dm-Drogeriemarkt hat Stand September 1.731 Filialen mit Abholstationen ausgestattet, das sind mehr als 80 Prozent aller dm-Märkte in Deutschland. Im Rahmen der Öffnungszeiten können Kund:innen ihre im Onlineshop oder per App bestellten Artikel dort abholen. Zwei bis drei Werktage dauert es, bis der Einkauf zum Abholen bereitsteht. Möglich ist auch eine Express-Abholung ab zwei Stunden nach der Bestellung gegen Gebühr. Das Paketfach öffnet sich nach Scan oder Eintippen eines Codes an der Abholstation, die bis zu 26 Boxen umfassen kann. Die Kosten für den Abholservice sind mit 4,95 Euro pro Paket die gleichen wie bei der Hauszustellung durch Kurierdienste oder Abholung im Paketshop. dm-Drogeriemarkt strebt an, in jedem Markt, in dem es bautechnisch möglich ist, eine Abholstation zu integrieren, „um diesen komfortablen Service zu ermöglichen und unsere dm-Teams in den Märkten mit dem jeweils besten Arbeitsprozess zu entlasten“, sagt Marketing- und Digitalchef Mario Bertsch.
Höherer Durchschnitt
Zwei Jahre nach dm bietet nun auch Wettbewerber Rossmann den Click-and-Collect-Service in vorerst zehn Filialen an. Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Click-and-Collect-Bestellungen sieht das Drogeriemarktunternehmen (4.741 Filialen, davon 2.288 in Deutschland) Potenzial in der Einrichtung von Abholstationen. Der Bestell- und Abholprozess läuft analog zu dm. Mit dem nach der Bestellung erhaltenen Abholcode kann das Paket kontaktlos während der Öffnungszeiten an der zuvor ausgewählten Abholstation in der Filiale entnommen werden. Mitarbeiter:innen sollen entlastet und der Einkaufskomfort auf Kundenseite verbessert werden, heißt es bei Rossmann. Bei einem erfolgreichen Test sollen die Abholstationen zeitnah in weiteren Märkten ausgerollt werden. Ein Hauptgrund für das Engagement dürfte sein, dass Rossmann das Click-and-Collect-Geschäft mit Drogeriewaren nicht dem Hauptwettbewerber überlassen will.
Eine Cross-Channel-Strategie kann sich auszahlen. Laut dm ist der Durchschnittsbon beim Online-Einkauf „signifikant höher“ als beim Einkauf in der stationären Filiale, wo die Kund:innen im Durchschnitt 15 Euro an der Kasse bezahlen. Je mehr Kanäle ein Händler anbietet, desto höher fällt der Gesamtumsatz pro Kund:in aus, wenn er oder sie sowohl stationär als auch online bei diesem Händler einkauft. Dieser Cross-Channel-Effekt gilt erst recht für den Lebensmittelhandel. Online-Kund:innen geben bei Rewe laut E-Commerce-Chef Clemens Bauer pro Einkauf deutlich mehr als 100 Euro aus. Ein Durchschnittswert, der im stationären Einkauf bei Weitem nicht erreicht würde.
Unser Ziel ist, dass Kundinnen und Kunden je nach Lebenssituation möglichst unkompliziert bei uns einkaufen können. Dazu erscheint es uns erstrebenswert, in unseren Märkten, in denen es bautechnisch möglich ist, eine Abholstation zu integrieren, um diesen komfortablen Service zu ermöglichen und unsere Teams mit dem jeweils besten Arbeitsprozess zu entlasten.
Mario BertschDiscounter testet Abholkonzepte
Fast zeitgleich mit Rossmann hat auch Aldi Süd einen Testlauf mit Abholautomaten gestartet. An zwei Standorten in Mülheim a. d. Ruhr sowie auf einem Aldi-Kundenparkplatz in Düsseldorf erprobt der Discounter erstmals Click-and-Collect in Deutschland. Die Boxen sind circa sieben Meter lang und drei Meter breit, das Innere ist gekühlt: Es gibt Frischware und sogar Tiefkühlkost. Da sich die Container außerhalb der Filialen befinden, ist eine Abholung auch nach Ladenschluss möglich. Der Service scheint anzukommen, denn schon wenige Tage nach Testbeginn wurden die Abholzeiten am Abend um drei Stunden bis Mitternacht erweitert. Bestellungen können die Kund:innen über die Plattform Mein-aldi.de aufgeben. Der Mindestbestellwert beträgt 20 Euro, eine Extragebühr wird nicht fällig.
