Im Zeitraum Juli 2022 bis Juni 2023 wurden weltweit 390.000 neue Softwareinstallationen gezählt. Das geht aus der Studie „Global POS Software 2023“ hervor, die RBR Data Services (eine Division von Datos Insights) im Dezember 2023 in London veröffentlicht hat. Bis 2028 erwartet das Institut einen Anstieg auf mehr als 400.000 Neuinstallationen pro Jahr – zuzüglich der Updates von Altanwendungen. Als einen starken Treiber dieser Entwicklung identifiziert RBR Data Services den Wettbewerbsdruck im Handel mit der Notwendigkeit, auf den Flächen eine immer größere Range an Kunden-Touchpoints anzuschließen.
Diesen Trend bestätigen namhafte Anbieter von Kassen- und POS-Lösungen. Steve Howells, General Manager DACH bei Toshiba Global Commerce Solutions: „Immer mehr Einzelhändler sind nicht auf der Suche nach einer Kassen-Software, sondern nach Lösungen für die Touchpoints und deren einheitliche Steuerung. Sie führen zum Beispiel Self-Checkout, Click & Collect oder mobile Geräte für Beratung und Bezahlung ein.“ Nicht immer sei dafür ein kompletter Wechsel der Software nötig, so Howells. Die Architektur einiger Einzelhändler erlaube es, die jeweils erforderliche Funktionalität oder das Modul einfach zu integrieren. Bei anderen sei es sinnvoller, eine Plattform einzuführen, die auch später flexibel erweiterbar ist. Aus Sicht von Uli Schäfer, Vorstand Deutsche Retail Services AG (DRS), müssen moderne Kassensysteme flexibel einsetzbar sein, also unterschiedliche Szenarien wie Bedien- und Selbstbedienmodus abbilden, auf der Verkaufsfläche oder im Lieferdienst mobil verfügbar sein sowie Multichannel-Anforderungen wie Click & Collect und die Integration von Kunden-Apps mit Bezahlfunktion unterstützen, ohne eine separate Systemwelt aufsetzen zu müssen. „Bei all der bestehenden Vielfalt und Komplexität ist zu gewährleisten, dass der Betrieb der Systeme mit einem hohen Automatisierungsgrad und entsprechenden Werkzeugen erfolgt“, so Schäfer.
Bei aller bestehenden Vielfalt und Komplexität ist zu gewährleisten, dass der Betrieb der Systeme mit einem hohen Automatisierungsgrad erfolgt.
Uli SchäferAuch aus Sicht von Diebold Nixdorf gibt es einige typische Einflussfaktoren, die bei vielen Projekten den Ausschlag geben. Das kann der Eintritt in neue Geschäftsfelder oder Märkte (Länder) sein, die von der bisherigen Software sprachlich oder fiskalisch nicht unterstützt werden. Neue Anforderungen an Zahlungsmittel, das Aufschalten von Self-Checkout oder Kundenbindungsprogrammen sind ebenso ein Grund für den Austausch wie eine allgemein veraltete Architektur oder der Wille zum Wechsel von einer reinen Inhouse-Lösung zu einem etablierten Marktanbieter. Bei der Auswahl der neuen Lösungen decken sich die Grundanforderungen der Händler weitgehend. „Ob cloud-basiert oder nicht, für Händler ist es wichtig, dass Anpassungen schnell implementiert werden können und die Kassensoftware eine flexible Architektur bietet, um sowohl die sich ständig verändernden Anforderungen der Kund:innen abzudecken als auch neue Geschäftsprozesse schnell abbilden zu können“, skizziert Nino Hörttrich, Head of Global Marketing Retail bei Diebold Nixdorf, die Basics. Danach gehe es ins Detail: Beim Schritt in die Cloud beispielsweise sei eine Offline-Fähigkeit der Kassensoftware essenziell, da so auch bei einem Ausfall der Internetverbindung die Basisprozesse zur Abwicklung einer Transaktion weiterhin in der Filiale verfügbar sind.
