Die Westfield-Mall im Hamburger Übersee-Quartier gehört derzeit zu den spektakulärsten Einzelhandels-Projekten in Deutschland. Unter den mehr als hundert Geschäften sind viele Fashion-Anbieter, die in Flagship-Stores ihre neuesten Konzepte sowohl in puncto Storedesign, als auch Digitalisierung und Customer Experience präsentieren. Dazu gehört auch das Thema Self-Checkout. Einer der Vorreiter in dieser Hinsicht ist C&A. Der Händler installierte 2019 in Solingen die ersten SCO-Stationen und ist ebenfalls mit einem Flaggschiff im neuen Quartier vertreten, das Ende April eröffnet.
Aktuell können Kund:innen europaweit in 83 Filialen des Händlers an 240 Self-Checkouts ihren Einkauf mit Kartenzahlung selbst abschließen. Die Nutzungsrate liegt nach Angaben von Jochen Probst, Tech Domain Lead Selling& Markets, bei 20 bis 25 Prozent. In dem Ende 2023eröffneten C&A-Store in der Hamburger Mönckebergstraße wurde mit dem Modell „Easy One“ erstmals eine hybride Lösung eingebaut: Sie kann je nach Kundenfrequenz als Selbstbedienungskasse oder als reguläre Kasse eingesetzt werden. „Der selbst durchgeführte Checkout dauert meistens länger als der Bezahlvorgang an den bedienten Kassen. Wenn die Frequenz besonders hoch ist und es zu Wartezeiten kommt, übernehmen unsere Mitarbeitenden den Kassiervorgang. Die Stationen können durch ein paar Handgriffe zu einer Bedienkasse umfunktioniert werden“, erklärt Probst. Die neue1.700 qm große Filiale, die in Kürze im Überseequartier in Hamburg eröffnet wird, erhält neun dieser hybriden SCO-Systeme und verfügt damit erstmals über mehr SCO Terminalsals reguläre Kassen, von denen lediglich fünf vorgesehen sind.
Innovation am Terminal
Bei den aktuell bei C&A implementierten SB-Kassen scannen die Kund:innen die Barcodes auf den Preisschildern der Ware. Die RF-Sicherungsetiketten werden bei Bezahlung automatisch deaktiviert.Lediglich höherpreisige Artikel sind zusätzlich mit einem Hardtag gesichert, das nur von einem Mitarbeitenden entfernt werden kann. In naher Zukunft, so kündigt Probst an,gehöre dieser Prozess der Vergangenheit an. Dann werde der Self-Checkout bei C&A auf RFID basieren. Schon jetzt seien für interne Prozesse alle Artikel mit einem RFID-Etikett ausgestattet, sodass deren Nutzung für den Kassiervorgang und die Warensicherung und -entsicherung in den ersten Filialen bereits für dieses Jahr wahrscheinlich sei. Die Artikel werden dann beim Checkout in eine Box gelegt und automatisch erfasst sowie entsichert. „Das wird den Prozess für die Kundinnen und Kunden deutlich vereinfachen und zu einer noch höheren Akzeptanz führen“, ist Probst überzeugt.
Die Inditex-Gruppe hat ebenfalls für dieses Jahr eine für den spanischen Konzern bedeutsame Innovation in Sachen Warensicherung angekündigt,die das Thema Self-Checkout befeuern soll: Zukünftig werden alle Textilien mit einem waschbaren Softtag ausgestattet, das im Produkt vernäht ist und nach dem Bezahlen automatisch deaktiviert wird. Bei einem Umtausch kann es wieder aktiviert werden. Damit entfällt das Thema Warenentsicherung, ein Pain Point beim Self-Checkout. Bevor die neue Technologie in allen Stores genutzt werden kann, müssen noch deren Ein- und Ausgänge umgerüstet werden. In Deutschland soll dies bis Ende 2024 abgeschlossen sein.
Der Fastfashion-Retailer gehört im Überseequartier mit fünf Stores seiner Marken Zara, Bershka, Pull&Bear, Stradivarius und Qysho zu den Großmietern und wird dort seine neuesten Instore-Technologien präsentieren. Wie stark das Thema Self-Checkout bei Inditex gepusht wird, lässt sich an den jüngsten Eröffnungen erkennen: In dem neuen Zara-Megastore in der Mall of Emirates in Dubai gibt es 27 Selbstbedienungskassen. Außerdem wird dort Pay-and-go angeboten, ein Checkout-Prozess per Smartphonescan, der u. a. auch in der neuen Mailänder Bershka-Filiale von registrierten Kund:innen genutzt werden kann. Bemerkenswert: Im Gegensatz zu anderen Standorten wurden die SCO-Stationen in der italienischen Metropole nicht am Ausgang, sondern mitten auf der Fläche installiert.