Seit einem Jahr testet Aldi Süd außerdem einen Lieferservice mit E-Fahrzeugen im Ruhrgebiet. Alle Testläufe seien zeitlich und regional begrenzt, betont das Unternehmen und verweist auf ähnlich gelagerte Versuchsprojekte im Ausland. In Großbritannien wurde die Zahl der Click-and-Collect-Stationen von anfangs 200 auf 177 Abholstationen zurückgefahren, berichtete das englische Fachmagazin The Grocer im März dieses Jahres. Rewe stattete als Pionier der Branche bereits im Frühjahr 2011 erste Märkte im Rhein-Main-Gebiet und Köln mit Abholservice („Rewe Drive“) aus. Heute bieten über 1.900 Rewe-Märkte Abholtheken für online bestellte Lebensmittel als Ergänzung für den stationären Einkauf im Markt an.
Als zusätzliche Variante des Click-and-Collect-Service betreibt Rewe derzeit 15 marktunabhängige Abholstationen in deutschen Großstädten, hauptsächlich in Berlin und Köln. Dort können online bestellte Lebensmittel fertig gepackt zur Wunschzeit abgeholt werden. Die rund um die Uhr zugänglichen Boxen sind mit unterschiedlich temperierten Fächern ausgestattet, sodass der Einkauf häufig auf mehrere Fächer verteilt wird. Die Warenversorgung erfolgt über die zentralen Fulfillment-Center durch die Fahrer des Rewe-Lieferservices. Den Handling-Aufwand und die Energiekosten für den Betrieb der temperierten Abholboxen nimmt der Händler dabei in Kauf. Rewe sieht die Abholstationen nicht als Ersatz für den marktgebundenen Abholservice, sondern als zusätzlichen Dienst für die Kundschaft.
„In den kommenden Monaten werden wir ausgewählte Stationen, vorzugsweise ältere Modelle, zeitweise abbauen und technologisch und prozessual weiterentwickeln“, heißt es bei Rewe. Festhalten will Rewe auch an einem weiteren Click-and-Collect- Service: dem Rewe-Abholpunkt. Vor zweieinhalb Jahren wurden an zwei Teststandorten in Hamburg Ladenlokale für die Abholung online bestellter Lebensmittel angemietet. Diese sind aus wirtschaftlichen Gründen mittlerweile nicht mehr am Netz, dafür wurde gerade ein neuer Standort in der Hamburger Hafen-City in Betrieb genommen.
Lieferservice als wichtiges Standbein
Mit seinem E-Food-Geschäft ist der Kölner Lebensmittelhändler Marktführer in Deutschland. Tragende Säule des E-Commerce-Geschäfts ist der Lieferservice, mit dem heute nach eigenen Angaben knapp die Hälfte aller deutschen Haushalte erreicht wird. Im Expresssegment („Quick Commerce“) arbeitet Rewe mit Online-Pure-Playern zusammen. Neben dem Berliner Start-up Flink, an dem Rewe eine Minderheitsbeteiligung hält, kooperiert Rewe neuerdings auch mit der Essensbestellplattform Lieferando. In 40 Städten sollen sich Online-Kund:innen in weniger als einer Stunde mit Rewe-Produkten beliefern lassen können. Verfügbar ist der Service in der Lieferando-App oder auf der Website.
Auch der Edeka-Verbund verfolgt eine mehrgleisige E-Commerce-Strategie. Online-Bestellungen aus dem Lebensmitteltrockensortiment werden von der Edeka Region Südwest über die zentrale Webplattform „Edeka24“ abgewickelt. Der Einkauf wird innerhalb von zwei bis fünf Werktagen deutschlandweit per Kurierdienst nach Hause geliefert. Das Click-and-Collect-Geschäft von Edeka läuft mit Unterstützung der regionalen Genossenschaften größtenteils über die Edeka-Händler auf lokaler Ebene. Neben den eigenen Online-Aktivitäten hält Edeka an der Kooperation mit dem Lieferdienst Picnic fest.
