Seit November 2010 testet das SB-Warenhaus-Unternehmen Real einen Drive in am Standort Isernhagen-Altwarmbüchen bei Hannover.

Registrieren am Drive in

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Im März 2011 begann die Rewe Group mit dem Rollout eines ähnlichen Konzepts an mehreren Supermarkt-Standorten. Beide Unternehmen betonen, dass es sich dabei nicht um einzelne Pilotprojekte handele, sondern dass mit den Drive ins langfristige Ziele verfolgt würden. Als Vorbilder dienen französische und belgische Lebensmittelhändler, die ihren Kunden seit mehreren Jahren schnellen und bequemen Einkauf per Drive in bieten. Allein der fran-
zösische Konzern Auchan betreibt 60 solcher Drive ins.

Abholen der Ware

Abholen der Ware

Im Gegensatz zum Konzept der Rewe, das bestehenden Supermärkten angegliedert wird, setzt Real auf eine eigenständige Lösung, die ausschließlich Drive-in-Kunden bedient. Begründet wird dies damit, dass in einem kleinen spezialisierten Lager die Bestellungen mit höherer Geschwindigkeit kommissioniert werden können als beim „Picken“ aus der Normalplatzierung eines Supermarktes. Die verkehrsgünstig gelegene Abholstation in unmittelbarer Nähe einer Anschlussstelle an der A2 ist ein erstes Pilotprojekt. Mit der Einführung der Drive-in-Station verfügt Real neben seinen rund 320 Märkten und dem im Mai 2010 gestarteten Real-Onlineshop über einen weiteren Vertriebskanal. Beide Konzepte verknüpfen die Vorteile einer elektronischen Bestellung mit dem Service des stationären Handels.

Durchschnittliche Warenkörbe im Wert von 60 bis 70 Euro

Durchschnittliche Warenkörbe im Wert von 60 bis 70 Euro

Der Kunde hat im Webshop die Auswahl unter rund 5.000 schnelldrehenden Food- und
Nonfood-Artikeln, die komplett im Real Drive-in-Lager geführt werden. Das Sortiment wird entsprechend der Nachfrage und saisonaler Schwerpunkte laufend angepasst, wobei auch neue Kundenwünsche berücksichtigt werden. Die Kunden stellen zu Hause im Webshop ihre Einkaufsliste online zusammen. Die Site ermöglicht eine komfortable Suche, auch gezielt nach bestimmten Kriterien wie zum Beispiel Discount-Artikel, Bio- Ware, laktose- oder glutenfreie Lebensmittel oder saisonale Sortimente, etwa zum Grillen. Praktisch an dieser Webshop-Lösung ist die Speicherung alter Einkaufslisten im System, auf deren Basis der Nutzer neue Einkäufe zusammenstellen kann. „Wir vermeiden Versand- und Zustellgebühren, für eine oder sogar mehrere verschiedene Lieferungen“, sagt Roland Neuwald, Vorsitzender der Real-Geschäftsführung.

Zwei Stunden nach der Online-Bestellung können die Artikel am Drive in abgeholt werden – wenn kein anderer Wunschtermin für die kommenden Tage vereinbart wurde. Am Drive in fährt der Kunde an einem der drei Terminals vor und tippt hier die Bestellnummer ein oder lässt den EAN-Code auf dem ausgedruckten Bestellformular von dem integrierten Scanner einlesen. Der EAN-Code kann auch per Smartphone eingegeben werden. Danach fährt er zu einem der Abhol- und Bezahl-Terminals, wo ihm die vorgepackte Ware ins Fahrzeug geladen wird. Bis auf das Abbuchverfahren sind alle Zahlungsarten möglich, wobei die Kartenzahlung dominiert. Der Anteil der Barzahlung liegt bei nur etwa 30 Prozent. Payback- und Treuepunkte können wie im Real-Markt gesammelt werden. Zielgruppen sind sowohl Familien, die ihren Großeinkauf bequem erledigen wollen, als auch alle anderen Verbraucher, die wenig Zeit und Lust zum Einkaufen haben.

