Ein besonderes Geschäftsmodell des Onlinehandels verfolgen Drive-in-Supermärkte. In Deutschland können mittlerweile Kunden in etwa zwei Dutzend Selbstabholungs-Supermärkten ihre Lebensmittel online bestellten und anschließend abholen. Rewe, Real, Edeka und Globus haben solche Supermärkte, wo Kunden praktisch im Vorbeifahren einen Fünf-Minuten-Stopp einlegen, um sich die bestellte Ware einladen zu lassen. Die meisten Drive-ins liegen an Verkehrsknotenpunkten, an denen viele Pendler auf dem Weg zur oder von der Arbeit vorbeifahren.
Im Ländervergleich
Im Vergleich zu Frankreich befinden sich Selbstabholungs-Supermärkte hierzulande noch im Pilotstadium. Jenseits des Rheins bieten schon über 2.000 Drive-in-Supermärkte ihre Lebensmittel an, womit Frankreich weltweit den Spitzenplatz einnimmt. Und ihre Zahl wächst weiter. Alle großen französischen Lebensmittelketten machen mit. Auf Frankreich folgt in Europa England, dann die anderen Länder. Die USA, sonst Trendsetter und Heimatland der McDonald’s Drive-ins, liegt allerdings weiter hinten.
Nicht nur die Bestellprozesse, auch die Intralogistik automatisieren.
Dr. Makrem KadachiDass sich Drive-ins in den verschiedenen Ländern so unterschiedlich entwickeln, hat mit der Mentalität und den Präferenzen der Menschen, aber auch mit dem spezifischen Marktumfeld des Einzelhandels zu tun. Franzosen haben kaum Berührungsängste mit dem Online-Shopping und setzten ihre Kredit- und EC-Karten auch überall ein. Frankreich zählt zu den kulinarischen Hochburgen Europas, und dort kauft die Bevölkerung Lebensmittel gerne online ein. In Deutschland hingegen herrscht eine hohe Lebensmitteldiscount-Dichte vor. Kunden finden hier an vielen Ecken preisgünstige Lebensmittel, ohne ihre knapp bemessene Zeit in großen Einkaufscentern verbringen zu müssen. Auch bieten hier die engen Handelsmargen weniger Spielraum für innovative Konzepte.
Erfolgsfaktoren
Neben online-affinen Verbrauchern brauchen Drive-in-Supermärkte auch den richtigen Standort, die passende Produktpalette in guter Qualität sowie exzellente Services und konkurrenzfähige Preise. Gerade Letzteres lässt sich dauerhaft nur dann erzielen, wenn die Drive-ins nicht nur ihre Bestellprozesse, sondern auch ihre Intralogistik-Prozesse automatisieren. Die Kunden starten den Einkauf, indem sie über einen Webshop ihre Lebensmittel bestellen. Diese Web-Applikation hat eine Schnittstelle zum ERP-System der Lebensmitteleinzelhandels-Zentrale oder des Supermarktes, das daraus einen Auftrag generiert. Die Bestellung geht sodann entsprechend aufgearbeitet weiter ans Lagersystem. In dem heute noch üblicherweise praktizierten Verfahren übernehmen dann Mitarbeiter den Auftrag manuell, laufen täglich viele Kilometer durch lange Reihen von Standardregalen und sammeln die Online-Bestellung in Körben ein.
Vertikal oder horizontal
Einige Selbstabholungs-Supermärkte in Frankreich habe die Ineffizienz dieses Verfahren erkannt, gegengesteuert und ihre Intralogistik schon teilautomatisiert. Denn grundsätzlich ähneln sich die Lagerkonzepte der Drive-ins. So umfasst standardmäßig die Grundstruktur die Lagerzonen Trocken-, Frische- und Tiefkühlbereich.
Wie bei konventionellen Lebensmittelmärkten richtet sich die Anzahl der bevorrateten Güter und damit auch der Durchsatz und die Lagerkapazität nach der Größe des Einzugsgebietes. Zudem hängt die Wahl der Lagereinrichtung davon ab, ob ein manuelles, teilautomatisiertes oder automatisiertes Lagersystem zum Einsatz kommt sowie vom zur Verfügung stehenden Platz und der Deckenhöhe. Große Deckenhöhen erfordern eher vertikale Lagersysteme wie Umlaufregale oder Liftsysteme, niedrige Höhen hingegen horizontal arbeitende Systeme wie Lagerkarussells. Solche automatisierten Karussellsysteme haben eine Höhe von bis zu 4 m und eine Nutzlast von bis zu 60 Tonnen. Diese lassen sich zu mehreren Einheiten konfigurieren. So empfiehlt sich für Produkte im Trockenbereich, 2 Stationen à 4 horizontale Karussells einzurichten. Diese Anordnung hat sich für Drive-ins bewährt und gewährleistet eine große Sortimentstiefe bei hoher Zugriffshäufigkeit.
Pick-to-Light
Die Karussells erhalten die Bestellungen vom internen Lagersystem oder über die vom Kommissionierer per Barcode-Scanner erfassten Auftragspapiere. Anschließend fahren die Karussells auf dem kürzesten Weg zur Bedienöffnung. Hier entnimmt entsprechend der Positionsanzeige der Kommissionierer den Artikel und bestätigt die entnommene Menge. Dann dreht er sich um, um über ein Pick-to-Light-System zu erkennen, in welche der hinter ihm auf dem Band stehenden Boxen die Ware hineingehört.
Diese Automatisierung großer Teile des Intralogistik-Prozesses nach dem Prinzip „Ware zur Person“ kann fast jede Nachfrage bedienen. Sie steigert die Leistung um rund 30 Prozent im Vergleich zu einer reinen Regallösung. Denn unter dem Strich optimieren solche Lösungen den Intralogistik-Prozess auf vier Wegen: Erstens suchen sich die Karussells automatisiert den kürzesten Drehweg zum nächsten Produkt. Zweitens muss der Kommissionierer nie untätig warten, weil die Karussells abwechselnd ihre Waren in den Bedienöffnungen bereithalten. Zum dritten kann der Kommissionierer mehrere Bestellungen parallel in die Boxen legen, also Multi-Order-Picking machen. Und viertens kann mit Unterstützung eines Lampenfarbsystems sogar noch ein zweiter Kommissionierer den Durchsatz erhöhen.
Über den ROI (Return-on-Invest) solcher Intralogistik-Lösungen sprechen die meisten Anwender ungern. Kalkulationen hängen noch von anderen Faktoren ab. Andererseits übt sich die Branche auch traditionell in Verschwiegenheit, um Wettbewerbsvorteile nicht vorschnell aus der Hand zu geben. Schätzungen gehen jedoch von einem ROI von unter vier Jahren aus.
Fotos: Kardex (1), Real (1)