Der Kurier-, Express- und Paketmarkt (KEP) in Deutschland ist 2020 zum ersten Mal seit 20 Jahren zweistellig gewachsen. Das Volumen stieg um rund 400 Mio. KEP-Sendungen (+18,6 %), insgesamt wurden mehr als vier Mrd. Pakete transportiert. Diese Ergebnisse liefert die KEP-Studie 2021, die der Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK) im Juni 2021 vorgestellt hat. Ähnlich entwickelte sich auch der Gesamtumsatz der KEP-Branche: Er nahm um 10,5 Prozent zu und lag im vergangenen Jahr bei 23,5 Mrd. Euro. Die Unternehmen beschäftigten 2020 insgesamt 255.200 Mitarbeitende – 10.600 mehr als im Jahr davor. Allein der Branchenführer, die Deutsche Post DHL Group, steigerte ihr deutsches Paketaufkommen auf die neue Rekordmenge von über 1,6 Mrd. Paketen (2019: 1,4 Mrd.).
Der Wachstumstreiber war das B2C-Geschäft im E-Commerce mit dem Endverbraucher. Hier stieg das Sendungsvolumen um 18,6 Prozent. Im B2B-Segment, also dem Versand zwischen Unternehmen, sieht es anders aus: Das Sendungsvolumen sank aufgrund der coronabedingt schwachen wirtschaftlichen Entwicklung 2020 um 5,2 Prozent. Für 2021 prognostiziert die KEP-Studie insgesamt rund 320 Mio. weitere Sendungen. Das entspräche einem Plus von etwa acht Prozent. Die Prognose hat sich damit erhöht: Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde noch ein jährliches Sendungswachstum von rund vier Prozent vorhergesagt.
Die neue – quasi über Nacht verdoppelte – Wachstumsdynamik lässt bei vielen Unternehmen allerdings nicht nur die Champagnerkorken knallen, sondern treibt ihnen auch Sorgenfalten auf die Stirn. „Schneller als erwartet steigende Sendungsmengen verstärken in Ballungsräumen und Innenstädten die Herausforderungen, die mit der Zustellung verbunden sind“, sagt Marten Bosselmann, Vorsitzender des BIEK. „Der Bedarf an innovativen Lösungen für die urbane Logistik steigt.“ Und: Bis 2025 werden 12.000 zusätzliche Beschäftigte benötigt – pro Jahr. Vor der Corona-Pandemie mussten „nur“ rund 7.000 zusätzliche Mitarbeitende gewonnen werden.
Innovative Ansätze
Laut BIEK haben sich die KEP-Unternehmen darauf eingestellt und „investieren massiv in Zukunftsthemen“. Dazu zählen qualifizierte Arbeitskräfte, die Optimierung der Arbeitsbedingungen, Digitalisierungsprozesse, alternative Antriebstechnologien und nicht zuletzt eine nachhaltigere und effizientere Stadtlogistik. All das auch unter dem Druck der EU und der Regierungen, die CO2-Emissionen zu senken. „Nachhaltigkeit wird ein Muss für alle Akteure der Logistikbranche“, heißt es dazu bei DHL.
Entlang der Prozesskette gibt es praktisch überall Stellschrauben. DHL nennt ein Beispiel: „Sperrige Verpackungen führen zu 40 Prozent Leerraum in Paketen. Ein Umdenken ist unumgänglich.“ Deshalb verwenden Unternehmen mittlerweile Software-Lösungen, die das bestmögliche Verhältnis zwischen dem zu versendenden Gegenstand, der Kartonverpackung und den Paletten exakt berechnen und diese Information direkt an den Kommissionierer weiterleiten. Automatisierte Entladeprozesse, Endverpackungsanlagen, Etikettiersysteme und kollaborative Roboter zur Entlastung stehen schon bereit oder werden entwickelt, um dem wachsenden Online-Markt mit einer alternden Arbeitnehmerschaft unter die Arme zu greifen.