Der erste Real Drive-Markt wird von Drive-Manager Michael Hommel geführt. An zwei großen Monitoren rufen die Mitarbeiter die Bestellungen auf, wobei das System automatisch eine Pickliste generiert, die als PDF ausgedruckt wird. Bei der Konsole handelt es sich um eine Hybris
Management-Konsole, die von Metro Systems angepasst wurde. Die Pickliste ist als Laufplan mit Gang, Fachnummer und Regalboden aufgebaut, mit der der Mitarbeiter die Produkte von ihren festgelegten Lagerplätzen in drei verschiedene Boxen für Trockensortiment, Tiefkühl- und Kühlartikel einsortiert. Besonders schnell drehende Artikel befinden sich vor den Regalen auf Gondelköpfen. Die Boxen mit den kühlpflichtigen Produkten verbleiben bis zur Abholung in ihren Temperaturzonen. Das hat vor allem im Sommer den Vorteil, dass diese Ware nicht längere Zeit ungekühlt im Einkaufswagen liegt, wie es beim normalen Einkauf der Fall ist. Auch wird Obst und Gemüse beim Einsortieren nur ein einziges Mal angefasst und bleibt ebenfalls bis zur Abholung gekühlt. Frische-Produkte werden durchweg im Kühlraum gelagert.

Der Drive in liegt zwar in unmittelbarer Nähe eines Real SB-Warenhauses, wird aber völlig autonom bewirtschaftet, auch bei Bestellungen und Anlieferungen. Wie in jedem Real-Markt erfolgt die Disposition automatisch. Analog zu stationären Märkten findet der Kunde im Webshop des Real Drive nicht nur normalpreisige Ware, sondern auch Sonderangebote. Nach den bisherigen Erfahrungen führen die Kunden beim Surfen im Shop nicht nur Plankäufe aus, sondern tätigen auch viele Impulskäufe. „Typischerweise werden hier auch viele Wocheneinkäufe erledigt“, sagt Michael Hommel. „Dabei sind Bonsummen von 100 bis 150 Euro nichts Außergewöhnliches.“ Es habe sich herausgestellt, dass die Drive-in-Kunden weniger preissensibel einkaufen. Beispielsweise seien Billigbiere weit weniger gefragt als im stationären Real-Markt. Auch über die Kundenstruktur und Frequenzzeiten liegen inzwischen Erfahrungswerte vor. Den Schwerpunkt bilden zurzeit noch jüngere Kunden und Familien, die vor allem tagsüber ihre Einkäufe abholen. Aber auch der Anteil der Männer ist in den letzten Monaten kontinuierlich gewachsen.

Online bestellen – zeitnah abholen

Knapp sechs Monate nach der Eröffnung zählt der Real Drive rund 60 Kunden am Tag. „Inzwischen haben wir einen hohen Anteil an Stammkunden“, so Hommel. Das Drive-in-Pilotprojekt ist nach Aussagen der Real-Geschäftsführung auf einen „langen Zeithorizont“ ausgerichtet und verfolgt die Zielsetzung, weitere Standalone-Drive-in-Standorte zu erschließen. Die Multiplikation nach dem Vorbild des Pilot-Drive-ins ist beschlossene Sache. Real-Sprecher Markus Jablonski: „Wir haben das richtige Sortiment für das richtige Drive-in-System gefunden“.

Die Rewe Group hat Ende März 2011 mit dem Rollout eines Drive-in-Konzepts begonnen. Im Gegensatz zu Real setzen die Kölner aber nicht auf eine eigenständige Lösung, sondern gliedern ausgewählten Filialen eine Drive-in-Abholstation an. Der Start von „Rewe Online“ erfolgte mit drei Märkten im Rhein-Main-Gebiet, Mitte April folgten ein weiterer Markt in Bergisch-Gladbach sowie zwei Märkte in Hamburg. Auch hier läuft das Verfahren in drei Schritten ab: Online bestellen, Abholzeit wählen und an der Drive-in-Station des Marktes die vorkommissionierte Bestellung abholen.

