Weltweit gibt es derzeit mehr Mobiltelefone als Computer, Kreditkarten oder Fernsehgeräte. Für das Jahr 2015 wird prognostiziert, dass mehr Leute über ihr Smartphone, Tablet oder ein anderes mobiles Gerät ins Internet gehen als über einen stationären Computer (IDC Study 2011). So überrascht es nicht, dass auch der deutsche Handel ein deutliches Interesse an der Thematik bekundet, wie eine im Auftrag der GS1 Germany vom EHI Retail Institute durchgeführte Studie zum Einsatz und zur Nutzung von Mobile im Handel ergab. An der Studie, die im Juli und August 2011 durchgeführt wurde, beteiligten sich 148 deutsche B2C- und B2B-Händler für physische und digitale Güter.
„Ist das Thema Mobile für Ihr Unternehmen von strategischer Bedeutung?“ lautete eine der zentralen Fragestellungen. 80 Prozent der befragten Händler gaben an, dass das Thema Mobile gegenwärtig und zukünftig für sie von strategischer Bedeutung ist. Man beschäftigt sich im Handel mit dem Thema Mobile auch deshalb, weil es sich um eine hochaktuelle Thematik handelt, mit der sowohl der Handel allgemein als auch das einzelne Handelsunternehmen seine Innovationsfähigkeit demonstrieren kann. Einige Unternehmen gaben an, sich dem Thema nur deshalb zu widmen, um auf einem noch recht jungen Markt Präsenz zu zeigen. Für viele der Befragten ist eine weitere Verfolgung des Themas Mobile stark vom Erfolg und von der weiteren Entwicklung abhängig.
Durch Interviews konnte festgestellt werden, dass das Thema Mobile im Handel als Anstoßmedium für eine konsequente Verfolgung einer Multi-Channel-Strategie genutzt wird. Mobile soll hier sowohl dem E-Commerce als auch dem stationären Handel dienen. Bei den Befragten herrscht die Erwartung vor, dass das Internet lokaler wird und das Smartphone helfen kann, den Kunden für ein stationäres Angebot zu interessieren, um damit wiederum mehr Kundenbindung zu erzielen. Der Faktor Kundenbindung ist nach Einschätzung der Befragten aus dem Handel das strategische Unterehmensziel, das sich mit Mobile am besten erreichen lässt. Knapp die Hälfte der Befragten vertritt die Meinung, dass Mobile einer effi-zienteren Kundenkommunikation und einer Verbesserung des Markenimages dient.
Der Start in das Thema Mobile geschieht bei vielen der befragten Unternehmen über eine Mobile App oder eine Mobile Website. Der Erfolg entscheidet dann darüber, ob später ein Mobile Web-Shop implementiert wird. Händler mit einem solchen Shop äußerten, dass der Hauptgrund für die positive Resonanz der sei, dass der Mobile Web-Shop als etwas Besonderes wahrgenommen wird und zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch eine Art Alleinstellungsmerkmal ist. Scan-Features werden bei einer Mobile App in erster Linie eingesetzt, um den Kunden erweiterte Produktund Preisinformationen zur Verfügung zu stellen.
Fast drei Viertel der Händler sehen es als besonders wichtig an, das Thema Mobile in den Marketing-Mix zu integrieren. Dies ist deshalb hervorzuheben, weil es aufzeigt, dass im Handel ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, dass das Thema Mobile nicht ein separater Teilbereich, sondern Baustein einer übergeordneten Marketingstrategie ist.
Teil des Marketing-Mix
In Bezug auf bestimmte Kategorien werden nach Einschätzung der befragten Händler vor allem Reisen und Tickets mobil gekauft, also Produkte, die sofort digital „ausgeliefert“ werden können. Aber auch Medien, beispielsweise CDs und DVDs, werden vergleichsweise häufig mobil gekauft. Warengruppen, die mehrere Sinne ansprechen, daher komplexer zu beurteilen sind, werden eher über den stationären Computer oder direkt im stationären Handel am POS gekauft. Dies betrifft laut der Befragten insbesondere die Warengruppen Möbel, Dekorationsartikel und DIY-Produkte.
Eine konkrete Möglichkeit für Unternehmen, mit Mobile aktiv zu werden, stellt das Mobile Couponing dar. Zwei Drittel der befragten Händler halten das Thema Mobile Couponing im Vergleich zum klassischen, papierbasierten Couponing für wichtig oder sehr wichtig. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Mobile Coupons häufig individueller und zielgerichteter gestaltet sind und somit Streuverluste verringern. Nach Einschätzung der Befragten kann Mobile Couponing den gezielten Abverkauf bestimmter Produkte erhöhen.
