Den Preis der günstigeren Banane statt der Bio-Banane bezahlen, Gutscheine und Coupons doppelt, Einzelflaschen statt dem Six-Pack oder die Ware einfach gar nicht scannen – Diebe und Betrüger testen an Self-Checkout- und Self-Scanning-Lösungen allerhand aus, um kriminelle Absichten in die Tat umzusetzen.
Die Angst vor möglichen Inventurdifferenzen hemmt deutsche Einzelhändler jedoch nicht in ihrer Absicht, neue Konzept zu pilotieren oder an den vorhandenen SCO-Lösungen festzuhalten, vielmehr ist eine Sorge sogar unbegründet: 85 Prozent aller Märkte der im Rahmen der EHI-Händlerbefragung „Ladendiebstahl in Verbindung mit Self-Checkout-Systemen“ befragten Unternehmen haben angegeben, keine erhöhten Inventurdifferenzen in ihren Märkten mit Self-Checkout-Lösungen festzustellen. Ladendiebstähle an SCO-Kassen fallen dementsprechend nicht wesentlich höher aus als an bedienten Kassen. Die filialisierten Unternehmen konnten sogar bessere Inventurdifferenzen in rund 40 Prozent ihrer Märkte mit SCO im Vergleich zum Unternehmensdurchschnitt feststellen.
Häufige Präventionsmaßnahmen an SCO-Kassen sind Sichtkontrollen durch Mitarbeiter, Gewichtskontrolle und Kameraüberwachung, oft in Verbindung mit Ausgangsgates. Bei mobilen SCO-Lösungen kommen Stichproben-Kontrollen zum Einsatz, meist per Zufallsauswahl. Hinweise geben zum Beispiel auch ungewöhnliche Artikelkonstellationen oder eine untypische Einkaufskorbgröße. Sogenannte Rescans, also der erneute Scan des Einkaufs durch einen Mitarbeiter finden aber relativ selten statt. „Im Schnitt wird aktuell nur einer von zwanzig Kunden kontrolliert“, sagt Frank Horst, Leiter des Forschungsbereichs Inventurdifferenzen im EHI. Aufmerksames Personal ist der Schlüssel zum Erfolg, um Ladendiebstahl zu vermeiden. Gut geschulte Mitarbeiter an SCO-Kassen können oftmals kriminelle Absichten rechtzeitig erkennen.
Die im Detail doch sehr unterschiedlichen Sicherheitskonzepte sind allesamt geeignet, Ladendiebstähle zu begrenzen, so Frank Horst: „Diebstahlproblematik ist daher kein Entscheidungskriterium für Investitionen in SCO-Lösungen, allerdings sind Inventurdifferenzen das maßgebende Kriterium bei der Bewertung der Ladendiebstähle bei SCO-Systemen.“
Bünting erweitert den Point of Sale um Self-Scanning-Varianten
Im EHI-Webinar berichteten Projekt- und IT-Verantwortliche aus dem Lebensmitteleinzelhandel über ihre Erfahrungen mit Self-Scanning-Anwendungen. Die Bünting AG, im Nordwesten des Landes mit den Ladenformaten Famila und Combi präsent, hatte vor zwei Jahren ihre Kassen-Hardware und -Software komplett erneuert, mit Stammdatenversorgung aus einem zentralen Datenpool und einem zentralen Warenwirtschaftssystem. Die neue Infrastruktur ermöglichte die Aufschaltung verschiedener Varianten von Self-Scanning-Systemen als „zusätzlichen Touchpoint“ in der Kassen-Software. Im Januar 2020 wurde der erste Pilotmarkt mit vier Self-Checkouts (SCO) ausgerüstet, weitere sechs Märkte folgten. Technologie-Partner ist Diebold Nixdorf. In einigen Märkten nutzen bis zu 30 Prozent der Kunden die Self-Checkouts, berichtet Büntings IT-Leiter Arnold Bathmann. Aktuell plane man weitere Installationen bei Neu- und Umbauten.
Seit einem halben Jahr testet Bünting in einem 5.700 qm großen Famila-SB-Warenhaus Self-Scanning mit Industrie-Handhelds, ein weiterer Markt kam im November dazu. Als nächste Stufe plant Bünting die Scanning-Integration in der Smartphone-App der „Moin Card“. Somit kann der Kunde künftig auch mit seinem Handy in den Supermärkten seine Einkäufe selbst scannen. Das Front End der App ist eine Eigenentwicklung, Technologiepartner ist auch hier Diebold Nixdorf. Bei allen Self-Scanning-Varianten setzt Bünting ausschließlich auf bargeldlose Bezahlung. „Exit-Gateways“ am Checkout sind Standard.
