zwei- und dreifarbiger Darstellung zur Verfügung: eine wasserdichte digitale Artikelbeschilderung „e.Label“, digitale Produktschilder „InfoCard“ und digitale Regalschilder „ESL“. Eine weitere EuroCIS-Neuheit am Digi-Stand: Ein Etikettendrucker mit Autocut-Funktion für Bedienwaagen. Diese bereits aus Prepackingmaschinen bekannte Technik schneidet die Etiketten automatisch sauber ab und erleichtert so den Bedienvorgang.

Intelligente Systemwaagen optimieren über die Wägefunktion hinaus weitere Arbeitsprozesse.

Intelligente Systemwaagen optimieren über die Wägefunktion hinaus weitere Arbeitsprozesse.

Bizerba zeigte auf der EuroCIS eine Reihe von technischen Weiterentwicklungen und neuen, additiven Softwarelösungen, die die Bedienprozesse unterstützen oder dem Verbraucher zusätzlichen Nutzen stiften sollen. Weiter vorangetrieben hat Bizerba seinen Ansatz der „Open Technology“: leicht integrierbare Hard- und Softwarelösungen sowie herstellerunabhängige Services. Sämtliche Produkte von Bizerba können reibungslos miteinander kommunizieren und auch in Systeme anderer Hersteller eingebunden werden. Unter dem Begriff „Retail App“ hat Bizerba eine Reihe von nützlichen Funktionen für Bedienwaagen entwickelt. Mit der „Easy Order App“ beispielsweise lassen sich an der Theke Vorbestellungen von Platten oder Festmenüs direkt auf der Waage speichern und verwalten, was die bisherige fehleranfällige „Zettelwirtschaft“ überflüssig macht. Nützlich ist auch der „Ingredient Manager“: Der Kunde nennt seine Allergie und die Waage zeigt dann nur Produkte an, die unbedenklich sind. Alle Basis-Informationen dazu sind im Rahmen der Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) ohnehin im System gespeichert. „Unser Fokus liegt darauf, mit intelligenter Software die Prozesse zu erleichtern und zu optimieren“, sagt Rainer Maase, Leiter Retail bei Bizerba.

Kanalübergreifende Bezahlsysteme

Mit dem Bereich Mobile Payment besetzte die EuroCIS ein Thema, das die Check-out-Prozesse in den nächsten Jahren revolutionieren könnte. Insbesondere die jüngsten Aktivitäten von Apple in diesem Bereich haben Mobile Payment noch mehr in den Branchenfokus gerückt und den Druck auf die Mitbewerber in diesem Marktsegment deutlich erhöht.

Kennzeichnend dafür waren etwa die Gespräche am Messestand von Yapital. Das Unternehmen agiert als Anbieter einer bargeldlosen Cross-Channel-Paymentlösung, mit der Kunden über alle Kanäle hinweg – stationär, mobil, online oder per Rechnung – bezahlen und einkaufen können. Hier drehte sich Vieles um die neuen strategischen Allianzen des Unternehmens mit Branchenspezialisten wie TeleCash, ICP und Cardtech im Netzbetrieb sowie CCV und ICP auf der Terminalherstellerseite. Mit diesem Netzwerk will Yapital es rund 350.000 Händlern bundesweit ermöglichen, Zahlungen technisch standardisiert abzuwickeln. Eine Erweiterung des Vertrages mit dem Netzbetreiber oder Acquirer soll es den Kaufleuten in den meisten Fällen ermöglichen, das kanalübergreifende Bezahlsystem in ihren Zahlartenmix aufzunehmen.

Die Lösungsangebote der auf der EuroCIS vertretenden Zahlungsdienstleister zielten zum einen darauf ab, möglichst vielen Händlern einen einfachen Einstieg in Mobile Payment zu ermöglichen; zum anderen standen innovative Gesamtlösungen im Mittelpunkt, die den Konsumenten den größtmöglichen Nutzen garantieren sollen. Dabei geht es vor allem um eine intelligente Verknüpfung von Einzelfunktionen wie Loyalty, Couponing oder Payment. Der zur Otto-Gruppe gehörende Anbieter Nubon präsentierte den „Easy Checkout“, bei der mit nur einer Identifikation sowohl digitale Kundenkarte als auch mobile Coupons, mobiler Bezahlvorgang und digitale Belegerzeugung verknüpft und ohne Medienbrüche automatisch verarbeitet werden. Ebenfalls neu ist die „CouponingWall“. Sie ermöglicht den Anwendern digitale Kampagnen auf interaktiven Touchscreens (Einkaufszentren, Flughäfen etc.).

Bei der Neudefinition und Neukonstruktion der Prozesse rund ums Bezahlen kommen innovative Impulse auch aus dem Bereich der Hardware-Lieferanten. Stellvertretend für diese Entwicklung steht der Payment Terminal-Anbieter Verifone mit einer neuen Lösung, die die Präsentation von Videoclips, Promotions und Aktionen auf einem Display möglich macht, das in ein Bezahl-Terminal integriert ist. Die Inhalte können vom Handel selbst festgelegt werden. Alternativ können Händler das Terminaldisplay als Werbeplatz zur Verfügung stellen und dadurch zusätzliche Einnahmen generieren.

Fazit der EuroCIS 2015: Die Digitalisierung ist endgültig im Handel angekommen. Der Handel ist gefordert, seine Prozesse und Strukturen auf die Anforderungen des E-Commerce auszurichten, will er nicht wertvolle Umsätze verlieren. Auf die Aussteller wartet ein erfolgreiches Nachmessegeschäft. 

www.eurocis.com

Bilder: Messe Düsseldorf