In einer DHL-Kundenumfrage im Jahr 2019 gab die Mehrheit der Befragten an, dass die Einführung von nachhaltigem Material ganz oben auf der Liste der Prioritäten hinsichtlich Verpackungen steht. Oft sind es viele kleine Ansätze, die zum Erfolg führen. So steuert Amazon jetzt einen kleinen, aber pfiffigen Beitrag gegen das Verschwenden von Verpackungen bei: Kund:innen können bis zu fünf kleine Elektrogeräte, die sie nicht mehr benötigen, in eine gebrauchte Amazon-Verpackung legen und kostenlos abholen lassen. Die Geräte gehen dann an autorisierte Recycling-Einrichtungen. Nach eigenen Angaben hat Amazon seit 2015 das Gewicht seiner Versandverpackungen um 36 Prozent (Stand Juni 2021) reduziert und mehr als eine Mio. Tonnen Verpackungsmaterial eingespart. Dies entspricht etwa zwei Mrd. Versandkartons.
Eine Blaupause für nachhaltige City-Logistik hat Hermes mit dem Projekt „Green Delivery Berlin“ geschaffen. Der zur Otto-Group gehörende Logistiker hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 in den Innenstadtbereichen der 80 größten deutschen Städte emissionsfrei zuzustellen. Die letzte Meile sei jedoch ein hochkomplexes Spannungsfeld und beim Aufsetzen einer komplett emissionsfreien Zustellung seien viele Faktoren zu berücksichtigen, sagt Pouyan Anvari, Area Manager Berlin bei Hermes Germany. „Neben den geeigneten Fahrzeugen bedarf es zusätzlich einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur und vor allem zentraler Mikrohubs – also kleiner Sendungsumschlagplätze –, die besonders in Innenstadtlagen rar und teuer sind.“
Emissionsfreie Zustellung
In Berlin wurde eine Lösung gefunden. Seit Juni 2021 stellt Hermes auf 40 qkm in der Berliner Innenstadt emissionsfrei zu: Insgesamt mehr als 2,5 Mio. Sendungen sollen so jährlich an 300.000 Haushalte zugestellt werden. Die Einsparung von CO2 wird mit 220 Tonnen veranschlagt. Von drei mit Ökostrom betriebenen zentralen Mikrohubs aus gehen 28 Lastenräder und 14 E-Transporter auf Tour. Diese kleinen Depots werden in Kooperation mit anderen Firmen genutzt. Die Cargobikes legen eine Tourenlänge von jeweils sechs bis acht Kilometern zurück und transportieren 120 bis 130 Sendungen täglich. Unterwegs können die Radfahrer die Akkus bequem austauschen. Dazu kooperiert Hermes mit Swobbee, einem Experten für Akku-Wechselstationen. Bei den Lastenrädern wurde vorher viel getestet und schließlich das aktuelle Modell gemeinsam mit dem Berliner Hersteller ONO zur Marktreife gebracht. Aufgrund der geringen Verkehrsgeschwindigkeit und mancherorts für Transporter gesperrten Straßen seien die Lastenräder in diesen Gebieten sogar effizienter als konventionelle Transporter, so Pouyan Anvari.
Mit solchen und zahlreichen weiteren neuen Ansätzen stellt die KEP-Branche die Weichen für weiteres Wachstum unter nachhaltigen Rahmenbedingungen. Bis 2025 nämlich, so die Prognose des Branchenverbandes BIEK, wird das jährliche Volumen um sieben Prozent p.a. auf dann 5,7 Mrd. Sendungen steigen.
Der Paketmarkt in Zahlen
- Sendungsvolumen 2020 Sprunghafter Anstieg um 400 Mio. Sendungen (+10,9 %) auf 4,05 Mrd. Sendungen
- Pro Tag mehr als 13 Mio. Sendungen an mehr als 8 Mio. Empfänger
- Gesamtumsatz KEP-Branche 2020 23,5 Mrd. Euro (+10,5 %)
- Wachstum Beschäftigte 2020 10.600 neue Jobs
- Prognose 2021 320 Mio. weitere Sendungen, bis 2025 rund 5,7 Mrd. Sendungen
Quelle: BIEK/KEP-Studie 2021