Mit dem Aufkommen von Smartphone, Tablet und Co. hat sich die Grenze zwischen On- und Offline für Verbraucher aufgelöst. Sowohl das Einkaufsverhalten der Konsumenten als auch ihr Anspruch an Kommunikation, Information und Service haben sich verändert. Traditionelle Ladengeschäfte dienen vermehrt dem Anschauen, Anfassen und Testen der gewünschten Ware. Gekauft wird da, wo der größte „Schnapp“ zu machen ist – und das ist oftmals online.
Verstärkt wird der Trend des „Showroomings“ durch den Siegeszug der Smartphones, die den Preisvergleich direkt vor Ort ermöglichen. Die Folge: Der Onlinehandel verzeichnet ein gutes Wachstum. Um 27,2 Prozent soll er laut bvh im vergangenen Jahr zugelegt haben. Viele stationäre Händler antworten mit der Einrichtung eigener Onlineshops. Fraglich ist, ob diese Strategie auf lange Sicht die Lösung ist. Eine andere Herangehensweise besteht darin zu erkennen, welches Potenzial die zunehmende Digitalisierung auch für den stationären Handel birgt.
Die zunehmende Digitalisierung hat auch Potenzial für den stationären Handel.
Felix SchröderTatsächlich stellen die gut informierten, vernetzten Verbraucher eine attraktive Zielgruppe dar. So behauptet eine Studie von Deloitte, dass Kunden, die vor einer Kaufentscheidung auch das Internet zur Produktrecherche nutzen, im Durchschnitt 82 Prozent mehr pro Kauf ausgeben als reine Offline-Käufer.
Assistive Retailer Technology
Die Herausforderung besteht darin, die anspruchsvolle Always-on-Klientel für den Einkauf in physischen Stores zu begeistern. Der Schlüssel dafür ist vernetzte digitale POS-Technologie. Indem Händler die digitale Welt in ihre Store- und Marketingkonzepte integrieren, können sie das Markenerlebnis offline auf ein neues Niveau heben. Sie stärken die traditionellen Vorteile des stationären Handels – also Einkaufserlebnis, unmittelbarer Kauferfolg und persönlicher Service – und beseitigen zugleich Schwächen im Vergleich zum Onlinehandel: geringeres Informationsangebot, geringerer Komfort und höhere Preise.
Aus technologischer Sicht sind der Phantasie dabei kaum noch Grenzen gesetzt. Vielmehr gilt es, sich von alten Instrumenten und Mustern zu verabschieden und ein neues Verständnis von „digitalem Handel“ zu entwickeln, um die vorhandenen Möglichkeiten voll auszuschöpfen. Konkret lassen sich drei Arten digitaler POS-Technologie unterscheiden: Die Assistive Retailer Technology (ART), die Assistive Customer Technology (ACT) sowie Consumer Entertaining Technology (Retailtainment).
Assistive Retailer Technology unterstützt die Verkaufsmitarbeiter dabei, individueller zu beraten und effizienter zu verkaufen. Während des Verkaufsgesprächs liefert die Technik Informationen zum Produktangebot oder zur Einkaufshistorie des jeweiligen Kunden. So arbeitet der Telekommunikationsanbieter o2 mit der für ihn entwickelten „o2 Sales App“. Die Tablet-basierte App unterstützt die Berater bei der Präsentation und Erklärung des Produkt- und Tarif-Angebotes, erfasst die spezifischen Wünsche des Kunden und macht auf Basis einer intelligenten Empfehlungslogik individuelle Produktvorschläge. Zusatzempfehlungen in allen Beratungsabschnitten unterstützen das Cross- und Upselling.
Assistive Customer Technology
Assistive Customer Technology unterstützt die Kunden beim Einkauf. Die Modekette C&A etwa setzt in ihrem Flagshipstore in Sao Paulo vernetzte Kleiderbügel ein, an denen sich ablesen lässt, wieviele „Likes“ das betreffende Kleidungsstück im Internet erhalten hat.
Wer auf die kostspielige Installation von POS-Technologie verzichten möchte, kann sich pragmatisch zunutze machen, was in Deutschland bereits mehr als jeder Dritte permanent bei sich trägt: Smartphones. Apps zur gezielteren Navigation im Laden, zur Bewerbung von Aktionsangeboten oder zum selbstständigen Bezahlen sind kleine Helfer, die das Einkaufserlebnis interessanter machen.
Während ACT und ART vorrangig dazu dienen, Service und Unmittelbarkeit zu stärken, geht es bei Retailtainment-Technologie um die Inszenierung von Markenerlebnissen am POS. Das sollten Erlebnisse sein, die einen hohen Unterhaltungswert haben, weil sie überraschen und faszinieren. So hat die Marke Burberry in London einen voll vernetzten Flagshipstore eröffnet, in dem die Markenwelt mithilfe audiovisueller Installationen zelebriert und sinnlich erlebbar gemacht wird. Ausgelöst von RFID-Chips in ausgewählten Kleidungsstücken verwandeln sich Spiegel in Bildschirme, die exklusives Videomaterial zeigen. Digitale Regenschauer, die über 100 synchronisierte Screens und 500 Lautsprecher durch den Store fegen, erinnern Kunden an das Erbe des Unternehmens – den Trenchcoat – und machen den Einkaufsbummel zum Erlebnis für die Sinne.
Wie bei jeder Marketingmaßnahme gibt es auch für die Einrichtung eines digitalen POS keine Einheitslösung. Grundvoraussetzung für den Erfolg einer digitalen POS-Strategie ist es, den Einsatz von Technologie niemals als Selbstzweck zu betrachten. Eine nette technologische Spielerei mag für den Moment unterhalten, wird jedoch schnell an Reiz verlieren. Ziel muss es daher sein, dem vernetzten Kunden beim Instore-Shopping dauerhaft einen echten Mehrwert zu bieten, für den er sogar mehr zu zahlen bereit ist. Smartphones und Tablets schaffen dabei die Voraussetzung für neue integrierte Shopping-Erlebnisse – eine Chance für Unternehmen, die sich diese Technologien zunutze machen. Die spannende Zukunft des digitalen Handels am POS hat gerade erst begonnen.
Beide Grafiken: Syzygy
Das Whitepaper „Digital at Point of Sale. Reinventing Retail for the Connected Costumer“ kann in englischer Sprache kostenlos heruntergeladen werden: