Klimaneutralität: Im Kreislauf gegen Luftverschmutzung | stores+shops

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Foto: Deemerwha studio/stock.adobe.com

Klimaneutralität: Im Kreislauf gegen Luftverschmutzung

Die Dekarbonisierung bestehender, in vielen Fällen angemieteter Filialen ist für Handelsunternehmen eine Herausforderung. Die Drogeriemarktkette dm setzt dafür unter anderem auf Refurbishment-Konzepte und Kreislauffähigkeit.

Bis 2045 soll der Gebäudebestand in Deutschland nach Vorgaben der Bundesregierung klimaneutral werden. Für ein Unternehmen ist diese Nettonull erreicht, wenn es alle vermeidbaren CO2-Emissionen eliminiert hat und nicht vermeidbare Emissionen mit Maßnahmen kompensiert, die über die eigene Wertschöpfungskette hinausgehen. „Dieses Ziel erreichen Handelsunternehmen nur mit einem umfassenden Dekarbonisierungsfahrplan“, sagt Marco Schönaich, Projektleiter Bau bei dm-Drogeriemarkt. Mit Blick auf Bestandsfilialen ist die Zeit bis 2045 eher knapp. Nach Aussagend es aktuellen EHI-Laden-Monitors haben sich Renovierungszyklen inzwischen wieder deutlich verlängert. 

Den Hebel umlegen

Homogene PVC-Böden, wiederverwendbare Regale und Strahler mit austauschbarem LED-Chip

Homogene PVC-Böden, wiederverwendbare Regale und Strahler mit austauschbarem LED-Chip
Foto: dm-drogeriemarkt GmbH + Co. KG

Seit 2011 arbeitet dm-Drogeriemarkt daran, seine Filialen auf strombasierte Haustechnik umzustellen, die Beleuchtung auf LED umzurüsten und möglichst viel erneuerbaren Strom einzukaufen oder selbst zu produzieren. Bis 2026 möchte das Unternehmen alle seine Märkte auf moderne, nicht fossile Haus- und Energietechnik umstellen und weitere Photovoltaik-Anlagen installieren; dafür investiert der Filialist im Kreislauf gegens Jahr rund 20 Mio. Euro. Ab 2025 sollen darüber hinaus 15 Prozent des Strombedarfs über ein Power-Purchase-Agreement mit einem Offshore-Windpark in der Nordsee gedeckt werden.

Um an möglichst alle Hebel zu gelangen, mit denen sich CO2 bei der Erstellung sowie im Betrieb reduzieren lässt, hat dm-Drogeriemarkt zudem den gesamten baulichen Filialbestand einer Ökobilanz unterzogen. Kriterien wie Robustheit über den Lebenszyklus hinweg, Refurbishment und Kreislauffähigkeit bestimmen seitdem die Beschaffung, erklärt Marco Schönaich. Bei den Bodenbelägen beispielsweise verwendet dm-Drogeriemarkt homogenes PVC statt Verbundstoffen. Bei einer Erneuerung kann der Hersteller die alten Beläge zu Granulat schreddern und daraus wieder einen neuen Boden herstellen. Dieser ist nach Schönaichs Erfahrungen langlebiger als ein aus unterschiedlichen Schichten bestehender Belag, u. a. weil sich Kratzer gut reparieren lassen. Für die Regalierung setzt das Handelsunternehmen auf ein Stecksystem aus Metall, das sich leicht reinigen und in anderer Zusammensetzung oder einer anderen Filiale neu aufstellen lässt; der Ausschuss liegt lediglich bei 10 bis 20 Prozent. Auch für die von dm-Drogeriemarkt selbst entwickelten Strahler gibt es wegen ihrer hohen Wiederverwendbarkeit inzwischen ein Pool-System: Das Design ist zeitlos und schlicht weiß, der Strahler selbst langlebig, da bei einem Ausfall lediglich der LED-Chip getauscht werden muss und nicht die ganze Leuchte.

Wir denken beim Bau schon den Rückbau mit und entwickeln die dafür notwendigen Anleitungen.

Marco Schönaich

Projektleiter Bau | Nachhaltigkeitsmanager Expansion, dm-Drogeriemarkt

Haus und Hülle

Auch in Bezug auf die Haustechnik will dm-Drogeriemarkt nachhaltigere Wege gehen und bei Kälteanlagen darauf achten, dass sich die Kältemittel absaugen und nach der Aufbereitung erneut nutzen lassen. Klima und Lüftung sind getrennte Systeme, damit sie bei einem Defekt auch getrennt repariert werden können. Die Türluftschleier sind updatefähig: Statt eines Austauschs können sie ausgebaut, technisch überarbeitet, über eine Folierung mit einem neuen Design versehen und wieder eingebaut werden. Bei digitalen Lösungen haben sich Schönaich zufolge schon mehrfach die einfacheren Tools als robuster und damit weniger störungs- und wartungsintensiv erwiesen – seien es elektronische Etiketten, die am Regal lediglich befestigt und nicht eingebaut werden, oder sinnvoll simplifizierte Steuerungssystemen für die Haustechnik.

