Mit 482 Ausstellern aus 39 Nationen sowie mit mehr als 13.000 Besuchern – ein Plus von 10 Prozent – hat die Fachmesse EuroCIS in diesem Jahr neue Bestmarken aufgestellt. „Wir konnten signifikante Zuwächse vor allem aus dem Nahen und Mittleren Osten, aus Asien sowie aus Süd- und Mittelamerika verzeichnen“, berichtet Elke Moebius, Global Head Retail & Retail Technology bei der Messe Düsseldorf. Die EuroCIS hat sich damit als größte europäische Technologie-Messe für den Handel fest etabliert.
Erfassung wird automatisiert. Die Otto-Tochter Bonprix hat in Hamburg einen Laden eröffnet, in dem unter anderem die gewünschte Ware per RFID-Technologie automatisch registriert wird und in dem an einem Kartenterminal per Smartphone und PayPal bezahlt werden kann. Diese Technik war auch auf der EuroCIS zu sehen.
Unter anderem zeigte Fujitsu mit seiner Lösung „RFID Full Basket Scannin“, wie der komplette Warenkorb (in Form einer Einkaufstüte mit verschiedenen Artikeln) in einem einzigen Vorgang erfasst und abgerechnet wird. „Beim Einsatz der RFID-Technology stand bisher die Supply Chain im Fokus, inzwischen denken Fashion-Retailer auch über die Einbindung der Technik in den Checkout-Prozess nach“, erklärt Ralf Schienke, Head of Retail Sales bei Fujitsu.
Toshiba zeigte auf der Messe ein Lebensmittel-Regal, das per Kameras überwacht und in dem Artikel-Gewichte über Regalboden-Einsätze erkannt werden. Wie bei Amazon go wird damit die Entnahme einzelner Artikel automatisch registriert. Wie genau die Technik funktioniert, wird bei Toshiba noch als Geschäftsgeheimnis behandelt.
SB-Prozesse werden perfektioniert. Bilderkennung und Machine Learning eröffnet neue Möglichkeiten, um die letzten Lücken der Automatisierung am SB-Checkout zu schließen. NCR zum Beispiel zeigte auf der Messe eine Lösung zur Erfassung von Wiegeartikeln wie Obst oder Gemüse. Anhand von Attributen wie Farbe, Form und Größe schlägt die Kasse automatisch die passende Produktauswahl aus dem Sortiment des Händlers vor.
Eine weitere Neuerung ist die automatisierte Altersfreigabe beim Kauf von Tabakwaren und Alkohol an der SB-Kasse. NCR integriert dazu die Bilderkennungstechnologie von Yoti, die innerhalb weniger Sekunden verifiziert, ob eine Person über dem Erwerbsalter für einen Artikel liegt. „In der Regel setzen Händler den Schwellenwert für die Freigabe auf einen Wert, der bei zehn Jahren über der gesetzlichen Altersbeschränkung liegt“, sagt Stefan Clemens, Area Sales Leader bei NCR. Kunden, die nur knapp über der Altersgrenze liegen, können sich über die App registrieren und ihr Alter anhand eines offiziellen Dokuments verifizieren und hinterlegen.
Self Checkout überschreitet Branchengrenzen. Bilderkennung und RFID-Technologie ermöglichen den Einsatz der SB-Technik auch jenseits des FMCG-Handels. Diebold Nixdorf zum Beispiel präsentierte auf der EuroCIS eine SB-Station für Fashion-Händler, bei der über eine in den Kassentisch integrierte Erkennungszone die RFID-Tags des Warenkorbs in einem einzigen Vorgang erfasst werden. Anschließend kann der Kunde die Tags an einer ebenfalls in den Tisch integrierten Vorrichtung selbständig entfernen.
Für Ikea entwickelt der Paderborner IT-Dienstleister außerdem eine Lösung zur Checkout-Automatisierung im Gastronomie-Bereich. Per Bilderkennung registriert die Technik, welche Ware auf dem Tablett steht bzw. welche einzelnen Speisen auf dem Teller kombiniert sind – bis hin zur genauen Zahl der Kötbullar-Fleischbällchen. Ikea will die Lösung unter anderem in seinen italienischen Häusern testen. „Bilderkennung wird in Zukunft eine Schlüsselrolle im Handel spielen, um ein besonderes Einkaufserlebnis für den Kunden zu schaffen“, sagt Hermann Wimmer, Senior Vice President, Global Retail bei Diebold Nixdorf.
Interesse auf der Messe fand auch eine Lösung, die vom Schweizer Warenhaus Manor in Zusammenarbeit mit TCPOS entwickelt wurde. Dort können die Checkout-Stationen, je nach Warenkorb und Kundenwunsch, bedient oder selbst-bedient betrieben werden.
