Für nahtloses Multichannel müssen Händler erst einmal tief in die Tasche greifen. Hier sind IT- Investitionen von hoher Bedeutung, um Multichannel-Services wie Online-Verfügbarkeitsanzeigen in Realtime, Click & Collect oder Instore Ordering überhaupt anbieten zu können. Mark Lewis, als Online Direktor auch verantwortlich für die Online- und Omni-Channel-Entwicklung der britischen Warenhauskette John Lewis, zeigte anhand von Zahlen, in welche Marschrichtung es bei den Investitionen geht: In den Jahren 2009 bis 2013 lag der sogenannte IT-Capex noch bei 15 Prozent, der Non-IT-Capex bei 85 Prozent. Seit dem Jahr 2014 beträgt der IT-Capex der Warenhauskette 37 Prozent. Trotz der technischen Fortschritte steht Vertrauen Lewis Erfahrungen zufolge über allen anderen Themen.
Das Einkaufsverhalten hat sich verändert und wird sich weiterhin noch einem starken Wandel unterziehen. Daher möchte das Unternehmen John Lewis die Verbindung des digitalen und stationären Kundenerlebnisses stetig verbessern. Als weitere relevante Themen nannte Lewis die notwendige Unternehmenskultur, die Innovationsbereitschaft in der logistischen Zustellung sowie die Personalisierung der Kundenansprache zu optimieren. Bei allen Zukunftsthemen wird der Ursprung jedoch nicht vernachlässigt: Unternehmerisch zeitlose Zitate des verstorbenen Firmengründers John Lewis werden offensichtlich auch genutzt, um zu zeigen, wie positiv sich Veränderungen auf das Unternehmen auswirken.
Charmant präsentierte Andy Harding, Multichannel-Verantwortlicher von House of Fraser, die kundenorientierte Multichannel-Strategie des Warenhausunternehmens: „Mobile First“ lautet die Devise. Das bedeutet, dass die Website des Department Stores – wie von Google schon seit Jahren bekannt – zuerst für Mobile entwickelt wurde. Konkret wurde erst die Touch-Website und im Anschluss die Desktop-Variante gelauncht. Dieses Vorgehen sorgte laut Harding für eine einfacher und besser zu bedienende Desktop-Website. Als Gegenbeispiel der kundenorientierten Ausrichtung nannte er den Auftritt einer Billig-Airline. Dennoch sieht er in jedem Kanal seinen eigenen Nutzen.
Virtual-Reality-Brille als Einkaufstechnologie?
Der deutsche E-Commerce-Experte Jochen Krisch hat die Entwicklung eines „Einkaufsgerätes“ zum Onlineshoppen angeregt. In der Regel nimmt sich der Handel eine verfügbare Technologie, zum Beispiel Tablets, und entwickelt eine Touch-Website oder App für die stationäre Verkaufsberatung. Ein rein zum Online-Shoppen entwickeltes Gerät gibt es nicht. Es sind meistens Universalgeräte, mit denen man eben auch online shoppen kann. Daher ist das Benutzererlebnis nie so perfekt, als wenn das Gerät primär auf Online- oder Multichannel-Einkäufe ausgelegt wäre – etwa wie der rein auf Musik entwickelte iPod. Eine digitale Handelsinnovation, die in den Alltag eingeflossen ist, gibt es bislang nicht. Eine Virtual-Reality(VR)-Brille wie „Oculus Rift“ könnte Kunden ermöglichen, Ladenöffnungszeiten-unabhängig von zuhause aus in der digitalen Variante des stationären Stores einzukaufen. Auch bei der Verwendung einer solchen virtuellen Datenbrille wäre es wieder die x-te Verwertung; der Handel würde diesmal allerdings von den technologietreibenden Gaming-Branchen profitieren.
Doch was genau hat der Handel von dieser VR-Brille? Jeder kennt wohl die vor rund zehn Jahren gehypte virtuelle 3D-Welt „Second Life“: Auch hier gab es schon virtuelle Shops. Heute gibt es mit einer VR-Brille jedoch andere Möglichkeiten und für Benutzer wirkt alles realer. Beim Betrachten von Youtube-Videos lässt sich für jeden nachvollziehen, wie schnell und tief ein Nutzer in diese virtuelle Welt abtaucht. Wenn diese Brille als Massenprodukt für viele Menschen verfügbar wäre, könnte der Nutzer zuhause die Brille aufsetzen und zum Beispiel jederzeit im virtuellen stationären Store des Lieblingsgeschäfts stöbern – also in den räumlich bekannten Möglichkeiten. Hier bekommt der Kunde viele Inspirationen, die er sonst nur beim stationären Kauf erfährt. Technisch gesehen ist der Gang zur Kasse dann nichts anderes mehr als ein Online-Checkout aus dem Webshop. Für Online Pure Player gäbe es damit auch die Möglichkeit, einen 3D-Shop aufzubauen. Doch welches „Ladenbau-Design“ hätte wohl ein virtueller stationärer Amazon oder Zalando – würde er wie ein Lebensmittel-Discounter oder ein puristisches Modehaus anmuten?
Für Tesco ist Click & Collect Standard
Zurück in der Realität sprach Simon Belsham von Tesco über den Stellenwert von Fulfillment und nannte dabei auch Modelle, wie das im deutschen Markt diskutierte „Uber“. Für Tesco ist Click & Collect Standard und macht auch einen hohen Anteil am Online-Geschäft aus. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 8 bis 20 Uhr wie auch hierzulande nicht ungewöhnlich. Bemerkenswert aus deutscher Sicht sind die Click & Collect-Öffnungszeiten am Sonntag von 10 bis 16 Uhr. Wie Amazon und einige deutsche Händler mit einem E-Reader, so hat Tesco das eigene Tablet „Hudl 2“ herausgebracht. Mobile Plattformen haben einen Anteil von 35 Prozent an allen Online-Umsätzen im Bereich Lebensmittel. Man möchte es dem Kunden so bequem wie möglich machen und erachtet Abholstationen – beispielsweise in der Nähe von Schulen und Kindergärten, zu denen Eltern ihre Kinder bringen – als optimal.
Alex Murray, Multichannel-Manager von Waitrose, sprach davon, wie wichtig es ist, dass Kunden inspiriert werden. Zum Angebot dieses Händlers gehört eine redaktionell in Print und Digital erstellte kostenpflichtige Zeitschrift, eine kostenlose Zeitung und ein Ratgeber für gutes Essen. Waitrose eröffnet im 4. Quartal 2014 eine zweite Kochschule und bietet auf Youtube Videos über Wein oder die Zubereitung nach Rezepten an. In den stationären Geschäften wird dem Kunden in clever integrierten Saft- oder Cocktailbars die individuelle Zubereitung von Cocktails gezeigt. Schmeckt es, kauft der Kunde auch nur die Spirituosen und Zutaten, die er wirklich möchte. Erfahrungswerten bei Waitrose zufolge vergisst der Kunde in der Zeit der Inspiration schnell den Preis. Bei den vielfältigen Ansätzen der britischen Lebensmittelhändler bleibt es spannend zu beobachten, wie dieser Markt auf die Konkurrenz der Discounter wie Aldi und Lidl reagiert.
Foto: Tesco
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