Frauen sind die Technikfreaks | stores+shops

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Kundinnen vor dem interaktiven Schaufenster der Nürnberger Adidas-Filiale (Foto: Adidas)

Frauen sind die Technikfreaks

Seit 10 Jahren entwickeln der Sportartikel-Konzern Adidas und die Universität Erlangen-Nürnberg in Kooperation innovative digitale Tools. Ziel ist es, das Einkaufserlebnis am POS zu steigern. Ein wissenschaftlich fundiertes Resümee der bis dato gewonnenen Erkenntnisse.

Mitunter ist es für Einzelhändler und Markenheute leichter, sich durch das „Wie“ als durch das „Was“ sie verkaufen vom Wettbewerb zu unterscheiden. In diesem Wissen kooperiert Adidas, konkret das IT-Innovation-Team des Unternehmens, seit 10 Jahren mit dem Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik der Universität Erlangen-Nürnberg.

Mit innovativen Ideen möchte man „Service Fascination“ bieten. 5 Systeme wurden bisher gemeinsam entwickelt. Diese fanden bereits durch mehrere namhafte Auszeichnungen Würdigung, u.a. „CeBIT Innovation Award 2013“, „Wissenschaftspreis 2015“ und „Ausgewählter Ort 2015“ im Rahmen der Initiative „Deutschland Land der Ideen“. „Manche Konsumenten betreten die Stores gezielt, um die digitalen Tools kennenzulernen“, sagt Dr. Christian Zagel, der in einer Doppelposition tätig ist – mit jeweils einer halben Stelle als Senior Manager IT Innovation bei der Adidas Group sowie als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl. Gerade hat er über das Projekt promoviert. Im Folgenden die bisher entwickelten digitalen Tools:

1. Social Mirror

Zwischen 2012 und 2015 wurden 11 dieser Systeme in 10 Neo-Stores in Deutschland eingesetzt. Die Kunden konnten sich in den anprobierten Outfits vor den Spiegeln fotografieren und Freunde und Familie über die sozialen Netzwerke in ihre Kaufentscheidung einbinden. „Inzwischen realisieren die Konsumenten dies über ihr eigenes Smartphone“, erklärt Dr. Christian Zagel, warum der Social Mirror mittlerweile wieder ausgedient hat. Er wurde vom Lauf der Zeit überholt.

2. Interactive Shopping Window

Für 6 Wochen wurde das Schaufenster des Nürnberger Neo-Stores im Jahr 2012 mittels integrierter Videowand und Touch-Folie lebendig. Die Konsumenten konnten ein lebensgroßes digitales Model, das mit der aktuellen Kollektion bekleidet war, per Fingerzeig drehen oder dafür sorgen, dass es die Kapuze aufzieht. Zudem konnten u.a. Detailinformationen der Produkte abgerufen und das Produkt via Smartphone bestellt werden. Für die Anbindung des Smartphones genügte es, eine auf dem Fenster angezeigte PIN einzugeben. Die Analyse ergab 90 Prozent aufmerksame Passanten, sobald das System in Betrieb war. 25 Prozent derjenigen, die das Window-Display bedienten, betraten anschließend auch den Store.

3. Low-Cost Body-Scanner

Mithilfe von 6 kostengünstigen Tiefen-Kameras („Microsoft Kinect“) werden die Kunden innerhalb von 5 Sekunden vermessen. Daraufhin zeigt ihnen das System die optimale Kleidergröße an.

4. Interactive Fitting Room

Funkchips erkennen, welche Ware der Kunde mit in die Umkleidekabine nimmt. Diese sorgt daraufhin automatisch für das passende Ambiente. So kann eine Trekkingjacke vor dreidimensional wirkender Berglandschaft anprobiert werden, untermalt von stimmigem Sound. Die Kabinen sind dazu mit 2 interaktiven Wänden, einem Soundsystem, einem traditionellen Spiegel sowie einer Touch-Wand ausgestattet. Auf Letzterer werden Produktinformationen angezeigt. Auch Feedback kann gegeben werden, ob und warum ein Produkt gefällt und passt oder nicht.

5. Product Experience Wall

Der interaktive Outfitberater ist die jüngste Gemeinschaftsentwicklung. Auch bei diesem System wird mittels RFID erkannt, welche Ware der Kunde trägt oder an der Hand hat. Automatisch werden Kombinationsvorschläge unterbreitet, und dies passend zur aktuellen Witterung, denn das Gerät erkennt mittels Gesichtserkennung nicht nur, ob Mann oder Frau vor ihm steht, sondern ist auch stets in puncto Wetterdienst-Infos auf dem neuesten Stand.

Was konkrete Umsetzungszahlen, -daten und -pläne angeht, so hält sich Adidas bedeckt. „Es handelt sich um mittel- bis langfristige Innovationsprojekte mit zum Teil sehr neuartigen Komponenten. Die jeweilige Technologie muss in ein entsprechendes Ladenkonzept passen und nahtlos darin integriert werden“, so Dr. Christian Zagel. „Die Storekonzepte werden meist zyklisch entwickelt. So ist es durchaus absehbar, dass die Technologien, die bislang noch nicht in den Geschäften zu sehen waren, in Zukunft ein Teil davon werden.“

Fotos (4): Adidas

Adidas „Service Fascination“: So wirken Systeme

Dr. Christian Zagel hat das Projekt „Service Fascination“ im Rahmen seiner Dissertation intensiv wissenschaftlich begleitet. Kernpunkte seiner Forschung:

  • Interaktive Technologien in den Stores führen zu mehr Traffic.
  • Durch die Nutzung interaktiver Systeme steigt der wahrgenommene Wert der Produkte. Nutzer der interaktiven Umkleidekabine zum Beispiel schätzten den Wert der Testprodukte um 20 Prozent höher ein als jene Personen, die die identischen Jacken ohne das System bewerteten.
  • Die Tools werden fast ausschließlich in Gruppen von mindestens 2 Personen genutzt. Eine Einzelnutzung gibt es kaum.
  • Obwohl Männer als Technikfreaks gelten, sind es besonders die Frauen, die von den interaktiven Adidas-Systemen angesprochen werden und diese nutzen. 60 Prozent der Nutzer des Social Mirror waren weiblich.
  • Die Systeme sind insbesondere für die Generation Y attraktiv, also Konsumenten ab Jahrgang 1980.
  • Eine Kombination aus funktionalem und emotionalem Spaß-Mehrwert hat sich am meisten bewährt. Wenn Nutzen und Fun-Faktor groß genug sind, rücken (Daten-)Sicherheitsbedenken in den Hintergrund.
  • Die Prinzipien multisensorischen Designs sollten auch bei interaktiven Tools Berücksichtigung finden. Im besten Fall sollten visuelle, haptische und auditive Elemente kombiniert werden.
  • Digitale Elemente sollten zu 100 Prozent funktionieren. Defekte bzw. mangelhafte Systeme führen zu Unzufriedenheit bei den Kunden und haben starke negative Auswirkungen. Die Tools sollten so geschickt verbaut sein, dass sie bei einer Fehlfunktion oder wenn sie abgeschaltet sind nicht auffallen. Ein virtueller Spiegel beispielsweise sollte noch als normaler Spiegel funktionieren.
  • Die Attraktivität interaktiver Systeme in Stores schwindet mit der Zeit, entweder dadurch, dass deren Funktionalität auch mit Substituten, zum Beispiel dem Smartphone des Kunden realisiert werden kann, oder weil sich die Kunden daran gewöhnen.

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