In den 1970er-Jahren baute der Quelle-Konzern im Nürnberger Stadtteil Langwasser auf einem 50.000 qm großen Gelände seine Produktion auf. Hier residierte Europas größtes analoges Fotolabor, bis ihm der Einzug der digitalen Welt ein Ende bereitete. Nach Zeiten des Leerstands wurde die Industriebrache unter Leitung des Immobilienentwicklers und Investors Helmut Schmelzer schrittweise saniert und umgebaut. Unter dem Namen TM50 (= Thomas-Mann-Straße 50) entstand ein moderner Dienstleistungs- und Verwaltungsstandort mit Büro- und Gewerbeflächen, Einzelhandel, einem Kindergarten, Restaurant sowie dem Edeka-Markt C. Schätz.
Die klimafreundliche Energieversorgung bildet einen zentralen Baustein des modernen Komplexes – sie erfolgt auf Basis oberflächennaher Geothermie. In Tiefen bis 110 m entzieht ein rasterförmig angelegtes Feld von 150 Erdsonden über ein System aus Wärmetauschern und -pumpen dem Untergrund emissionsfrei Energie und verteilt diese über sparsame Fußboden- und Deckenflächenheizungen. Die dual ausgelegte Bauteilaktivierung dient sowohl der winterlichen Erwärmung als auch der sommerlichen Kühlung.
Viel Tageslicht
Der neue Edeka-Supermarkt versorgt gleichermaßen die Beschäftigten des TM50 sowie die ortsnahe Bevölkerung. Das als Leuchtturmprojekt konzipierte Einkaufszentrum verbraucht nur noch etwa 30 Prozent der Energie konventioneller Lebensmittelgeschäfte, ohne Einschränkungen beim Einkaufskomfort. Im Gegenteil: Die rund 1.500 qm Verkaufsfläche werden über Lichtausschnitte in der Fassade und über die Oberlichter der Sheddächer – das sind parallel angeordnete Pultdächer, deren Senkrechte in diesem Fall Fenster bilden, die nach Norden ausgerichtet sind und sich öffnen lassen – in weiten Teilen mit blendfreiem, gleichmäßigem Tageslicht versorgt. Die im Markt eingesetzte LED-Beleuchtung wird darauf abgestimmt tageslichtabhängig gesteuert, was den Energieverbrauch zusätzlich minimiert. Ein weiterer Vorteil der Dachfenster ist, dass sie Lichtstrahlen in hohem Maße hereinlassen, jedoch zugleich unerwünschte Wärmeenergie durch Absorptionsgläser aufnehmen und ableiten und dadurch einer sommerlichen Aufheizung entgegenwirken. Umlaufende schlitzartige Öffnungen in der Gebäudehülle komplettieren das für Kunden und Mitarbeiter angenehme Tageslichtkonzept.
Zugleich tragen die Sheddächer die optimierte, da nach Süden ausgerichtete Photovoltaik- Anlage mit einer installierten Leistung von 97 KWp, deren Strom nicht eingespeist und rückvergütet, sondern direkt an Ort und Stelle verbraucht wird. Damit werden u.a. die langen Kühltheken betrieben, deren Abwärme wiederum über die Betonkernaktivierung des Fußbodens zur Beheizung genutzt wird. Das entlastet die Geothermie und spart nochmals Energie im Wärmepumpenbetrieb.
Die Lüftung des mit breiten Gängen ausgestatteten Verkaufsraums erfolgt auf Basis permanenter CO2-Messungen, wobei sich bedarfsgesteuert die Fenster der Sheddächer automatisch öffnen bzw. schließen. Dadurch konnte das Lüftungssystem deutlich kleiner dimensioniert werden, was Investitionskosten, Betriebskosten und Energie gespart hat. Der Gesamtverbrauch an Strom lag im ersten Betriebsjahr bei rund 248.000 kWh, wovon 70 Prozent auf den Betrieb der Kühltheken entfielen. Mit 400.000 kWh war der Gesamtverbrauch jedoch weitaus höher vorauskalkuliert worden.
