Mal verschwindet ein Zehntel des Umsatzes aus dem System, mal gleich die Hälfte: In hoher Regelmäßigkeit stoßen Finanzprüfer auf ebenso trickreiche wie professionell gehandhabte Manipulationen an Registrierkassen. Ausgeklügelte Betrugssoftware, die Rechnungen im System ändert oder tilgt, ohne Spuren zu hinterlassen, erlaubt Umsatzkürzungen „ganz nach Wahl“. Mehrere Milliarden Euro entgehen den Finanzbehörden durch gezinkte Kassendaten – Jahr für Jahr. Die sogenannte Fiskalisierung der Registrierkassen ist daher nicht zuletzt eine Frage der Steuergerechtigkeit und des fairen Wettbewerbs.
Elektronisch signierte Belege
Ab 1. Januar 2020 sind Registrierkassen mittels einer zertifizierten Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) vor Manipulationen zu schützen. Diese gesetzliche Pflicht betrifft vor allem Einzelhändler und Gastronomiebetriebe. Nur für alte Registrierkassen, die aufgrund ihrer Bauart nicht mit einer TSE ausgestattet werden können, gilt eine Übergangsregelung: Sie dürfen bis 31. Dezember 2022 im Einsatz bleiben, müssen allerdings zumindest den seit 2016 gültigen Regelungen des Bundesfinanzministeriums zur Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften entsprechen.
Mehrere Milliarden Euro jährlich entgehen den Finanzbehörden durch gezinkte Kassendaten.
Matthias KromphardtFür Millionen von Registrierkassen steht daher zum Jahresende eine Nachrüstung an. Die vorgeschriebene TSE besteht aus mehreren Modulen, durch die Kasseneingaben manipulationssicher protokolliert und gespeichert werden und sich über eine digitale Schnittstelle an Finanzprüfer übertragen lassen.
Kern des Konzepts ist die elektronische Signatur der einzelnen Kassenbelege. Dabei stellt eine Prüfsumme zu jedem Beleg die Integrität der Daten sicher: Nachträgliche Eingriffe werden erkennbar, da in diesem Fall die Prüfsumme nicht mehr stimmt.
Lokal oder zentral
Derzeit sind vor allem zwei Lösungsvarianten im Gespräch. Bei der lokalen Lösung sind die TSE-Funktionen in ein kompaktes Hardware-Modul integriert – etwa in einen USB-Stick oder eine SD-Karte. Dies dürfte zum Beispiel Händler interessieren, die nur wenige Kassen betreiben. Allerdings muss bei dieser Variante vermutlich alle drei Jahre das Modul gewechselt werden.
Bewährte Lösungen: Tax Identification Module
Mit der TIM Card (Tax Identification Module) stellt die Bundesdruckerei seit Jahren erprobte Sicherheits-Lösungen bereit, die in Taxametern und Spielautomaten im Einsatz sind. Mit Blick auf die unterschiedlichen Bedarfslagen im Einzelhandel entwickelt die Bundesdruckerei gemeinsam mit den Partnern Cv Cryptovision GmbH und der Deutschen Fiskal GmbH lokale und zentrale Lösungen für Registrierkassen. Alle Lösungen sollen technologieoffen und herstellerunabhängig nutzbar sein.
Die zweite Lösung, eine zentrale Cloud-Lösung, basiert hingegen auf einem Webdienst, bei dem ein Vertrauensdienste-Anbieter wie D-Trust der Bundesdruckerei die Sicherheitsfunktionen bereitstellt und Kassenbelege elektronisch signiert. Da sich die nötige Sicherheitsinfrastruktur im geschützten Rechenzentrum des Dienstleisters befindet, muss vor Ort beim Einzelhändler keine Hardware installiert werden. Voraussetzung ist eine sichere Internetverbindung.
Insbesondere Unternehmen mit vielen Filialen und Kassen dürften von dieser Lösung profitieren, denn sie ermöglicht einen einheitlichen Rollout und eine effiziente Administration, ohne dass jede Kasse händisch umzurüsten wäre. Bislang existieren noch keine fertigen Lösungen auf dem Markt – mehrere Hersteller befinden sich im Zertifizierungsprozess beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Dieser Prozess soll voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres abgeschlossen sein – also kurz vor Inkrafttreten der Fiskalkassenpflicht.
Am 27. März 2019 trafen sich Mitglieder des Arbeitskreises Point of Sales (POS-Systeme) des EHI Retail Institute bei der Bundesdruckerei in Berlin, um den Stand der Dinge sowie Handlungsoptionen zu diskutieren. Angesichts bislang noch fehlender zertifizierter Lösungen bewerten viele Einzelhändler den Zeitplan als sehr knapp – umso mehr, als die heiße Phase der Umstellung mitten ins ohnehin turbulente Weihnachtsgeschäft fällt.
Auch bei den Finanzbehörden ist man sich der ehrgeizigen Terminsetzung bewusst und rechnet offenbar mit Anträgen auf Ausnahmegenehmigungen. Eines jedenfalls ist klar: Das Thema bleibt brandaktuell. Einzelhändler sind gut beraten, Kassenhersteller zu kontaktieren und sich auf den Umstellungsprozess vorzubereiten. Schließlich ist es mit der Entscheidung für eine bestimmte Lösung nicht getan – auch die Integration in die bestehende Kassenlandschaft benötigt Zeit und Personal.