Etwa 110.000 bis 115.000 Supermärkte gibt es in Europa. Viele von ihnen verwenden noch immer klimaschädliche Fluorkohlenwasserstoffe (FKW) als Kältemittel. Da sich die verfügbaren Bezugsmengen von FKW im Rahmen der F-Gase-Verordnung der Europäischen Union aber stufenweise verringern und die Kosten dadurch steigen werden, schwenken immer mehr Einzelhändler auf klimafreundliche und energieeffiziente natürliche Kältemittel um. Dazu zählen u.a. die Schwarz- Gruppe (zu der die Unternehmen Lidl und Kaufland gehören), Tesco, Carrefour, die Metro AG und Aldi.
Heute sind die am häufigsten genutzten natürlichen Kältemittel Ammoniak, Kohlendioxide und Kohlenwasserstoffe wie Propan, Isobutan und Propylen (auch bekannt als Propen). Wasser und Luft können ebenfalls als Kältemittel eingesetzt werden. Natürliche Kältemittel bauen die Ozonschicht nicht ab und haben entweder nur einen unwesentlichen direkten Einfluss auf die Erderwärmung oder sogar gar keinen, wie dies bei Ammoniak, Wasser und Luft der Fall ist. Diese Produkte wurden bereits vor den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts als Kühlmittel verwendet, bevor sich Fluorkohlenwasserstoffe durchsetzten.
Fluorkohlenwasserstoffe haben jedoch einen negativen Einfluss auf das Klima. Sie tragen in hohem Maße zur Erderwärmung bei, auch wenn die Ozonschicht nicht abbauen. R134a ist beispielsweise ein FKW, der derzeit die Hälfte der F-Gase ausmacht, die zur Kühlung, für Klimaanlagen und zum Heizen in der EU verwendet werden. Es hat eine atmosphärische Lebensdauer von etwa 14 bis 16 Jahren. Der von Kältemitteln verursachte Schaden wird über einen Zeitraum von 100 Jahren in THP berechnet. THP steht für Treibhauspotenzial und wird als Faktor von Kohlendioxid ausgedrückt, dessen THP auf 1 standardisiert ist. Nach 100 Jahren hat R134a ein THP von 1.430, realitätsnah über einen Zeitraum von 20 Jahren berechnet, liegt das THP bei 3.830.
Die F-Gase-Verordnung der EU
Die neue F-Gase-Verordnung der EU über Fluortreibhausgase wurde im April 2014 verabschiedet und trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Sie ersetzt eine frühere Verordnung über ozonabbauende Stoffe und stärkt die bestehenden Maßnahmen, wobei gleichzeitig zusätzliche Elemente eingeführt wurden. Das Ziel der Verordnung ist die Verringerung von Fluorgasemissionen um 79 Prozent bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu durchschnittlichen Konzentrationen in den Jahren 2009 bis 2012.
Schon jetzt sind gewisse Auswirkungen des Abbaus von FKW zu spüren, dies wird sich in den nächsten drei Jahren verstärken. Die erste deutliche Reduzierung der FKW-Anteile im Jahr 2018 – um 37 Prozent – wird sich auch wesentlich in den Kosten widerspiegeln. Bereits in diesem Jahr umfasst der Abbau jene FKW, die in Geräten wie Eistruhen oder Kühl- und Gefriergeräten für den Handel vorhanden sind. Hersteller und Endnutzer stellen sich darauf ein. Dabei haben manche auch bereits das Verbot ab Januar 2022 im Blick, das für die Verwendung von FKW mit einem THP von mehr als 150 bei Zentralkühlsystemen für Mehrfachpackungen zur gewerblichen Nutzung mit einer Nennleistung von 40 kW gilt, nicht aber für den primären Kältekreislauf von Kaskadensystemen. Dort dürfen Fluortreibhausgase mit einem THP von weniger als 1.500 weiterhin verwendet werden.
