Das Spektrum digitaler Systeme am POS ist bereits sehr groß – aber offenbar noch lange nicht ausgereizt, wie die in rascher Folge im Handel installierten innovativen Lösungen zeigen. Im Lebensmittelhandel weit verbreitet sind Infoterminals, auf denen die Kunden zum Beispiel Rezepte, Inhaltsstoffe bestimmter Produkte oder auch allergen- und glutenfreie Lebensmittel finden können. Auch im Fachhandel liefern diese Systeme produktspezifische Informationen aller Art oder Tipps für die praktische Handhabung, vor allem in DIY-Märkten.
Damit der Charme des stationären Handels auch weiterhin seine besondere Anziehungskraft behält, reicht es nicht aus, exzellente Produkte anzubieten, sie müssen auch brillant in Szene gesetzt werden – zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und so relevant wie möglich für den Kunden.
Jürgen Berens von RautenfeldHinzu kommen die bekannten Digital-Signage-Monitore für Werbung und Informationen aller Art. Im Zuge des Omnichannel-Vertriebs halten zunehmend Instore-Order-Terminals Einzug in die Filialen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „verlängerten“ oder „virtuellen Regal“, da der Kunde hier die gesamte Auswahl (stationär und online) des Einzelhändlers findet und bestellen kann. Immer mehr Händler rüsten ihre Mitarbeiter auf den Flächen auch mit Mobile Devices wie Tablets oder Smartphones aus, mit denen sowohl die Arbeit am Regal als auch die Kundenberatung optimiert werden können. Elektronische Regaletiketten zählen ebenfalls zu den digitalen POS -Systemen.
Eine gemeinsame Komponente verbindet heute praktisch alle diese Systeme, nämlich ein leistungsfähiges Wlan. Eine moderne Wlan-Netzwerkinfrastruktur ist in der Lage, verschiedene Applikationen in Form von virtuellen Netzen abzubilden. Damit lassen sich beliebige Geräte und Systeme online anbinden.
Das virtuelle Regal
Wie die Vernetzung von Online und Offline im stationären Fachgeschäft mithilfe digitaler Systeme organisiert werden kann, zeigt die Schweizer Schuhhandelskette Vögele Shoes. 2017 hat Vögele damit begonnen, in seinen Filialen digitale Infoterminals zu installieren. Die Infopoints verbinden die beiden Einkaufswelten stationär und online. Ist das vom Kunden ausgesuchte Modell nicht in der gewünschten Größe und Farbe in der Filiale erhältlich, kann er den Wunschartikel am Infopoint auswählen und mit wenigen Klicks bestellen: in eine beliebige Filiale oder kostenlos nach Hause. Konzipiert und umgesetzt wurde diese Lösung von dem Stuttgarter Unternehmen Netvico und dem POS -Spezialisten Richnerstutz aus Aargau/Schweiz.
Die Infopoints bei Vögele Shoes erlauben eine schnelle Bestandsabfrage, die dem Verkaufspersonal die Arbeit erleichtert und als Verkaufsunterstützung in Kundengesprächen eingesetzt werden kann. Mit den Infopoints haben die Kunden wiederum überall die komplette Sortimentsauswahl zur Verfügung. So können auch die kleineren Filialen das gesamte Sortiment von über 4.000 Modellen anbieten. „Wir möchten sicherstellen, dass die gewünschten Schuhe in der passenden Größe entweder vorrätig oder online verfügbar sind, damit der Besuch in unseren Filialen immer ein positives Erlebnis ist“, sagt Sabine Schwärzler, Leiterin E-Commerce bei Vögele Shoes.