Gleichwohl zeigt die Studie, dass das Mobile Couponing, so die Einschätzung der befragten Händler, noch Zeit braucht, um sich durchzusetzen. Trotz der Bedeutung, die dem Mobile Couponing beigemessen wird, meinen 50 Prozent der Befragten, dass es noch mehr als drei Jahre dauern wird, bis das Mobile Couponing das papierbasierte Couponing ersetzt haben wird.
Near Field Communication
Der Grund für diese relativ lange Zeitspanne liegt darin, dass die Unternehmen bei dem Versuch, Mobile Couponing zu implementieren, noch auf verschiedene Hindernisse stoßen, zum Beispiel technologischer Art. Nach Einschätzung des Handels ist zurzeit das größte Problem, dass der Scanner den Couponcode nicht vom Display ablesen kann. Ein weiteres Problem sind unzureichend standardisierte Prozesse, zum Beispiel in Bezug auf die Abwicklung zwischen dem Handel und dem Clearing House. Und immerhin 50 Prozent der befragten Händler meinen, dass Mobile Couponing beim Kunden nicht auf ausreichend Akzeptanz stößt.
Drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie als Einlösemethode für die Coupons gerade das als technisch schwierig bezeichnete Barcode-Scanning vom Display des Handys bzw. Smartphones präferieren. Diese Methode hat den Vorteil, dass sie den Kassiervorgang nicht unnötig verzögert und dadurch Staus an der Kasse vermeidet. Ein Drittel der Befragten präferiert Smartphones mit NFC-Funktion für die Einlösung von Mobile Coupons, weil gerade diese Methode vor allem für den Kunden sehr einfach ist. Ein Drittel der befragten Händler befürwortet das Einlösen des Mobile Coupons durch Identifikation mit der Kundenkarte. Für den Kunden besonders praktisch ist dabei die Kombination aus Kundenkarte und virtuellem Coupon.
Trotz der Tatsache, dass das Thema Mobile für einen Großteil der Händler von strategischer Bedeutung ist, haben bis dato nur 8 Prozent der befragten Händler Mobile Couponing in der Praxis eingesetzt. Auch wenn 22 Prozent der befragten Händler angeben, Mobile Couponing in Zukunft einsetzen zu wollen, so bleibt doch eine große Mehrheit, die bislang kein Mobile Couponing durchführt und auch nicht gedenkt, dies in absehbarer Zeit einzuführen.
Da auch das Bezahlen mit dem Smartphone ein großes Zukunftsthema ist, beschäftigen sich über 50 Prozent der befragten Händler mit dem Thema Near Field Communication (NFC). Dies ist beim Mobile Payment das wichtigste technische Thema für den Handel. Die im Rahmen der EHI-Studie geführten Interviews ergaben, dass der deutsche Handel eher von einer Insellösung mit NFC-Chips in Karten ausgeht und dass sich erst in der Folge „echtes“ mobiles Bezahlen etablieren wird. 80 Prozent der befragten Händler gehen von einer Pilotierung mobiler Bezahlformen innerhalb der nächsten 1-3 Jahre aus. Die Hälfte der Befragten meint, dass es in den nächsten 1-3 Jahren bei vielen Händlern entsprechende Rollouts geben wird. Dennoch: Die befragten Händler gehen davon aus, dass der Anteil mobiler Zahlungen am gesamten Zahlungsaufkommen langfristig noch eher gering sein wird.
Für eine erfolgreiche Marktdurchdringung von Mobile Payment sind technische Standards essenziell. 78 Prozent der Befragten nannten dies als Voraussetzung für die Durchsetzung von Mobile Payment, vor allem die Gewährleistung ausreichender Sicherheitsstandards. Die Etablierung von Mobile-Payment-Lösungen wird überraschenderweise am ehesten den bekannten Payment- Lösungsanbietern wie Easycash oder B+S zugetraut (48 Prozent). 43 Prozent der Studien-Teilnehmer rechnen damit, dass auch Smartphone-Hersteller wie Apple zukünftig eine Rolle im Zahlungsverkehr spielen werden. Interessanterweise werden nach Einschätzung des Handels Banken und Sparkassen künftig eine eher untergeordnete Rolle im Zahlungsverkehr spielen. Die befragten Händler machen den Einsatz von Mobile-Payment-Lösungen vor allem vom Preis der Transaktionskosten abhängig.
Foto: Acardo
Tobias Verbeet ist Projektleiter Auftragsforschung und Beratung im EHI Retail Institute.
Kontakt: verbeet@ehi.org