Ausstausch kommt voran
Der aktuelle Bericht „F-Gase-Verordnung wirbelt die Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Kältetechnik durcheinander“, der von den Grünen/Europäische Freie Allianz im Europäischen Parlament beauftragt und vom Dienstleister Shecco verfasst wurde, zeigt, dass die Verwendung von natürlichen Kältemitteln im Bereich der gewerblichen Kühlung erheblich zugenommen hat. Demnach gab es Anfang 2016 bereits 8.732 transkritische CO2-Supermarktinstallationen in Europa – damit gemeint sind innovative Systeme, die CO2 ohne einen zweiten Kältekreislauf unter Verwendung von FKW nutzen –, was einen Anstieg von 58 Prozent im Vergleich zu 2013 bedeutete. Während im Jahr 2013 zudem nur 418 Unternehmen in der EU mit Luft, CO2, Kohlenwasserstoffen, Wasser und Ammoniak gearbeitet haben, waren es drei Jahre später 655, ein Anstieg von 36 Prozent.
Paolo Martini, Leiter Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Kältetechnik der Carrefour-Gruppe (weltweit 12.296 Geschäfte), wird in dem Bericht sinngemäß so zitiert: „Wir möchten gerne direkt eine langfristige Lösung finden. Durch die Verwendung von CO2 oder anderen natürlichen Kältemitteln sind wir auch dann auf der sicheren Seite, falls es in zwei oder drei Jahren eine Aktualisierung der F-Gase-Verordnung geben sollte, die weitere Gase begrenzt und die THP-Vorgaben nochmals verschärft.“ Ende 2015 hat Carrefour die CO2-Technologie in 260 Geschäften eingeführt. Im Laufe des Jahres 2016 wurde weiter nachgerüstet. In den Geschäften an wärmeren Standorten wie Spanien und Brasilien wurden schon zuvor CO2-Systeme installiert; dies war der Beweis dafür, dass die Kältetechnik mit CO2 überall effizient eingesetzt werden kann. Carrefour berichtet über durchschnittliche Verbesserungen der Energieeffizienz von 45 Prozent durch die Verwendung von transkritischen CO2-Kühlsystemen zusammen mit Innovationen wie Ejektoren und Parallelkompression gegenüber den standardmäßigen FKW-Installationen, die vorher vorhanden waren.
CO2 als führende Alternative
Weiteres Beispiel: Aldi Süd gewährleistet inzwischen, dass jedes neue Kühlsystem an seinen deutschen Standorten transkritisches CO2 verwendet. Einer Schätzung zufolge sollte bis Ende 2016 fast die Hälfte der 1.860 Geschäfte in Deutschland mit CO2-Kühlsystemen ausgestattet sein. Das hohe Rollout-Tempo ist teilweise auf die Kosteneinsparungen zurückzuführen, die erzielt werden konnten. „Die Investitions- und Wartungskosten für transkritische CO2-Kühlsysteme können mit denen von F-Gase-Kühlsystemen verglichen werden. Die Kosten für das CO2- Kältemittel selbst sind jedoch relativ niedrig“, so Kirsten Geß, Kommunikationsdirektorin bei Aldi Süd, in dem Bericht.
Georgios Patkos, früherer Direktor der technischen Abteilung des belgischen Einzelhändlers Delhaize sagt: „Aktuell ist CO2 das Kältemittel, das am besten zu allen Umwelt- und Energiekriterien passt.“
Der Preis für CO2-Systeme und -Bestandteile wird voraussichtlich weiter sinken, wenn die Anwendung steigt. Verbesserungen der Energieeffizienz als Ergebnis von Technologie-Fortschritten sowie sinkende Ausstattungskosten aufgrund von Degressionsgewinnen tragen zusätzlich dazu bei, die Kosten von CO2-Systemen zu verringern. Advansor zum Beispiel, einer der europäischen Hauptlieferanten von Geräten auf der Grundlage von CO2, konnte eigenen Angaben zufolge die Effizienz seiner Geräte für die Supermarktkühlung zwischen 2008 und 2016 um 25 Prozent steigern, während die Kosten im gleichen Zeitraum um 30 Prozent sanken. FKW gerät zunehmend unter Druck. In Ländern wie Spanien oder Norwegen wurden sogar Steuern auf FKW eingeführt.