Der norddeutsche Lebensmittelfilialist Bünting bietet seinen Abholservice an über 100 Standorten an. Zukünftig soll Click-and-Collect in allen 198 Combi- und 20 Famila-Märkten möglich sein, gibt das Unternehmen auf Anfrage bekannt. Der Bünting-Lieferservice wird im Verbreitungsgebiet mit eige- nen Fahrzeugen organisiert, die über Combi.de eingehenden Aufträge werden am Büntinger Zentrallager in Nortmoor kommissioniert. Zudem kooperiert Bünting mit weiteren Logistikpartnern, um den Lieferservice deutschlandweit anbieten zu können.
„Krücke aus der Digitalisierungssteinzeit“
Nach Meinung von E-Food-Experte Matthias Schu ergeben Click-and-Collect-Konzepte primär an Orten Sinn, wo kein ausreichendes Lieferangebot für Lebensmittel vorhanden ist.
Der E-Commerce mit Lebensmitteln tut sich in Deutschland nach wie vor schwer. Der Marktanteil von 2,9 Prozent liegt teilweise deutlich unter dem Wert, den Wirtschaftsverbände und Expert:innen noch vor der Coronakrise prognostiziert hatten. Was sind die Gründe für diese Zurückhaltung?
Meines Erachtens liegt es vor allem am Angebot. E-Food ist ein „asset-heavy“-Business. Es braucht sowohl Zeit als auch einen hohen Kapitaleinsatz, um neue Standorte zu erschließen und diese auszulasten. Zudem hat der Ukrainekrieg schlagartig zu einer Abkühlung der Investitionsbereitschaft für neue Konzepte geführt. Das durch Corona nochmals temporär beschleunigte Wachstum wurde dadurch massiv eingebremst und auf der Zeitachse nach hinten geschoben. Des Weiteren wird der prozentuale E-Food-Anteil durch die schiere Größe des Landes verfälscht. E-Food ist kein Service für das platte Land, sondern für dicht besiedelte Gebiete und deren Agglomerationen. In Städten wie Berlin oder München liegt der E-Food-Anteil bereits zwischen 12 und 15 Prozent.
Große Lebensmittelfilialisten wie Edeka und Rewe intensivieren derzeit ihre Zusammenarbeit mit Online-Pure-Playern, die sich auf die Express-Zustellung von Essensmahlzeiten und Lebensmitteln spezialisiert haben. Kann der LEH künftig auf eigene Lieferservices verzichten?
Ich denke nicht. Eine eigene Auslieferflotte ist ein weiterer persönlicher Touchpoint zur Kundschaft. Auch die mobile, kostenlose Werbung durch die gebrandeten Fahrzeuge führt aus Marketingsicht zu positiven Synergien. Die Einbindung von Plattformdienstleistern wie Lieferando deckt einen anderen Case ab: Das Schaffen eines neuen Touchpoints, um ein weiteres, eher spontanes Einkaufsbedürfnis der eigenen Kundschaft zu befriedigen. Und damit Umsatz im eigenen System zu halten. Zudem bündelt der Plattformpartner Volumen und schafft so auch eine gewisse Effizienz, die man selbst in diesem Case kleiner Warenkörbe kaum kostendeckend abbilden könnte.
Wie ordnen Sie die Bedeutung von Abholstationen und insbesondere von Abholboxen im Vergleich zum Lieferservice ein?
Persönlich sehe ich Abholboxen bzw. Click-and-Collect als Krücke aus der Digitalisierungssteinzeit. Click-and-Collect funktioniert primär an den Orten, an denen es kein oder nur ein unzureichendes Lieferangebot gibt.
In der deutschen Discount-Landschaft spielen Click-und-Collect-Konzepte und Lieferdienste noch so gut wie keine Rolle. Wird sich das in Zukunft ändern?
Deutsche Discounter sind für höchste Prozesseffizienz und Kostensensibilität bekannt. Und ebenfalls für eine gewisse Zurückhaltung bei Innovationen, die hohe Anlaufkosten verursachen. Während sich die Schwarz-Gruppe in Bezug auf den deutschen Markt noch abwartend verhält, hat Aldi Süd gerade einen Modelltest gestartet. Mittelfristig gehe ich davon aus, dass beide Unternehmen ebenfalls in die Lieferung von Lebensmitteln voll einsteigen.