Mobile Bezahlverfahren sind offenbar im Handel angekommen. Das zeigt die aktuelle „Mobile in Retail“-Studie von GS1 Germany und dem EHI Retail Institute. Zu den Herausforderungen gehört demnach aber, das neue Bezahlverfahren beim Konsumenten bekannt und akzeptiert zu machen – zusätzliche Mehrwertdienste für die Wallet sind gefragt. Das Mobile Couponing, also die Vergabe von Gutscheinen für die elektronische Brieftasche, gilt dabei als Service mit dem größten Potenzial. Die Befragung ergab die Erwartung, dass in den kommenden sechs Jahren das Mobile Couponing herkömmliche Papiergutscheine ablösen soll. Mögliche Wege dieses Wandels diskutierten die Teilnehmer der Mobile in Retail Conference in Berlin.
„Mobile Coupons können mehr sein als eine Rabattaktion via Smartphone“, sagt Dirk Sparenberg von Mozido Corfire. Im Moment konzentriere sich der Handel noch auf die technischen Aspekte der Wallets und Apps, um für die Kunden eine konsistente Usability zu erreichen. In Zukunft könnten diese Anwendungen jedoch eine Brücke zwischen Online- und Offline-Geschäft sein: Während im Onlinehandel viele Daten über Kunden bekannt sind, seien die Kunden im stationären Handel bislang häufig noch bis zur Kasse anonym – oder bleiben es gänzlich. Coupons für das Smartphone machen Sparenberg zufolge auch am POS maßgeschneiderte Marketing-Aktionen zur Kundenbindung möglich – wenn der Coupon genau zu den Kunden passt.
Relevanz für den Endkunden schaffen, das ist auch aus Sicht von Guillaume Mispelbaum von der Telekom der zentrale Punkt. „Die Digitalisierung von Coupons bringt per se erstmal keinen Mehrwert“, gibt er zu bedenken. „Der Kunde ist mittlerweile an Rabatte gewöhnt – und böse, wenn er keine bekommt.“ Diese Spirale bringe dem Handel jedoch weder Nachhaltigkeit noch Loyalität und lasse sich nur mit dem sogenannten Consumer Context durchbrechen. Als Beispiel führte Mispelbaum eine App für eine Reservierung im Restaurant an. Relevanter Kontext sei, diese Funktion beispielsweise mit der Buchung eines Taxis oder mit einem Parkgutschein zu kombinieren.
Tante Emma 2.0
„Tante Emma hat ziemlich viel richtig gemacht: Sie hat ihre Kunden perfekt gekannt“, beschreibt Niels Gutschmidt von Payback den Kontext-Gedanken. Tante Emma 2.0 sei ein Serverraum, da Daten der Schlüssel zu allem seien. Ein wichtiger Unterschied des Mobile Couponing zu Papiergutscheinen: „Bereits während einer Kampagne sind detaillierte Informationen über Kampagnenverlauf, Einkäufe und Zielgruppe möglich“, sagt Thomas Engel von Coupies.
Angesichts der weit verbreiteten Datensensibilität fühlt sich jedoch nicht jeder Kunde damit wohl. 8boxes beispielsweise arbeitet daher nicht auf Basis persönlicher Daten, sondern segmentiert nach dem Kaufverhalten. „Unseren Untersuchungen zufolge ist die Conversion-Rate mehr als doppelt so hoch, wenn bei einer App-Aktivierung keine persönlichen Daten abgefragt werden“, so Gründer Tobias Cvijic.
Eine vollständige Digitalisierung im Coupon-Bereich erwartet Niels Gutschmidt nicht, auch wenn er das Smartphone künftig als zentralen Verknüpfungspunkt für die Kommunikation zwischen Händler und Kunden in Echtzeit sieht. „Der Handel muss alle Formen bedienen und daher auch Coupons über alle Kanäle synchronisieren – offline, online, mobil.“ Aber ohne hohe Reichweiten sei Mobile Couponing nicht möglich.
Durchgängiger Service
„Alle auf einer Plattform – das wird noch lange nicht funktionieren“, meint Valuephone-Chef Stephan Krueger mit Blick auf die Reichweiten. Er erwartet, dass Mobile Payment zum Standard am POS wird. Diese Funktion habe jedoch keinen Einfluss auf die Kundenbindungen und müsse daher nicht händlerspezifisch sein. Bei den anderen Inhalten einer Wallet oder von Händler-Apps sei das anders. Der Kunde werde immer digitaler, entsprechend änderten sich die Ansprüche. Krueger: „Die Herausforderung liegt nicht darin, Mobile Payment oder Couping anzubieten. Es geht darum, ein ganzheitliches digitales und durchgängiges Serviceangebot zu schaffen.“
„Smart Shopper erwarten ein Seamless-Retail-Erlebnis“, meint auch Ulrich Völlmecke von Wincor Nixdorf. Für einen sauberen Couponing-Prozess und andere Wallet-Services seien eine solide Hardware und flexible Softwarelösungen nötig. Im Moment sei es vor allem wichtig, technische Standards für die neuen Anwendungen zu gestalten. Als einen Wunsch nennt Völlmecke beispielsweise die Entwicklung einer O.P.I. (Open Payment Initiative) 2.0, damit Mehrwertdienste reibungslos geräteübergreifend funktionieren. Auch Nitzan Tal von Verifone spricht sich für die Entwicklung von Branchenstandards aus. Nur so ließen sich Akzeptanzprobleme vermeiden und Pilotprojekte besser skalieren.
Einen auch für das Mobile Couponing wichtigen Standard nutzt der Handel bereits im Bereich Payment: „Mit NFC lassen sich alle Couponing-Prozesse leicht implementieren“, sagt Det Gansow von Acardo. Das gelte sowohl für das Smartphone des Kunden als auch für den POS. Der NFC-Chip selbst sei zwar u.a. wegen seines geringen Speichervolumens und der Gefahr von Smartphone-Hacks nicht zur Speicherung von Coupons geeignet. NFC könne jedoch als Übertragungsstandard für ein cloudbasiertes Couponing genutzt werden.
Fotos (2): Edeka (1), Acardo (1)
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