Wie kam es zu Kauflokal.com?
Thomas: Kauflokal.com ist aus der vor fünf Jahren gestarteten, stationären Initiative ,Kauf Lokal’ in München entstanden. Die aktuell sehr herausfordernden Zeiten für den Handel, herbeigeführt durch die Schließungen, den Lockdown in seiner gesamten Bandbreite und die daraus resultierenden Befürchtungen für unsere zukünftige Handelslandschaft nach Corona, haben zur Initiierung von Kauflokal.com geführt.
Gab es einen Initiativ-Moment?
Thomas: Bei mir war es der erste Samstag nach dem Lockdown am 18. März 2020. Ich bin durch die Münchner Innenstadt gegangen und wo sich sonst tausende Menschen tummeln, war eine gespenstische Leere.
Rentrop: Die Idee gab es schon länger. Der Handlungsdruck durch Corona hat eine völlig neue Dynamik in diesen Prozess gebracht und die ersten Gespräche mit anderen Händlern haben uns bestätigt und motiviert, diese Idee auch schnellstmöglich umzusetzen. Die Seite wurde innerhalb von 14 Tagen entwickelt und hat zum Start mehr als 300 angebundene Händler, vom kleinen Schmuckladen ohne eigenen Online-Shop bis hin zum Traditions-Buchhändler Hugendubel mit Filialen in ganz Deutschland und eigenem Online-Shop.
Thomas: Mit Kauflokal.com wollen wir bewusst einen Gegenpol zu den riesigen Online-Plattformen wie zum Beispiel Amazon schaffen. Es geht nicht darum, als einzelner Markplatz dagegenzuhalten, sondern gemeinsam mit dem gesamten mittelständisch geprägten Einzelhandel in Deutschland auf einem Marktplatz eine lokale Alternative zu bieten.
Ist das Portal nur eine Reaktion auf die Corona-Krise oder gibt es einen weiterführenden strategischen Ansatz?
Rentrop: Corona war am Ende die Initialzündung, unsere Idee auch endlich umzusetzen. Es ist aber auch eine bewusste Entscheidung, Kauflokal.com strategisch auf längere Sicht aufzubauen und nicht nur temporär als Reaktion auf eine Krise. Jeder Händler muss sich im Rahmen seiner Möglichkeiten mit der Digitalisierung beschäftigen – das galt auch vor Corona.
Thomas: Gerade die Zeit nach Corona ist für den Handel ausschlaggebend. Staatliche Hilfen können aktuell unterstützen, aber sie werden auslaufen und erfüllen ja auch nur eine Brückenfunktion. Wenn das Konsumverhalten sich nicht elementar verändert, die Menschen in ihren Städten nicht bewusster kaufen, wird es in nächster Zeit ein Massensterben im mittelständisch geprägten Einzelhandel geben. Das mag zwar etwas zugespitzt klingen, aber wenn es nur noch um Bequemlichkeit geht, dass man bei den Online-Plattformen alles bekommt, wird man beim ersten Schritt vor die Haustüre merken, dass nichts mehr da ist, was einen vielfältigen lokalen Handel in der Nachbarschaft ausmacht. 2020/2021 wird sich hoffentlich der Trend zur Lokalisierung verstärken –einer globalen Besinnung auf das Lokale. Wir haben mit Kauflokal.com das ambitionierte Ziel, zu sensibilisieren und zukünftig das lokale Online-Schaufenster des Mittelstands zu sein.
Braucht es eine neue digitale Plattform für den Handel – gibt es nicht schon genug?
Thomas: Gerade in den letzten Wochen sind einige Initiativen in Deutschland und sogar weltweit entstanden. Das zeigt doch, dass es einen Bedarf gibt. Aber was passiert jetzt, wo der Einzelhandel langsam wieder hochfährt? Wir glauben nicht, dass dann noch „Gutscheine“ als Support reichen, geschweige denn gekauft werden. Es geht um die Produkte und überhaupt darum, zu wissen, wer eigentlich ein lokaler Anbieter ist. Wir bilden die gesamte Produktpalette der angeschlossenen Händler ab. Der Checkout findet dann aber bei dem Händler direkt statt. Und wir stellen sicher, dass es sich wirklich um lokale Unternehmen handelt. Eine Art Gütesiegel sozusagen.
Rentrop: Der Vergleich mit Amazon oder anderen Plattformen gefällt mir an dieser Stelle nicht. Es geht um das Konsumverhalten unserer Kunden und die Bewusstmachung, welche Vielfalt der lokale Handel in Deutschland noch hat. Je mehr Aufmerksamkeit der qualitative Fachhandel dadurch erfährt, umso besser für diesen. Kauflokal.com ist auch eine Plattform, um die lokalen Initiativen zu fördern und sich mit ihnen zu verbinden. Letztendlich geht es um mehr Sichtbarkeit für alle. Wir sehen andere Initiativen nicht als Mitbewerber, sondern bestenfalls als partnerschaftliche Multiplikatoren.
Wo kommen die teilnehmenden Händler aktuell her?
Thomas: Da wir in München starteten, ist aktuell der größte Teil der Händler noch aus dem süddeutschen Raum. Im nächsten Schritt liegt aber der Fokus auf dem gesamten Bundesgebiet, denn nur gemeinsam auf nationaler Ebene kann ein vielfältiger Marktplatz entstehen. Anders als bei einigen anderen Initiativen sind wir kein Branchenbuch.
Wie sind die ersten Reaktionen der Teilnehmer und Nutzer?
Rentrop: Das erste Feedback stammt überwiegend von den teilnehmenden Händlern, weniger von Endverbrauchern. Und das war sehr positiv. Mit vielen kleinen Händlern stoßen wir da gerade neue Digitalisierungsprojekte an, da sie in der Krise einen eigenen Online-Shop launchen und ihren Produktfeed bei uns abbilden wollen.
Wo sehen Sie Kauflokal.com in 6 Monaten und in einem Jahr?
Thomas: In 6 Monaten mit über 30 Millionen Produkten online und weitere 6 Monate später als ernst zu nehmende lokale Alternative zu den großen Online-Plattformen.
Rentrop: Meine Vision ist es, dass Kauf Lokal in einem Jahr Teil der Customer Journey wird und eine Rolle bei der Kaufentscheidung unserer Konsumenten spielt – online wie offline.
Haben Sie denn überhaupt eine Chance gegenüber Amazon und Co.?
Thomas: Alleine nicht, aber gemeinsam mit dem lokalen mittelständischen Einzelhandel in Deutschland schon.
Über Kauflokal.com
Das digitale Projekt will das Online-Geschäft lokaler stationärer Händler in Deutschland fördern. Das gemeinsam gestartete Portal der Norisk Group und der Initiative Kauf Lokal lädt alle einheimischen, lokal ansässigen, mittelständisch geprägten Traditionshäuser, inhabergeführte Einzelhandelsunternehmen sowie Start-ups zur Teilnahme ein. Das Portal soll als digitales Schaufenster für den lokalen Handel dienen. Die Nutzerführung im Portal ist so angelegt, dass Kunden durch verschiedene Produktwelten navigieren und anschließend direkt zum Shop des Händlers geführt werden. Ein Store-Finder ermöglicht eine Postleitzahl- und Ortssuche.
Die Teilnahme ist derzeit kostenfrei. Derzeit sind u. a. Hirmer, Bavarian Caps, Hugendubel, Kustermann, Ludwig Beck, Kaffeekontor Bayer und Bettenrid beteiligt.