Hardware spielt oft weiter mit
Die Frage, ob für neue Funktionen die bestehende Software ausgebaut werden kann oder eine ganz neue Lösung her muss, lässt sich nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich gilt: Je länger eine Software(version) im Einsatz ist, desto höher werden die Aufwände, wenn Neuerungen implementiert werden müssen. „Allerdings gibt es auch hier immer wieder Beispiele von Händlern, die mit verhältnismäßig alten Softwareversionen und wenig Änderungen sehr gut klarkommen“, berichtet Nino Hörttrich aus der Praxis. „Bei anderen sind die Aufwände, neue Anforderungen zu implementieren, ab einem Zeitpunkt so hoch, dass sich der Wechsel auf eine moderne Softwarearchitektur beziehungsweise der Schritt in die Cloud oder ein SaaS-Modell lohnt.“
Auch die Hardware muss nicht bei jedem Projekt erneuert werden. Diebold Nixdorf vertritt die Strategie, die (neuen) Lösungen immer unabhängig von Hard- und Software auf den Markt zu bringen, sodass ein Tausch des bestehenden Equipments bei der Implementierung von neuen Softwarelösungen nicht zwingend notwendig ist.Nach Beobachtung von DRS sind die Anforderungen an die Hardware-Performanz in den letzten fünf Jahren nicht wesentlich gestiegen. „Es kann also davon ausgegangen werden, dass bei Einführung einer neuen Software eine fünf Jahre alte Hardware den Anforderungen genügt“, sagt Uli Schäfer.
Für Händler ist es wichtig, dass Anpassungen schnell implementiert werden können und die Kassensoftware eine flexible Architektur bietet.
Nino HörttrichWoolworth expandiert mit Kassenlösung
Zu den aktuellen Projekten der DRS zählt der Roll-out der stationären Kassenlösung „drs//POS“ bei Woolworth in Deutschland, Österreich und Polen. Das Kaufhausunternehmen expandiert stark und suchte eine neue zukunftsfähige Kassensoftware, die alle branchenspezifischen Anforderungen erfüllt und vor allem mit länderspezifischen Konfigurationen den Anforderungen einer schnellen Expansion innerhalb Europas gerecht wird. Seit Mai 2023 werden Filialen in Polen eröffnet, seit Dezember 2023 auch in Österreich, mit dem Ziel von mehr als 30 Neueröffnungen bis Ende 2024. In Deutschland soll das aktuelle Netz von 700 Filialen jährlich um 100 Standorte erweitert werden. Die Kassenlösung wurde in die vorhandene Systemumgebung integriert. DRS setzt auf den Einsatz von Standardsoftware, die auf bewährter Technik basiert, weil damit „das Projektrisiko ganz entscheidend sinkt“. Weil man sich mit den kurzfristig umgesetzten Installationen in Österreich und Polen als zuverlässiger Partner für europäische Auslandsmärkte bewiesen habe, sei der weitere Roll-out der Lösung bei Woolworth inweiteren Ländern bereits in Planung, teilt DRS mit.
Rossmann führt neue Lösung ein
Im Jahr 2023 hat die Dirk Rossmann GmbH damit begonnen, in den deutschen Filialen eine neue Kassensoftware aufzuspielen. Der Roll-out soll im Herbst 2024 abgeschlossen sein. Die alte Software („storeMate“ von Toshiba TEC), die bei Rossmann bereits 2010 eingeführt wurde, war zwar weiterhin „äußerst zuverlässig und performant, aber einfach nicht mehr zeitgemäß“, erklärt Dr. Cord Erdenberger, Senior Leiter Agile Entwicklung Gruppe Verkaufsstelle IT. Aufgrund der Architekturwaren Anpassungen und insbesondere die dafür erforderliche Softwareverteilung zeitaufwändig. Erdenberger:„In einer Zeit, in der sich Anforderungen an den Handel immer schneller ändern, brauchen wir eine moderne Software, um auf diese Herausforderungen reagieren zu können.“ In einem mehrstufigen Auswahlprozess haben sich die Verantwortlichen bei Rossmann 20 Anbieter mit ihren Softwareprodukten angesehen– und waren am Ende von der Lösung „Korona“ der CombaseAG „am begeistertsten“. Die Software ist keine komplette Neuentwicklung, sondern seit einigen Jahren im Markt etabliert, wird aber ständig weiterentwickelt, insbesondere auch, was die Softwarearchitektur angeht.