Die Vorausberechnung der Photovoltaik- Leistung mit rund 89.000 kWh bestätigte sich indes nahezu. Über ein Drittel des Strombedarfs wurde somit selbst erzeugt. Das Konzept des Supermarktes, dessen Investitionsvolumen etwa 60 Prozent über dem der Standardmärkte lag, wird komplettiert von einer 70 Stellplätze umfassenden Tiefgarage, auf der der Markt errichtet wurde.
Hölzerne Dachkonstruktion
Der Supermarkt unterteilt sich in drei Segmente: den eingeschossigen, vier Meter hohen Eingangsbereich, den ebenso hohen Nebenbereich mit Anlieferungszone und Sozialräumen sowie die 1.500 qm große Verkaufszone mit einem stützenfreien Holzdach-Tragwerk, dessen Raumhöhen zwischen vier und siebeneinhalb Metern variieren. Während der Verkaufsraum in Teilen mit einer Holzdecke ausgestattet ist, gibt er in einem anderen Segment den Blick auf eine imposante Rundbogenkonstruktion frei. Die Gebäudehülle besteht aus Stahlbetonstützen, die in die Tiefgarage eingelassen und als Kragarme platziert sind sowie vorgefertigten, waagerecht spannenden Porenbetonplatten, die als Wandelemente eingelassen wurden. Darauf platzierte man eine hölzerne Dachkonstruktion in Form einer Welle, die den architektonischen Charakter des Supermarktes prägt. Rund 450 Kubikmeter Massivholz wurden insgesamt verarbeitet. Dies entspricht einem Kohlenstoffanteil, aus dem Holz zu 50 Prozent besteht, von umgerechnet ca. 113 Tonnen, woraus eine CO2- Speicherung von über 414 Tonnen resultiert. Zudem weist der gesamte TM50 Standort bei der verwendeten Energietechnik zur Wärme und Kälteerzeugung – im Vergleich zu einem konventionell mit heutiger Gasbrennwerttechnik versorgten Komplex ähnlicher Größe – eine CO2-Ersparnis von jährlich 340 Tonnen aus.
Für die Edeka-Großhandelsgesellschaft bildet der TM50 Supermarkt einen Meilenstein der Unternehmensgeschichte. Die einzelnen baulichen Besonderheiten des neuen Marktes wie Betonkernaktivierung, Photovoltaik, Geothermie, Wärmerückgewinnung und die natürliche Beleuchtung wurden bereits in Einzelobjekten realisiert, hier jedoch zum ersten Mal ganzheitlich verwirklicht.
Fotos (2): Peter Dörfel Fotodesign
Weitere Informationen: www.mwl-sapere-aude.com
Edeka Schätz, Nürnberg
Marktdaten
Tag der Eröffnung 27.11.2014
Adresse Thomas-Mann-Straße 58, 90471 Nürnberg
Verkaufsfläche 1.500 qm
Anteil Food 94 Prozent
Anteil Nonfood 6 Prozent
Betreiber des Marktes Claus Schätz
Immobilien-Verwaltung Edeka Grundstücksgesellschaft Nordbayern-Sachsen-Thüringen mbH, Rottendorf
Flächendaten
Grundstücksfläche 8.593 qm
Nutzfläche Supermarkt 2.193 qm
Nutzfläche Tiefgarage 2.030 qm
Energetische Kennzahlen
Jahresprimärenergiebedarf 31,75 kWh/qm
Heizenergiebedarf 60,63 kWh/qm
Energiestandard gemäß EnEV – 77 Prozent EnEV 2014
Baukosten
Bauwerk + Technische Anlagen je cbm umbauter Raum 178,76 Euro
Baukosten gesamt 6,4 Mio. Euro brutto inkl. Tiefgarage, Baunebenkosten und Ingenieurleistungen