Der Schweizer Baumarkt Jumbo zielt mit seinem hochwertigen, emotionalisierenden Sortiments-
konzept in erster Linie auf die „Best Ager“ unter den Kunden. Das Marketing für die 40 Standorte der Jumbo-Markt AG läuft vorwiegend über unadressierte Streuwerbung – deren Erfolg allerdings leidet insbesondere darunter, dass inzwischen über 60 Prozent der eidgenössischen Haushalte das „Stop Werbung“-Zeichen auf ihren Briefkästen haben. „Gerade unsere Hauptzielgruppe verweigert sich zunehmend der traditionellen Prospektwerbung“, konstatiert Massimo Moretti, Leiter Marketing Services bei Jumbo.
Immer mehr Mitglieder der Jumbo-Zielgruppe allerdings sind Smartphone-Besitzer. Die Schweiz liegt weltweit im Spitzenfeld, was die Verbreitung von internetfähigen Handys angeht. Knapp 8 Prozent der Schweizer besitzen ein iPhone, in den USA sind es dagegen 6 Prozent, in Deutschland noch unter 1 Prozent der Bevölkerung. Da lag es für Jumbo nahe, die Kundenkommunikation über dieses Medium zu erproben.
App mit Treue-Bonus
Die Jumbo-App für iPhone und iPad ist seit Frühjahr 2011 auf dem Markt und bietet die üblichen Funktionen: Ein Filialfinder gibt Auskunft über Standort und Öffnungszeiten der nächsten Filiale und speichert auf Wunsch deren Kontaktdaten im Telefonbuch. Gekoppelt mit GoogleMaps, dient die Funktion zudem als Routenplaner. Und natürlich vermittelt die App ihrem Besitzer auch, welche aktuellen Sonderangebote es bei Jumbo gibt. Hinzu kommen Aktionen und Gewinnspiele.
Außergewöhnlich sind weitere Anreize: Nach jeweils 10 Besuchen bei Jumbo nämlich wird der Smartphone-Besitzer mit einem Treuerabatt von 15 Prozent belohnt. Dafür muss er sich bei seinem Besuch im Markt mit der App „einchecken“. Die App bestätigt mittels iPhone-Ortungsdiensten, dass sich der Nut-zer wirklich im unmittelbaren Umfeld einer Filiale befindet, und registriert den Besuch. Auf diese Weise erhält Jumbo ein Nutzerprofil, abhängig von Ort und Zeit der Check-ins.
Hohe Durchschnittsbons
Außerdem vergibt die App sogenannte „Badges“, die besondere Verhaltensweisen honorieren und dazu führen, dass der Treuerabatt noch schneller erreicht werden kann. Zum Beispiel wird ein Besuch zu frequenzschwachen Zeiten zusätzlich belohnt. Jumbo kann dadurch die Kundenfrequenz in gewissem Umfang steuern.
Über 9.000 Jumbo-Apps wurden seit dem Start der Aktion heruntergeladen. Deren Inhalte können auch auf die Facebook-Seiten der User gepostet werden. Insbesondere die Treue-Funktionen zahlen sich für den Baumarkt-Betreiber aus: Der jährliche Durchschnittsbon der App-Nutzer liegt bei rund 400 Schweizer Franken und ist damit annährend zehnmal so hoch wie der Bon eines Jumbo-Durchschnittskunden. „Die App ist für uns kein Schnäppchen-Turbo, sondern sie erweist sich als effektives Instrument der Besuchsförderung und der Kundenbindung“, erklärte Marketing-Chef Moretti auf den Technologietagen 2011 des EHI Retail Institute, die Anfang November in Köln stattfanden.
Gezieltes Couponing
Immer professioneller und damit erfolgreicher wird auch das mobile Couponing. Auf den EHI Technologietagen berichtete André Reif, Geschäftsführer des Mobile Couponing-Dienstleisters MyMobai, über Einlöse- Quoten von bis zu 30 Prozent.
MyMobai bietet Händlern und Dienstleistern die Verbreitung von Bonus-Botschaften über eine eigene kostenlose App oder über sogenannte Publisher – also über die Apps von Partnern, über Online-Portale oder Mobile Websites. Der Händler kann das Angebot aber auch in seine eigene App bzw. in eigene Social Media-Seiten integrieren.
Insgesamt erreicht MyMobai nach Angaben von Reif rund 5 Mio. Nutzer. Wesentlich für den Erfolg von Couponing-Aktionen allerdings ist nicht diese Gesamtzahl potenzieller Nutzer, sondern die gezielte Steuerung der Coupons auf die Smartphones lokaler bzw. angebotsaffiner Kunden. MyMobai verbindet dazu die Tracking- Daten aus den Internet-Protokollen mit den Daten, die bei der Einlösung der Coupons am Point of Sale anfallen. Aus dieser Verknüpfung von Coupon-Klicks, User Tracking Points und Couponeinlösungen werden anonyme Kundenprofile entwickelt, die ausschließlich auf Nutzerdaten, nicht auf Personendaten basieren und damit dem Datenschutz Rechnung tragen.
Dennoch ermöglicht diese Verbindung von Informationen die Identifikation und die Wiederansprache bestimmter, lokal spezifizierter Kundengruppen. Streuverluste werden so deutlich reduziert. Die dahinter stehende, patentierte Technologie steckt im MyMobai-System „Sky Rocket“.