Die gesamte Logik liegt zentral in der Cloud. „Dies ermöglicht uns, neue Funktionen per Knopfdruck zu aktivieren, und gibt uns die Geschwindigkeit, die wir brauchen“, so Erdenberger. Die wichtigsten Kernfunktionen sind dennoch offline verfügbar, sodass auch bei einer – in der Praxis seltenen– Störung der Internetanbindung einzelner Filialen die grundlegende Kassierfähigkeit gewährleistet ist und die Kund:innen ihren Einkauf wie gewohnt tätigen können. Viele der neuen Funktionen an der Kasse drehen sich um die Integration der Kunden-App von Rossmann sowie um zahlreiche neue Aktionen, die das Einkaufserlebnis weiter steigern sollen.
Die Cloud-Lösung ermöglicht es uns, neue Funktionen per Knopfdruck zu aktivieren, und gibt uns die Geschwindigkeit, die wir brauchen.
Dr. Cord ErdenbergerNoch näher an der Kundschaft
Gestartet wurde der Roll-out 2023 mit einzelnen Piloten, um zunächst Feedback einzusammeln und Verbesserungen und Optimierungen sowohl an der Software als auch am Umbaukonzept vornehmen zu können. Stand Juli 2024 waren rund zwei Drittel der deutschen Filialen umgebaut. Zum Herbst wird der Roll-out in den insgesamt rund 2.300 Filialen mit etwa 7.500 Kassen abgeschlossen sein. Die Auslandsgesellschaften haben in der Regel eine eigene IT und somit ein eigenes Kassensystem, daher betrifft dieses Projekt nur Deutschland. Da nicht nur die Kassensoftware, sondern auch -hardware getauscht wird und Änderungen am Kassenmöbel erfolgen, setzt Rossmann Teams ein, die abends nach Ladenschluss die Filialen umbauen. Um diese optimal auf die Umstellung vorzubereiten, gibt es für jede Filiale einen Onboarding-Plan. Dieser beinhaltet unter anderem E-Trainings und eine intensive Unterstützung in den ersten Umbautagen.Im Rahmen eines Patensystems begleiten am ersten Tag auch Mitarbeiter:innen aus anderen Filialen, die schon mit dem neuen System arbeiten, die Filiale.
Bei der Modernisierung der Kassenhardware und den Optimierungen an den Kassentischen werden beispielsweise die Kundendisplays deutlich näher zur Kundschaft hin versetzt. In diesem Zuge hat Rossmann auch eine komplett neu entwickelte App zum Bargeldmanagement (Schubladen und Tresorabrechnungen, Wechselgeld) eingeführt. Die SB-Kassen, deren Zahl zügig ausgebaut wird und die bereits in mehr als 700 Filialen im Einsatz sind, erhalten ebenfalls eine neue Software. Grundlage ist wiederum Korona von Combase; die Oberfläche mit dem Kundeninterface ist ein Softwareprodukt von Diebold Nixdorf.
Neue Funktionen per Knopfdruck
Ein wichtiger Aspekt ist die Zukunftsfähigkeit. Die Software Korona bietet mit ihrer Architektur die Möglichkeit, neue Funktionen quasi per Knopfdruck aufzuschalten. „Wir beobachten natürlich die neuen Konzepte im Handel wie Self-Scanning und Scan & Go, smarte Einkaufswagen und auch autonome Stores sehr genau“, sagt Dr. Cord Erdenberger mit Blick auf künftige Herausforderungen für Kassensoftware. Korona bietet mit ihrer flexiblen und zentralen Warenkorbberechnungslogik die entsprechende Grundlage, eben nicht nur an der klassischen Kasse oder an SB-Kassen den Checkout durchzuführen, sondern ist auch für diese neuen Technologien ausgelegt. Zwar ist deren Einführung bei Rossmann derzeit nicht geplant, man sei mit der neuen Kassenlösung „für die Zukunft aber gut aufgestellt“, so Erdenberger.