Nach der Online-Bestellung kann der Kunde zum gewünschten Termin an der separaten Abholstation mit extra gekennzeichneten „Drive-Parkplätzen“ am Markt den Einkauf abholen und bezahlen. Auch bei Rewe richtet sich der Abholservice an Käufergruppen, „die zeitsparend und komfortabel“ ihren Einkauf erledigen möchten. Der Bestellprozess ist bei Rewe ebenfalls schnell und unkompliziert. Unter www.rewe-online.de kann sich der Online-Kunde durch das Sortiment des Marktes klicken und seinen Warenkorb zusammenstellen. Das Angebot umfasst das komplette Supermarktsortiment mit den Warengruppen Obst und Gemüse, Molkereiprodukte, Tiefkühlkost, Fleisch- und Wurstwaren, Nährmittel, Getränke, Drogerie und Non-Food. Diese sind zusätzlich nach Themen wie „Frühstück“ sortiert. Das Sortiment wird zu den aktuellen Preisen des jeweiligen Marktes angeboten – auch hier gibt es Sonderangebote. Für den Abholservice berechnet Rewe eine Kommissionierungsgebühr von zwei Euro pro Bestellung, Real nimmt einen Euro.

Rewe Online im Rollout

Bei Rewe Richrath in Köln gibt es Parkplätze speziell für Abholkunden.

Bei Rewe Richrath in Köln gibt es Parkplätze speziell für Abholkunden.

Die Angabe der Abholzeit – frühestens drei Stunden nach Bestellung – schließt den Bestellvorgang ab. Im Markt wird die Ware in einer „Drive Box“ (fünf Euro Pfand) kommissioniert und in den Abholbereich gebracht. Die Einhaltung der Kühlkette ist während des gesamten Prozesses durch eigene Kühlbereiche sichergestellt. Die Ware wird an der gekennzeichneten Ausgabestelle am Markt abgeholt. Auch Rewe akzeptiert alle gängigen Zahlungsmittel. Vorteilskarten und Coupons können ebenfalls eingelöst werden.

Die Pionierarbeit für das Rewe-Drive-in-Konzept hat das Privatunternehmen Rewe Richrath im rheinischen Bergheim geleistet. Bereits im Dezember 2009 haben die Kaufleute Lutz und Peter Richrath, die im Raum Köln/Erftkreis elf Rewe-Supermärkte betreiben, ihren „Rewe Express Drive“ in Köln-Klettenberg eröffnet – Deutschlands ersten Drive in für ein Vollsortiment aus rund 8.000 Artikeln. Einen Lieferservice für online bestellte Ware betrieb Richrath ohnehin schon seit Jahren. Der Express Drive befindet sich in einem vom Markt abgetrennten Lagerraum für Schnelldreher, ausgestattet mit einem PC für die Bestelleingänge Die Shop-Lösung basiert auf dem System des alten Lieferservices. Die gesamte Konzeption, aber auch Detailarbeiten wie Artikelpflege und Programmierung im Internet wurden von Holger Beiter, Geschäftsbereichsleiter Internet-Handel bei Richrath, in Eigenregie entwickelt und durchgeführt. Die Marketingabteilung der Kölner Rewe-Zentrale leistete bei diesem Projekt Unterstützung. Dieser von der Firma Richrath entwickelte „Express Drive“ lieferte dann die Basis für das Drive-in-Konzept der Rewe, wie es derzeit multipliziert wird.

Die für den Drive in ausgewählten Standorte müssen sowohl bei Real als auch bei Rewe vor allem eine gute Verkehrsanbindung haben, um beispielsweise auch für Pendler attraktiv zu sein. Auch eine frequenzstarke Autobahnanbindung ist für beide Konzepte ein Schlüsselkriterium für die Standortwahl. In Hannover zählt Real sogar Fernfahrer aus Berlin zu den Stammkunden.