Auch das Orthopädie-Haus Pudel, Spezialist für Sport- und Laufschuhe, Orthopädie und Bewegungsanalyse mit zwei Filialen in Stuttgart und Ludwigsburg, hat seinen Kundenservice 2017 um digitale Komponenten erweitert. Jetzt können sich die Kunden, darunter auch Spieler des VFB, an Digital-Signage-Bildschirmen über aktuelle Angebote und Neuigkeiten informieren. Gesteuert wird diese Lösung mit der Software „Sovia Retail“ von Bütema. In dem zweistöckigen Geschäft in der Ludwigsburger Innenstadt wurden insgesamt drei Displays installiert. Ein 65 Zoll großer Bildschirm im Schaufenster sorgt bereits bei Passanten für Aufmerksamkeit. Im Erdgeschoss macht ein Display die Kunden auf Angebote und Aktionen aufmerksam, und der dritte Bildschirm im Obergeschoss emotionalisiert mit Produkt- und Werbevideos. Die Mitarbeiter sehen vor allem das einfache Content-Management-System als Pluspunkt. Inhalte können einfach und schnell ausgetauscht und an Neuigkeiten, Preisreduzierungen und besondere Angebote angepasst werden.
Infopoint Smartphone
Zur Palette digitaler POS-Lösungen von Bütema gehört auch der „In Store Assistant“, mit dem die Mitarbeiter im Store auf Smartphones oder iPods Artikel scannen und alle zugehörigen Informationen abrufen können. Bestände in der Filiale, in anderen Filialen oder im Onlineshop, auch Farben, weitere Größen, Cross-Selling-Artikel und Materialhinweise sind „auf Knopfdruck“ verfügbar. Durch die Anbindung an Omnichannel-Prozesse können die Artikel direkt für den Kunden bestellt werden, wahlweise nach Hause oder in die Filiale. Auch Click & Reserve-Artikel können an dem Assistenten eingesehen sowie zur Abholung in der Filiale bestellte Artikel (Click & Collect) an den Kunden ausgegeben werden.
uropaweit setzen Lebensmittehändler wie Carrefour, Edeka oder Rewe auf die Verkaufsunterstützung im Weinsortiment mithilfe digitaler Beratungssysteme von Xplace. Auch hier erleichtert eine vorhandene Wlan-Infrastruktur im Markt den Einsatz. Der Weinberater von Xplace ist ein Terminal, an dem sich die im Markt verfügbaren Weine nach Rebsorten, Geschmacksrichtungen, Erzeugerbetrieb oder Herkunftsländern vorsortieren lassen. Noch einen Schritt weiter geht Xplace mit der Kooperation mit By the Glass, einem Anbieter von Ausschank-Klimatechnik – die klimatisierten Ausschankmöbel werden mit dem digitalen Weinberater verknüpft. Per „Knopfdruck“ am Xplace-Terminal bekommt der Kunde einen Probeschluck des favorisierten Weins und dazu eine Beschreibung zu Herkunft und Geschmack sowie eine passende Verzehrempfehlung.
Neue Wege geht auch die Edeka Minden-Hannover beim Ausbau ihrer digitalen POS-Kommunikation. So wurden mit der Neueröffnung des Marktkauf-SB-Warenhauses in Meppen erstmals ein digitales Regal sowie digitale Ankleidespiegel installiert. Beide Lösungen basieren auf der Software „Prestige Enterprise“, einer Kommunikationsplattform von Online Software, die Edeka bereits für das Management der Thekenbildschirme, Waagen und des Plakat- und Etikettendrucks nutzte. Für die Installation und Wartung der Systeme in den Märkten ist das Partnerunternehmen Nexgen verantwortlich. Das digitale Regal wird in Meppen bei den hochwertigen Spirituosen eingesetzt. Mit Detailinformationen über Herkunft, Geschmack und andere Eigenschaften können Kunden die passende Sorte finden. „Wir möchten den Kunden Produkte näherbringen, die nicht im alltäglichen Einkaufskorb enthalten sind“, sagt Marius Lorenz, der bei Edeka Minden-Hannover für das Projekt „virtuelles Regal“ verantwortlich ist.
