Künstliche Intelligenz (KI) wird die Handelsbranche nach Einschätzung der IT-Entscheider in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den kommenden Jahren maßgeblich verändern. Fast 70 Prozent der 90 Personen, die das EHI für die aktuelle IT-Trendstudie in umfassenden persönlichen Interviews befragt hat, nannten KI bei der offen gestellten Frage nach den wichtigsten technologischen Trends der kommenden Jahre.
Niemals zuvor in der Historie dieser Studie gab es einen derart breiten Konsens bei den Interviewpartnern, was darauf schließen lässt, dass es sich bei KI nicht wie bei so manch anderem Thema in der Vergangenheit um einen reinen Hype, sondern um einen ernst zu nehmenden, dauerhaften Trend handelt.
Die Studienteilnehmer gehen davon aus, dass KI zunächst vor allem im Bereich Predictive Analytics eine tragende Rolle spielen wird. Auch bei der standortspezifischen Waren-Allokation und der dynamischen Preisgestaltung rechnet man mit einem zunehmenden Einfluss künstlicher Intelligenz, ebenso wird Bilderkennungstechnologien eine wachsende Bedeutung zugesprochen.
Ein weiterer zentraler technologischer Trend der nächsten Jahre ist die zunehmende Verbreitung von cloudbasierten Lösungen. Hier ist wie auch bei KI ein sprunghafter Anstieg im Vergleich zur Studie 2017 festzustellen. Nannten seinerzeit nur 16 Prozent der Entscheider Cloud als wichtigen Zukunftstrend, so waren es diesmal 34 Prozent.
Inzwischen gibt es auch im Handel, früher eher als Cloud-skeptische Branche bekannt, zahlreiche Unternehmen, die bei IT-Entscheidungen entweder explizit eine Cloud-first-Strategie definiert haben oder zumindest bei allen wichtigen Projekten die Alternative einer Cloud-Lösung prüfen. Ferner gehen 38 Prozent der Studienteilnehmer davon aus, dass die Bedeutung von Cloud-Diensten im Handel auch in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird.
Teilweise ist diese Entwicklung damit zu begründen, dass manche Lösungen nicht mehr „on premise“ verfügbar sind, als Hauptgründe für die Wahl cloudbasierter Anwendungen werden jedoch eine größere Flexibilität sowie eine bessere Skalierbarkeit der Lösungen genannt.
Omnichannel
Omnichannel als Sammelbegriff für die nahtlose Integration des On- und Offlinegeschäfts war 2017 noch der mit Abstand wichtigste technologische Zukunftstrend. Bei der aktuellen Studie wurde der Begriff noch von 30 Prozent der Teilnehmer genannt, was einem Rückgang von über 20 Prozentpunkten entspricht.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Umsetzung einer Omnichannel-Strategie in vielen Unternehmen inzwischen keine Zukunftsmusik, sondern fester Bestandteil des Tagesgeschäfts ist. Die technologische Basis wurde geschaffen, und zahlreiche Services wie Click & Collect wurden fest etabliert, der zukünftige Fokus liegt auf einer weiteren Optimierung der Prozesse und einer Ausweitung der Services.
Mit Analytics und Mobile Communication folgen im Ranking der Trends zwei Themen, deren Bedeutung im Zeitverlauf der letzten Jahre ungebrochen groß geblieben ist. Mobile Communication bezieht sich dabei sowohl auf die Interaktion mit Devices der Endkunden als auch auf die zunehmende Verlagerung der Mitarbeiterkommunikation auf Mobile Devices.
KI ist im Handel ein sehr ernst zu nehmender Zukunftstrend.
