Unübersichtliche Layouts, komplizierte Produktbeschreibungen, ungünstig positionierte Bilder oder enge Zeilenabstände: Die meisten potenziellen Kunden halten diese Kriterien nicht davon ab, ihr Wunschprodukt in einem Onlineshop zu kaufen.
Selbstbestimmt in der digitalen Welt
Anders sieht es für Menschen mit Einschränkungen aus. Allein fast acht Mio. Deutsche gelten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2019 als schwerbehindert. Für sie und weitere knapp fünf Mio. Menschen mit körperlichen oder kognitiven Handicaps kann die Netzwelt ein selbstbestimmteres Leben bedeuten.
Auch Rot-Grün-Schwächen, Epilepsien und altersbedingt nachlassende motorische Funktionen oder Sehfähigkeiten erfordern einen möglichst niedrigschwelligen Zugang zu digitalen Angeboten.
Sofortmaßnahmen für den Shop
- Vereinfachte Struktur der Webseite und stimmige Navigation
- Einsatz von alternativen Texten für Videos, Bilder und Audios
- Untertitelung von Videos
- Klare Bildsprache mit leicht verständlichen Icons
- Einsatz von starken Kontrasten
- Nutzung klarer Schriftarten
- Ausreichende Schriftgröße
- Einsatz von möglichst einfacher Sprache
Als rechtliche Grundlage, die sich ausdrücklich auch auf den elektronischen Handel bezieht, hat Deutschland im vergangenen Jahr das sogenannte Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) erlassen. Es setzt auf nationaler Ebene die EU-Richtlinie European Accessibility Act (EAA) um, nach der alle Shop-Betreiber spätestens bis Ende Juni 2025 barrierefreie Inhalte anbieten müssen. Ausgenommen sind nur Kleinstunternehmen, die das Gesetz mit weniger als zehn Beschäftigen und einem maximalen Jahresumsatz von höchstens zwei Mio. Euro definiert.
In einem Onlineshop müssen auch dann alle Funktionen und Services uneingeschränkt nutzbar sein, wenn eine visuelle oder körperliche Beeinträchtigung besteht.
Andreas KöningerFür den ganzen Webauftritt gilt: Damit die Kund:innen die Funktionen im Onlineshop möglichst problemlos wahrnehmen und nutzen können, ist eine einfache und gut strukturierte Navigation entscheidend. Hierfür ist die Bedienbarkeit per Tab-Taste statt per Maus oder Touchpad sinnvoll. Der Besucher sollte nicht durch irreführende Werbebotschaften, schnell animierte Banner oder themenfremde Inhalte abgelenkt werden. „Alle interaktiven Elemente einer Website sollten über die Tastatur fokussiert und aktiviert werden können.
Die Integration von Voice-Commerce-Tags für Sprachassistenten wie Apple Siri, Amazon Alexa oder Google Assistant ist ebenfalls eine Überlegung wert“, sagt Anne-Marie Nebe, Expertin für Software-Ergonomie bei T-Systems MMS. Bei der Behebung von Schwachstellen und der barrierefreien Optimierung des Webauftritts können Onlilneshopbetreiber auch auf die Unterstützung externer, auf E-Commerce spezialisierter Agenturen zurückgreifen, die auch technisch anspruchsvolle Konzepte umsetzen können.
Auch abseits der Compliance profitieren Handelsunternehmen durch die Vergrößerung der potenziellen Kundengruppe.
Anne-Marie NebeVertriebspotenzial erhöhen
Die Zeit bis zum Fristende 2025 scheint zwar noch großzügig bemessen, aber nicht nur die gesetzliche Vorgabe ist ein Anreiz zur zügigen Umsetzung der Barrierefreiheit im E-Commerce-Kanal: Durch die Erweiterung des Kundenkreises kann auch ein größeres Vertriebspotenzial genutzt werden. Außerdem können hohe Qualitätsstandards in Bedienbarkeit, Informationsarchitektur und Gestaltung des Onlinehops auch bessere Rankings bei Suchmaschinen wie Google & Co. nach sich ziehen.
Hier werden relevante Inhalte in technisch sauberer und strukturierter Form mit vorderen Platzierungen belohnt, was wiederum mehr Besucher auf die Website holen kann. Ein positiver Nebeneffekt kann auch die verbesserte Wartbarkeit des Online-Auftritts sein; und schließlich trägt ein einheitlicher, klarer Aufbau zur Verringerung der Frustration von Nutzer:innen bei – ganz unabhängig von möglichen Handicaps und Beeinträchtigungen.