Der selbst durchgeführte Checkout dauert meistens länger als der Bezahlvorgang an den bedienten Kassen.
Jochen ProbstFirst Moves
Die H&M-Gruppe ist im Vergleich zu Inditex spät in das Thema Self-Checkout eingestiegen, will aber nach eigener Aussage die Digitalisierung der Stores vorantreiben. In Deutschland wurden erst im vergangenen Jahr die ersten SCO-Terminals installiert. Aktuell kann die Kundschaft bundesweit in 33 Stores an SB-Terminals bezahlen.Hierzu müssen die Preisetiketten per Handscanner erfasst und die Warensicherungen nach Anleitung entfernt werden. H&M-Mitarbeitende unterstützen bei Bedarf. In dem im vergangenen November eröffneten Megastore in München wurden zwölf dieser SB-Kassen installiert. Die Kund:innen können sich kostenpflichtige Papiertüten nehmen und die leeren Bügel ihrer Artikel an Kleiderstangen hängen. Ähnlich wird die Lösung wohl auch in dem neuen Store im Hamburger Überseequartier aussehen.
Zu den First Movern in Sachen SCO gehört hingegen Filialist Uniqlo. Der japanische Mutterkonzern Fast Retailing setzt seit 2013 auf RFID-Etiketten und hat bereits vor fünf Jahren die Uniqlo-Stores in Japan mit Self-Checkout-Lösungen ausgestattet. Bei der neuesten Generation müssen die Kundinnen und Kunden die Waren, ähnlich wie beim französischen Sportfilialisten Decathlon, an den Stationen nur noch in eine Box legen. Die einzelnen Artikel werden dann vom integrierten RFID-Reader erkannt und entsichert. In Deutschland sind alle Filialen mit Self-Checkout-Systemen ausgestattet. Sie werden laut Uniqlo vor allem von jüngeren Konsumierenden genutzt, die mit der Technologie vertraut sind und es vorziehen, bargeldlos zu zahlen. Gerade hierzulande gebe es aber auch viele Kund:innen, die den Service und die persönliche Interaktion an den klassischen Kassen schätzen.
Während die Integration von Selbstbedienungskassen bei vertikal strukturierten Modefilialisten, die ausschließlich Eigenmarken vertreiben und die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren, weiter voranschreitet, ist dies für Multilabel-Geschäfte kein dringendes Thema. „Meines Erachtens sind Self-Checkouts für erlebnisorientierte und beratungsintensive Geschäfte nicht umsetzbar. Den Bezahlprozess unseren Kundinnen und Kunden aufzubürden, fühlt sich nicht richtig an. Nichtsdestotrotz muss dieser Vorgang deutlich vereinfacht werden, um Wartezeiten zu vermeiden“, sagt Helmut Hagner, Unternehmensleiter des bayerischen Unternehmens Frey, das mehrere Modeerlebnishäuser besitzt.
Das Mode- und Sporthaus L&T hat jüngst auf seiner Erdgeschossfläche in Osnabrück einen Test mit mobilen Self-Checkout-Stationen gestartet (stores+shops berichtete in der ersten Ausgabe 2024). Unterstützt durch die Mitarbeitenden können die Kund:innen mit ihren eigenen Smartphones die Etiketten scannen und die Ware per Paypal oder einer anderen Online-Bezahlmethode bezahlen, sofern sie bereits bei L&T registriert sind. Die Mitarbeitenden entfernen nach der Bezahlung die Warensicherung. Bei Peek & Cloppenburg Düsseldorf testet man ebenfalls Tools, mit denen die Kundinnen und Kunden direkt beiden beratenden Mitarbeitenden auf der Fläche auschecken und sich so zukünftig den Gang zur zentralen Abteilungskasse sparen.
Auch der norddeutsche Mode- und Lifestylehändler Pier14 mit Hauptsitz in Ückeritz und 18 Stores an der Ostseeküste treibt die Digitalisierung seiner internen und auch der kundenorientierten Prozesse aktuell massiv voran. Schon heute kann die Kundschaft beim Personal ihren Kauf über mobile Devices abschließen. Geplant sind zudem Online-Checkouts, wo interaktive Screens eine Bestellmöglichkeit für die gewünschten Artikel und eine Home-Lieferung ermöglichen sollen. Noch in diesem Jahr soll die neue Digital-Signage-Lösung ausgerollt werden. Dass die Ware bei Pier14 bereits vollständig RFID-getaggt ist, erleichtert die Umsetzung der Digitalisierungsprojekte. Damit ist der Modehändler vielen seiner Kollegen im Multilabel-Business einen Schritt voraus.