Mehrere weitere Optionen
CO2 ist aber nicht das einzige natürliche Kältemittel, das in Geschäften verwendet wird. Kohlenwasserstoffe wie Propan, Propylen und Isobutan sind inzwischen gängige Standardlösungen für steckerfertige „Plug-and-Play“- Kühltheken in Geschäften. Bei diesen handelt es sich um abgeschlossene Kühlsysteme, ähnlich wie die Kühlschränke in Privathaushalten, nur größer. AHT Cooling Systems, ein österreichischer Hersteller von Plug-and-Play- Systemen auf der Grundlage von Kohlenwasserstoff, verkündete im Jahre 2013, dass er jährlich 70.000 Einheiten installiert. Und prognostizierte weiteres Wachstum.
Ein wesentliches Hindernis für eine umfassendere Anwendung von Kohlenwasserstoffen besteht darin, dass die Geräte auf eine Ladung von 150 Gramm begrenzt sind. Somit wird die Kälteleistung verringert, die Kohlenwasserstoffsysteme erreichen können. Daher haben die Europäische Kommission und eine internationale Normungsorganisation empfohlen, die Ladegrenze zu erhöhen. Eine Arbeitsgruppe der internationalen Normungsorganisation – die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) – beginnt mit der Prüfung eines möglichen neuen Standards von 500 g für Plug-and-Play-Kühltheken. Sollte dieser angenommen werden, würde dies den Markt erheblich verändern. Zumal es den Ländern freigestellt ist, über die Vorschläge der IEC hinauszugehen. Das Vereinigte Königreich verwendet schon seit einiger Zeit Ladungen von mehr als 150 g für gewerbliche Kühltheken, wobei einige Einheiten sogar auf 1.000 g kommen.
Der belgische Einzelhändler Colruyt Group (Formate Colruyt, Okay und Bio-Planet) hat sich für eine andere Art der Kühlung entschieden, nämlich mit Kohlenwasserstoffen. Die Gruppe hat damit begonnen, ihre 360 belgischen Geschäfte mit einem Propylenglykol-System nachzurüsten, das alle Theken und den Kühlraum kühlt. Die Verwendung der umweltfreundlichen Lösung unterstützt zugleich dabei, die Emissionen um 10 Prozent zu verringern. Der deutsche Discounter Lidl hat ebenfalls in die Verwendung von Kohlenwasserstoffsystemen investiert. Sie ähneln denen von Colruyt. Seit 2012 hat Lidl 109 Geschäfte mit Kohlenwasserstoffsystemen ausgestattet.
Weltweit Aktivitäten
Die F-Gase-Verordnung der EU zieht derweil Kreise. Das globale Abkommen zum Abbau von FKW, das im Oktober im Rahmen des Montrealer Protokolls in Kigali, Ruanda, geschlossen wurde, wurde von ihr inspiriert. Durch die Kigali-Änderung sollen die FKW in den nächsten 30 Jahren von allen 197 Unterzeichner-Staaten abgebaut werden. „Die F-Gase-Verordnung der EU ist das weltweit beste Programm zur Reduzierung von F-Gase-Emissionen. Diesem Vorbild sollten alle folgen“, findet Glenn Gallagher vom California Air Resources Board, das sich um Klima und Energie in Kalifornien kümmert. In den Vereinigten Staaten wurden bisher 118 transkritische CO2-Systeme und zahlreiche CO2-Kaskadensysteme installiert.
In Japan finanziert das Umweltministerium seit 2014 Projekte mit natürlichen Kältemitteln. Dies hat den Wandel zu natürlichen Kältemitteln deutlich beschleunigt, insbesondere, da das Budget zur Subventionierung von Projekten jedes Jahr ansteigt. Die drei größten Ketten für Convenience Stores in Japan – Lawson, 7-Eleven und Family Mart – verwenden alle CO2-Technologie. Derzeit wird davon ausgegangen, dass es in Japan bereits mehr als 1.800 Geschäfte mit transkritischer CO2-Technologie gibt.
Charlotte McLaughlin ist Reporterin und Klára Skacanová Leiterin für Marktentwicklung bei Shecco, einem weltweit tätigen Unternehmen für Medien, Events und Marktentwicklung, dessen Hauptaugenmerk auf natürlichen Kältemitteln liegt.
Fotos (2): Colruyt, Scott Chasserot
Grafiken: EHI
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