Rund 90 Prozent der in der Bonner Globetrotter-Filiale verbauten Materialien können auch in Zukunft wiederverwendet werden.

Rund 90 Prozent der in der Bonner Globetrotter-Filiale verbauten Materialien können auch in Zukunft wiederverwendet werden.
Foto: Globetrotter

Ein weiteres Thema ist die Gebäudehülle. Deren energetische Qualität und mögliche Sanierungsmaßnahmen werden bei jedem Umbau geprüft. In Aidlingen und Neuried baut das Unternehmen gerade zwei skalierbare Pilotfilialen in Holzbauweise als Muster – um eine möglichst ökologische Form für diese Bauweise zu finden und um Vermietern funktionierende Konzepte vorschlagen zu können. „Wir denken beim Bau schon den Rückbau mit und entwickeln die dafür notwendigen Anleitungen“, so Schönaich. Statt der üblichen kleinteiligen Ständerbauweise beispielsweise, deren Teile wegen der pneumatisch eingeschossenen Nägel und Klammern oft nur noch zersägt und verbrannt werden können, verwendet die Drogeriemarktkette großformatige Module, die sich auseinandernehmen und erneut verbauen lassen.

Alle Materialien der Gebäudehülle sollen sich wieder trennen und sortenrein recyceln lassen. Auch in anderen Bereichen der Testfilialen geht es darum, nachhaltige Baustoffe zu erproben, die dann bei Neu- und Umbauten flächendeckend zum Einsatz kommen können.

Für alle diese Ansätze gilt: Sie sind gesprächsintensiv und bedeuten für die Hersteller mehr Aufwand in der Entwicklung. Andererseits strebt dm-Drogeriemarkt nach eigener Aussage langjährige Geschäftsbeziehungen an und braucht dafür Partner, die für das Anliegen des Unternehmens, ökologischer zu agieren und emissionsminimierende Verträge abzuschließen, ein offenes Ohr haben. Schönaich erklärt: „Kurzfristig gedacht ist es für Unternehmen einfacher, uns ein Standardprodukt zu verkaufen und in zehn Jahren ein neues. Das könnten wir dann aber auch von der Konkurrenz beziehen. Bei gemeinsam entwickelten Refurbishment-Konzepten hingegen können die Hersteller sicher sein, dass es Folgeaufträge gibt.“ Mit derartigen Ideen können sie gegebenenfalls noch weitere Handelsunternehmen gewinnen – das Nettonull-Ziel ist schließlich eine Aufgabe für die gesamte Branche.

Gebäude müssen in Zukunft als Rohstoffquellen für neue Gebäude fungieren. Der Circularity Passport kann ein Management-Tool dafür sein.

Markus Diem

Mitglied der Geschäftsführung, EPEA

Baustoffe mit Pass

Cradle-to-Cradle ist ein Konzept für nachhaltige Kreislaufwirtschaft, bei dem alle Materialien in geschlossenen technischen oder biologischen Kreisläufen fließen. Das in Hamburg ansässige Forschungs- und Beratungsinstitut EPEA untersucht und bewertet seit 2015 auch Gebäude nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip und erstellt für sie Materialpässe mit der Bezeichnung „Circularity Passport® – Buildings“. 2023 kam für die Innenraumgestaltung der „Circularity Passport® – Interiors“ hinzu. „Ziel ist, verschiedene Innenraumgestaltungsansätze hinsichtlich ihres ökologischen Fußabdrucks systematisch zu vergleichen und optimieren zu können und so Abfall zu vermeiden, Ressourcen zu sparen und die Innenraumqualität durch ,gesunde‘ Materialauswahl zu erhöhen“, so EPEA-Geschäftsführer Markus Diem. Den Impuls dazu hatte der „Re:Think“-Store von Globetrotter in Bonn gegeben, für dessen Ausstattung fast ausschließlich Elemente von Vormieter Conrad und aus anderen Filialen des Outdoor-Fachhändlers verwendet wurden. Der EPEA-Analyse zufolge konnten dank des Re-use-Ansatzes im Vergleich zum Schadstoffausstoß, den eine neue Ausstattung des Ladens erzeugt hätte, 97,15 Prozent CO2-Emissionen eingespart werden. Der „Circularity Passport® – Interiors“ beleuchtet neben dem CO2-Fußabdruck auch die gesundheitliche Unbedenklichkeit der Materialien bei der Verarbeitung und während der Nutzung, deren Herkunft und Wiederverwendbarkeit. „Der Pass macht es möglich, die Weiterverwendung und Kreislaufführung von Materialien zu steuern, die zukünftige Demontage und Wiederverwendung zu planen und den CO2-Fußabdruck zu minimieren“, so Diem. „Gebäude müssen in Zukunft als Rohstoffquellen für neue Gebäude fungieren. Der Pass kann ein Management-Tool dafür sein.“

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