Preise werden flexibler. Von Rewe bis zu Saturn: Immer mehr Handelsfilialisten statten ihre Regale mit elektronischen Etiketten aus. Auf der EuroCIS konnten ESL-Anbieter wie SES Imagotag, SoluM oder Hanshow deutlich höhere Besucherfrequenzen registrieren als gewohnt. Die Electronic Self Labels können inzwischen, durch die Integration von Kameras, auch zur Identifizierung von Regallücken eingesetzt werden. Insbesondere aber bilden sie die Basis für flexible Preisstrategien.
Dynamic Pricing auf Basis künstlicher Intelligenz, für große Online-Händler fast schon obligatorisch, stößt inzwischen auch im stationären Bereich auf großes Interesse. Die GK Software zum Beispiel bietet im Rahmen ihres neuen Produktportfolios AIR (Artificial Intelligence for Retail) eine auf künstlicher Intelligenz basierende Lösung für Abverkaufsprognosen und darauf abgeleiteten Preisvorschlägen an.
Strukturen werden renoviert. Neue Lösungen wecken Interesse, dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen: Für den Handel steht die Basis-IT im absoluten Fokus. Laut EHI-Untersuchung beabsichtigen 64 Prozent der befragten Händler, in ihre IT-Infrastruktur, in ihr Warenwirtschaftssystem (53 Prozent) und in ihre Hard- und Software an der Kasse (36 Prozent) zu investieren. Fast durchweg geht es darum, POS-Prozesse zu vereinheitlichen und zu beschleunigen, insbesondere aber die Basis für den Auf- und Ausbau innovativer Kundenservices zu setzen – seien es mobile Anwendungen, neue Payment-Funktionen oder Omnichannel-Dienste. Die alten IT-Landschaften sind dazu häufig nicht mehr in der Lage. Beim Neuaufbau von IT-Strukturen kommen häufig Dienstleister wie Gebit Solutions zum Zuge. Das Unternehmen zeigte auf der EuroCIS anhand von Beispielen, wie große IT-Projekte und Integration neuer Service-Prozesse unabhängig von Herstellern und bestehenden Lösungen umgesetzt werden können.
Omnichannel-Dienste werden ausgebaut. Um stationäres und digitales Geschäft zu verzahnen, braucht der Händler eine kanalübergreifend einheitliche Sicht auf alle Kunden, Käufe, Bestellungen, Bestände und Auslieferungen. Dazu wiederum muss er kanal- und standortübergreifend konsistente Artikel- und Kundendaten zurückgreifen können. Außerdem muss er seine IT-Umgebung aktualisieren, indem er entweder bestehende Anwendungen multichannel-fähig aufrüstet oder eine zusätzliche Integrationsplattform installiert, die konsolidierte Daten und Anwendungen zur Verfügung stellt. Teilweise und bis zu bestimmten Grenzen können kanalübergreifende Anwendungen innerhalb der bestehenden Kassensoftware und über Schnittstellen realisiert werden.
Ob NCR, Fujitsu oder Diebold Nixdorf: Die großen IT-Dienstleister des Handels bieten darüber hinaus Lösungen in Form einer dahinter gelegten Steuerungsplattform an, die alle Touchpoints integriert und ihnen die entsprechenden Funktionen bereitstellt. Aber auch andere Software-Entwickler demonstrierten auf der EuroCIS 2019, wie sie Omnichannel-Prozesse realisieren können. Dazu gehört inzwischen auch TCPOS – der ehemals auf Kassenlösungen spezialisierte Dienstleister wurde von der italienischen Zucchetti-Gruppe übernommen und kann damit ein deutlich breiteres Lösungsportfolio anbieten.
POS-Hardware wird modernisiert. Kassen-Terminals haben einen sehr hohen Reifegrad erreicht. Auch die EuroCIS 2019 zeigte: Quer über die einzelnen Hersteller hinweg, von Diebold Nixdorf über Epson, Fujitsu, Posiflex und TCPOS bis zu Toshiba, werden hohe Qualitäten geboten. Die Geräte werden um noch ein paar Zentimeter kompakter, sie arbeiten lüfterlos und sind resistent gegen äußere Einflüsse wie Schmutz und Staub, Stöße und Spritzwasser.
Auch die modernen kapazitiven Touch-Bildschirme erweisen sich als bedienerfreundlich und höchst zuverlässig. Der Stromverbrauch der Prozessoren ist über industrielle Standards minimiert. Jenseits des Preises geht es Händlern daher verstärkt um Optik und Design. Laut EHI erklären 82 Prozent der befragten Händler, dass der „Look“ der Geräte bei der Auswahl eine wichtige Rolle spielt. Hersteller Aures nimmt hier mit seinen Terminals eine Vorreiter-Rolle ein.
Ein weiterer klarer Trend und auf der EuroCIS in vielen Varianten zu sehen: Weil sich Händler speziell in den Fashion- und Lifestyle-Branchen auf mobile Services vorbereiten, sind vermehrt Tablet-Kassen gefragt. Für den stationären Einsatz sind sie in Docking-Station verankert, können daraus aber mit einem Handgriff für mobile Anwendungen entnommen werden.