Parallel zu den laufenden Self-Scanning-Roll-outs hat Bünting im Sommer den ersten 24/7-Automaten angrenzend zum Combi-City-Markt in Oldenburg in Betrieb genommen. Der ca. 450 qm große Store bietet als Nahversorger ein Lebensmittel-Basissortiment mit Schwerpunkt auf Frischeprodukten und weiteren innenstadtrelevanten Sortimenten an. Direkt nebenan kann der Kunde über ein Kassen- und Bestellterminal an der vollautomatisierten 24/7-Automatenlösung 500 Produkte auch außerhalb der Öffnungszeiten des Marktes auswählen und sie am Terminal bargeldlos mit EC- oder Kreditkarte bezahlen.
Die Artikel werden vollautomatisch kommissioniert und nach Abschluss des Einkaufs direkt ausgegeben. Der Container-Store, der in Zusammenarbeit mit der Firma Wanzl entwickelt wurde, sei für Bünting ein weiterer Touchpoint zum Kunden, sagte Arnold Bathmann.
„tegut… teo“ hat die Kunden im Blick
Der zum Schweizer Migros-Konzern gehörende Lebensmittelhändler Tegut aus Fulda hat mit seinem gerade erst eröffneten digitalen Kleinstladen-Format „tegut…teo“ für viel Furore gesorgt. Der Mini-Shop mit 50 qm und einem Angebot von 950 Artikeln ist konsequent auf Selfservice ausgerichtet und an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr zugänglich. Der Kunde hat drei Möglichkeiten, mit denen er den Store öffnen und seinen Einkauf bezahlen kann.
Die erste ist eine Smartphone-App. Alle 30 Sekunden generiert die App einen neuen QR-Code. Der Kunde hält sein Handy unter den Zutrittsscanner und die Eingangstür öffnet sich. Über die App kann der Kunde die Preise gleich am Regal scannen und auch bezahlen. Die zweite Option ist die Bank- oder Kreditkarte mit NFC-Funktion. Die Tür öffnet sich, indem die Karte am Zugangsterminal neben dem Eingang aufgelegt oder eingesteckt wird. Das Scannen der Einkäufe und ebenso das Bezahlen per Karte erfolgen ausschließlich bargeldlos am Bezahlterminal. Ab dem nächsten Jahr sollen Zugang und Einkaufsabwicklung auch über die neue Tegut-Kundenkarte möglich sein.
Die persönliche Identifizierung des Kunden via Smartphone App oder Kundenkarte und der Einsatz der Kamera- und Sensortechnologie gewährleisten nach den bisherigen Erfahrungen die Sicherheit des Konzepts, sagt Tegut-Projektleiter Sören Gatzweiler. „Da sich der Kunde auf einen für ihn vollkommen neuen Einkaufsprozess einstellen muss, wollten wir ihn nicht mit zusätzlichen Hürden belasten.“ Vier Wochen nach der Eröffnung sei es zu keinen größeren Unregelmäßigkeiten im Warenbestand gekommen. Gatzweiler: „Über die Kameras haben wir die Tätigkeiten am Self-Checkout sehr gut im Blick“.
Tegut hat bereits 2013 mobiles Self-Scanning mit Industrie-Geräten eingeführt und gehört damit neben dem Filialisten Feneberg zu den Pionieren dieser Self-Scanning-Technologie. Die Nutzung dieser Technologie („fluxx“), die derzeit nur noch in einer Filiale angeboten wird, steht nur Inhabern von Kundenkarten offen. Die Inventurdifferenzen seien in den Filialen, wo die Kunden selbst gescannt haben, nicht höher gewesen als in Filialen ohne diese Technik, sagt Thomas Stäb, Leiter Vertrieb Convenience-Märkte und „tegut… teo“ bei Tegut.
EHI Self-Checkout Initiative
Das EHI Retail Institute hat sich seit 2014 zusammen mit Partnern der „EHI Self-Checkout Initiative“ das Ziel gesetzt, interessierten Händlern umfassende Informationen über stationäre Self-Checkout-Systeme und mobile Self-Scanning-Lösungen auf einer neutralen Plattform zur Verfügung zu stellen.