Ulrich SpaanBei der Betrachtung der internen Anwendungs-bereiche ist festzustellen, dass etwa ein Drittel der an der Studie teilnehmenden Unternehmen bereits umfassende Lösungen im Einsatz hat, die den Mitarbeitern den mobilen Zugriff auf zahlreiche Anwendungen abseits der klassischen Warenwirtschaftsfunktionen bieten und in vielen Fällen auch einen aktiven Informationsaustausch mit der Zentrale, anderen Filialen und Mitarbeitern im eigenen Store ermöglichen. Auch der mobile Zugriff auf Kundeninformationen und Loyalty-Programme zur besseren Verkaufsberatung ist bei 33 Prozent der Teilnehmer bereits möglich.
Etwa ein Drittel der befragten Unternehmen plant, in den kommenden Jahren die interne mobile Mitarbeiterkommunikation deutlich auszuweiten und in entsprechende Lösungen zu investieren.
Internet of Things
Spannend ist bei Betrachtung der Frage nach technologischen Zukunftstrends auch ein Blick auf das komplexe Themenfeld Internet of Things (IoT).
Die IT-Entscheider sind bei der Einschätzung der zukünftigen Bedeutung von IoT, vor allem bezogen auf Anwendungen auf Filial-Level, noch recht zurückhaltend. Immerhin 22 Prozent messen dem Trend für die kommenden Jahren sehr hohe Bedeutung zu, meist liegt der Fokus in der Praxis dann auf Anwendungen im Umfeld der Energiesteuerung und des Monitorings bestimmter Komponenten wie Kühlmöbel.
Der detaillierten Auswertung des Fragenkomplexes IoT widmet sich das Whitepaper „Smart Store“, das von EHI und Microsoft in zweiter Auflage ebenfalls zur EuroCIS veröffentlicht wird. Neben den Zukunftstrends fragt das EHI die IT-Entscheider in der Studie regelmäßig nach den wichtigsten Projekten für die kommenden zwei Jahre.
Hier stehen derzeit mehr denn je Basis-Investitionen in Infrastruktur, Warenwirtschaft, Supply Chain Management und Kasse an. Daneben gibt es einen deutlichen Fokus auf dem Ausbau der Omnichannel-Services sowie auf Projekten im Bereich interne mobile Kommunikation, Analytics und CRM-Systeme.
Infrastruktur
Hinter den vielen Nennungen bei Infrastrukturprojekten verbirgt sich oftmals ein umfassender technologischer Umbau der gesamten Unternehmens-IT. Viele aktuell im Einsatz befindliche IT-Architekturen sind nicht oder nur bedingt geeignet, den Herausforderungen einer zunehmend digitalisierten Zukunft mit all ihren Facetten zu genügen.
Beispielsweise planen viele Unternehmen umfassende Investitionen in Netzwerke, um die zeitnahe Verarbeitung großer Datenmengen und die Bereitstellung kritischer Informationen zu ermöglichen. Daneben werden zahlreiche Anwendungen, sofern noch nicht geschehen, in cloudbasierte Anwendungen überführt, um flexibler und schneller agieren zu können.
SAP-geprägte Unternehmen befinden sich vielfach mitten in der Migration auf S/4 HANA, auch dieser Prozess findet sich in den Infrastruktur-Projekten der Studie wieder. Im Bereich der ERP-Systeme stehen auch in den nächsten Jahren in vielen Firmen noch Ablösungen von teilweise seit Jahrzehnten im Einsatz befindlichen Altsystemen an. Oftmals werden in diesem Zusammenhang Individuallösungen durch Standardlösungen ersetzt.
Der prozentuale Wert von Projekten zur Erneuerung von Kassen-Hard- und Software ist zwar im Vergleich zu 2017 leicht gesunken auf nunmehr 36 Prozent, befindet sich aber ungebrochen auf hohem Niveau. Nach wie vor können einige der derzeit im Betrieb befindlichen POS-Lösungen die für eine durchgängige Omnichannel-Strategie benötigten Funktionalitäten nicht ausreichend abdecken.
Auch der weiter fortschreitende Ausbau von Self-Checkout- und Self-Scanning-Lösungen ist an dieser Stelle zu nennen.