Direkt aus dem Lager
In einer weiteren Ausbaustufe soll der Kunde mithilfe des Systems auch Produkte kaufen können, die aus Platzgründen im Regal fehlen, aber im Lager vorhanden sind. Dazu wählt er das Produkt im digitalen Regal, druckt einen Bon aus und holt damit das Produkt an der Kasse, der Information oder der Warenausgabe ab. Lorenz: „Über das virtuelle Regal haben wir die Möglichkeit, unseren Kunden ein besonders breites Sortiment anzubieten. Dies gilt unter anderem für Spirituosen, aber auch für Sortimente mit hohem Platzbedarf wie beispielsweise Weiße Ware.“
In der Textilabteilung setzt Marktkauf in Meppen einen digitalen Spiegel ein. Dessen Technologie ermöglicht es, den Bildschirm sowohl als Spiegel als auch als Monitor zu nutzen. Sobald sich ein Kunde nähert und das System als Spiegel nutzen möchte, verwandelt sich die Oberfläche mithilfe eines Näherungssensors in einen Spiegel. Danach schaltet die Spiegelfläche wieder in den Monitor-Modus und zeigt Angebote und Informationen. In unmittelbarer Nähe der Kunden-Toiletten ist ein weiterer digitaler Spiegel im Einsatz. Hier können die Kunden wenn sie möchten noch einen letzten prüfenden Blick auf ihr Erscheinungsbild werfen. Ansonsten laufen an dieser Stelle vor allem News, Wetter- und allgemeine Marktinformationen. Laut Online Software haben Studien gezeigt, dass genau diese Themen von Kunden alsinteressant und angenehm wahrgenommen werden.
Ein Zukunftsthema, in Ansätzen bereits praxisreif, sind die Technologien Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR). Auf der EuroCIS wurden dazu verschiedene Anwendungen vorgestellt, beispielsweise rund um das Thema Beratung. Die Systeme sind bereits so ausgereift, dass sie den Kunden durch virtuelle, aber authentisch wirkende projizierte Produktwelten führen. Der nächste logische Schritt führt dann zur digitalen Regalverlängerung: Auf jeder noch so kleinen Ladenfläche lässt sich mithilfe von AR- und VR-Systemen ein virtueller Megastore erlebbar machen.
Fotos (4): Intersport, Netvico, Xplace, Demodern – Digital Agency
Weitere Informationen: redaktion@ehi.org
Wlan auf der Fläche: Beliebt beim Kunden
Neben der Steuerung der vielfältigen digitalen Anwendungen im Shop öffnet die Wlan-Technologie auch einen bi-direktionalen Kommunikationskanal zum Kunden: Die Kunden können mit ihren Smartphones über das Wlan der Einkaufsstätte nicht nur im Internet surfen, sondern auch direkt auf die Angebote des Händlers zugreifen, Bestellungen auslösen oder andere Vorgänge wie Click & Collect steuern.
Online Preise vergleichen, Artikeldetails im Webshop aufrufen oder den Ratschlag von Freunden via Messenger einholen – wer in stationären Geschäften auf Shoppingtour ist, verzichtet nur ungern auf Wlan. Rund die Hälfte der Internetnutzer ab 14 Jahren (48 %) wünscht sich beim stationären Shoppen öffentliche Hotspots in den Geschäften. Das hat eine repräsentative Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom ergeben. Demnach ist Wlan im Geschäft vor allem für die junge Zielgruppe von 14 bis 29 Jahren essenziell: Hier äußern zwei Drittel (66 %) den Wunsch, im Laden auf Wlan zugreifen zu können. Bei den 30-49-Jährigen ist es jeder Zweite (49 %), bei den 50-64-Jährigen sind es 39 Prozent, und immerhin ein Viertel der über 65-Jährigen wünscht sich ebenfalls Wlan während der Shoppingtour.
„Wlan ist für die Kundschaft eine wichtige Ergänzung zum analogen Einkaufserlebnis. Besonders für Kunden mit begrenztem Datenvolumen oder in Läden mit baulich bedingten Einschränkungen beim Datenempfang, etwa im Untergeschoss großer Shoppingmalls, ist das Shop-Wlan sinnvoll“, sagt Bitkom-Expertin Julia Miosga. Mit der eigenen Internetpräsenz als Hotspot-Startseite können Händler auch intelligent weitere Services verknüpfen: auf der Homepage zum Beispiel Artikeldetails veröffentlichen oder auf zusätzliche digitale Services in der Filiale hinweisen.