Real will noch im Sommer einen zweiten Drive-Standort eröffnen, hält sich mit genaueren Angaben aber noch zurück. Geschäftsführer Roland Neuwald: „Wir sind sehr zuversichtlich mit unserem Konzept des eigenständigen Real Drive-Markts und denken, damit eine Antwort auf die Frage geben zu können, wie Lebensmittel in Deutschland online verkauft werden können.“ Rewe treibt die Expansion der Drive ins bereits zügig voran. Inzwischen ist in Hamburg/Bahrenfeld der sechste Markt mit diesem Abholkonzept an den Start gegangen. „Das Potenzial, mit diesem Konzept Kundenbedürfnisse gerade in Ballungsgebieten zu befriedigen, ist hoch“, unterstreicht Lionel Souque, Vorsitzender der Geschäftsführung Rewe Markt GmbH. „Der Faktor Zeit stellt in der heutigen Gesellschaft ein immer knapper werdendes Gut dar. Dieser Entwicklung müssen wir mit neuen Denkansätzen begegnen.“

Fotos: Real SB-Warenhaus (3), Rewe Group (2)

Kontakt: www.real-drive.de , www.rewe-online.de , www.rewe-express.de  

Eigenständige Vertriebsschiene

Karsten Hemmer, Leiter Business Unit Real Online/New Business bei der Real SB-Warenhaus GmbH, ist überzeugt, dass ein eigenständiger Drive-in-Markt gegenüber der Angliederung an einen bestehenden Markt sowohl dem Kunden als auch dem Betreiber Vorteile bietet.

rt: Aus welchen Gründen setzt Real bei seinen Drive-Standorten nur auf Standalone-Lösungen statt auf Angliederung an bestehende Märkte?

HEMMER: Wir sind überzeugt davon, dass Real Drive als eigenständiges Konzept besser funktioniert als eine integrierte Lösung in bereits bestehende Märkte. Der große Vorteil an unserem Drive-Konzept ist die Zeitersparnis. Dies kann unseres Erachtens nach nicht eingehalten werden, wenn unsere Mitarbeiter durch eines unserer bereits bestehenden SB-Warenhäuser laufen, um die Waren für den Kunden zu kommissionieren. Dadurch werden unsere Kunden im stationären Handel während ihres Einkaufs nicht beeinträchtigt. Auf der
relativ kleinen Fläche unseres Drive-Marktes können unsere Mitarbeiter schnell die bestellten Waren kommissionieren und in den entsprechenden Temperaturzonen bis zur Abholung lagern.

rt: Welche Voraussetzungen und Qualitäten muss ein geeigneter Standort mitbringen?

HEMMER: Ein geeigneter Standort für einen Real Drive muss natürlich verkehrsgünstig liegen, beispielsweise in der Nähe von Autobahnauf- und -abfahrten oder auf einer Strecke, die durch Pendler gut frequentiert ist.

rt: Welche Zielsetzungen möchten Sie mit dem Drive-in-Konzept auf Jahressicht erreichen?

HEMMER: Da wir uns derzeit noch in der Testphase befinden, bitten wir um Verständnis, dass wir Ihnen hier keine Angaben nennen können.

Starker Zuwachs

Die Zahl der Deutschen, die Lebensmittel im Internet kaufen, ist im Jahr 2010 sprunghaft angestiegen. 4,5 Millionen Menschen, dreimal soviel wie im Vorjahr, haben solche Online-Angebote genutzt, teilte der Hightech-Verband Bitkom mit. Damit hätten jetzt rund neun Prozent aller Internet-Nutzer in Deutschland schon einmal Lebensmittel online gekauft. Besonders begehrt bei Online-Shoppern sind den Umfrageergebnissen zufolge Delikatessen sowie Tiefkühlkost und Wein.