Handy zeigt Verfügbarkeit
Am Geschäft der Zukunft mit den Diensten für das mobile Marketing möchte auch der Internet-Riese Google teilhaben. Bei Google landen täglich mehr als eine Milliarde Suchanfragen, viele davon beziehen sich auf das Shopping. Gero Graf, Development Manager bei Google, geht davon aus, dass in zwei bis drei Jahren die Zahl mobiler Suchanfragen jene von stationären Suchanfragen übersteigen wird. Entsprechend konzentriert sich der Konzern darauf, mobile Lösungen für Produktsuche, Einkauf und Bezahlung zu entwickeln.
Seit rund einem Jahr ist in den USA und in England Google-„Shopper“ auf dem Markt – eine Applikation für Smartphones, die dem Nutzer durch Sprachsuche oder durch Scannen am Regal Produktinformationen und Produktbewertungen übermittelt, Preisvergleiche anstellt und zu den entsprechenden Webshops leitet. Im September 2011 folgte „Local Shopping“: Die App zeigt dem Kunden unterwegs in Echtzeit die Verfügbarkeit einzelner Produkte in den umliegenden Geschäften an. Dazu muss Google naturgemäß über aktuelle Artikelstammdaten der beteiligten Unternehmen verfügen – Informationen, die der interessierte Händler in diesem Falle wohl oder übel an Google weitergeben muss. Google-Manager Graf versicherte, der Konzern behandele diese Daten absolut vertraulich. In den USA haben sich laut Graf schon einige große Handelsfilialisten wie Nordstrom, Target und Best Buy diesem Dienst angeschlossen.
Ein weiteres Marketing-Tool von Google nennt sich „Catalogs“. Der Smartphone-Nutzer kann sich damit Kataloge aufrufen und wird beim „Touch“ auf ein Produkt direkt an die entsprechende Händler-Website weitergeleitet. Ebenfalls schon in den USA auf dem Markt ist „Wallet“, ein auf der NFC-Technik basierendes Handy-Bezahlverfahren von Google. Mit diesem Instrumentarium stellt sich auch Google sehr breitbeinig im wachsenden Mobile Marketing-Markt auf.
Abbildung: MyMobai
Foto: EHI/Rosendahl
Sehen und kaufen
Betrachten, bestellen, bezahlen: Eine weitere Variante des mobilen Marketing stellten die Anbieter Itellium und PayPal auf den EHI Technologietagen Anfang November in Köln vor.
PayPal entwickelt momentan eine neue Plattform, die es ermöglicht, online durch das Scannen von Bar- oder QR-Codes sowie NFC-basierend per Smartphone zu bezahlen. Der Dienstleister setzt dabei auf die Integrationstechnologie IMTS von Itellium. Mit dieser ist das mobile Bezahlen mit dem QRCode-Verfahren bereits heute möglich. Eines der Anwendungsszenarien ist das „Window Shopping“: Dabei wird der QR-Code eines Produkts im Schaufenster auf einem Plakat oder auf einem digitalen Info-Screen gezeigt. Auslesen kann der Kunde den Code über die Shopping-App von PayPal, die gemeinsam mit Itellium entwickelt wurde. Damit erhält er einerseits Zusatzinformationen zum beworbenen Produkt. Außerdem wird ihm die sichere Legitimierung zur Bezahlung angezeigt.
Foto: Itellium
Douglas-Gruppe setzt auf NFC
In Kooperation mit den Sparkassen führt die Douglas-Gruppe ein neues Bezahlverfahren ein. Beträge bis zu 20 Euro können künftig durch einfaches Auflegen der Girocard von einem vorher aufgeladenen Guthaben abgebucht werden.
Schon heute unterstützen die bei Douglas eingesetzten Bezahlterminals die berührungslose NFC-Technologie (Near Field Communication), bei der die Karte nicht mehr in das Lesegerät gesteckt wird, sondern die Daten mittels Funk übertragen werden. Bis Ende 2012 soll die vorhandene Hardware durch neue Software bundesweit um die zusätzliche Zahlungsoption erweitert werden. Das gaben Douglas und der Deutsche Sparkassen- und Giroverband DSGV im November auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Umfeld der EHI Technologietage in Köln bekannt.
Die Douglas-Gruppe ist damit nach dem Mineralölanbieter Esso der erste Händler, der bundesweit kontaktlose Zahlungen mit der Girocard akzeptieren wird. Zur Gruppe gehören neben den 446 Douglas-Parfümerien rund 700 Filialen von Christ, Appelrath Cüpper, Thalia und Hussel. Falls das Guthaben auf dem Chip zum Bezahlen nicht ausreicht, sollen Kunden künftig die Möglichkeit haben, vor dem Bezahlvorgang direkt in der Filiale nachzuladen. Insbesondere im Bereich Bücher und Süßwaren bleiben viele Bons unter der 20-Euro-Schwelle. Per NFC kann Douglas den Kunden künftig nicht nur eine preiswerte und schnelle Alternative zu Bargeld bieten. Das Unternehmen sammelt auf diesem Wege auch erste Erfahrungen mit Zukunftstechnologie: Auf mittlere Sicht dürften funkbasierte, mobile Zahlungen per Smartphone oder Tablet-PC auch im stationären Handel Einzug halten.
Weitere Informationen: www.scard.de