In der Tegut-Filiale am Standort Kaiserwiesen in Fulda wird am Eingang sowie in einigen Zonen des Marktes elektronisch die Kundenfrequenz gemessen. Daraus ermittelt eine Software des IT-Dienstleisters Vitracom auf Basis der durchschnittlichen Verweildauer, wie viele Kunden in 5, 10 oder 15 Minuten am Checkout ankommen werden. Der Marktleiter des hessischen Supermarkt-Filialisten kann somit die Kassen kurzfristig und vorausschauend so besetzen, dass die Wartezeiten der Kunden minimiert werden.
Außerdem unterstützt das System die mittelfristige Planung: Aus der Historie der Frequenzen wird prognostiziert, zu welchen Stunden an welchen Wochentagen welcher Andrang an den Kassen herrschen wird. Auf dieser Basis erstellt der Filialgeschäftsführer seine Kassenbesetzungspläne. „Die Lösung läuft zurzeit als Pilot-Test in dem Fuldaer Tegut-Markt“, berichtet Benjamin Beinroth, Leiter Informationstechnologie bei Tegut.
Wenn sich sinnvolle neue Techniken zur Optimierung unserer Kundenservices anbieten, werden wir sie einsetzen.
Madeleine Bettag
Ebenfalls am Standort Kaiserwiesen testet Tegut in diesem Jahr das Mobile Scanning – als nach Feneberg bundesweit zweiter Händler. „Wir haben uns mit den bayrischen Kollegen ausgetauscht und gehen davon aus, dass das Mobile Scanning eine sehr erfolgversprechende Lösung ist“, sagt Benjamin Beinroth. Tegut arbeitet bei dem Projekt bei den Mobile Devices mit Motorola zusammen, die Software stammt von dem holländischen Dienstleister Revision. Nach einmaligem Akzeptieren der AGBs für das Mobile Scanning kann sich der Kunde am Eingang mit einem Handscanner ausrüsten und seinen Einkauf direkt am Regal registrieren.
Am Checkout bezahlt er seinen Einkauf per Karte an einem Paytower von Wincor Nixdorf, für Barzahlung kann der Kunde aber auch eine bediente Kasse nutzen. „Wir erwarten hohe Kundenakzeptanz und gehen davon aus, dass wir mit dem mobilen SB-Scanning die Kassenabwicklung weiter entzerren können“, so Beinroth.
Die Kasse wird mobil
Prozesse entzerren und beschleunigen: Das bleibt auch in den kommenden Jahren, insbesondere für Unternehmen der FMCG-Branchen, eine Daueraufgabe.
Denn der Kunde von morgen wird lange Wartezeiten noch weniger akzeptieren als heute. Er hat kein Verständnis dafür, wenn vor ihm in der Schlange eventuell Verzögerungen entstehen durch neue Dienste an der Kasse wie das Einlösen von Coupons, Umtausch eines Artikels oder kontaktloses Bezahlen per Chipkarte. Aber auch in allen anderen Handelsbranchen gehört es zum unabdingbaren Service, die Bezahl-Phase so schnell, bequem und persönlich wie möglich zu gestalten. Inwieweit dabei künftig neben Kassenschlangen-Management, mobilem Scannen und stationären SB-Checkouts auch mobiles Kassieren eine Rolle spielen kann, muss sich erweisen. „Bei beratungsintensiven Produkten, etwa im Modegeschäft, wird es im Jahr 2020 vielleicht überhaupt keine oder nur wenige klassische Kassenplätze geben. Stattdessen wickelt der Verkäufer die Bezahlung gleich im Rahmen seines Beratungsgesprächs direkt an seinem Mobilgerät ab“, erläutert Thilo Freund, Geschäftsführer von Micros Retail. Als weitere Einsatzfelder für mobile Kassen sieht Freund auch Sonderverkaufsflächen und Notkassen. Zum Scannen der Produkte werden bei solchen Lösungen Bluetooth-fähige Geräte zum Einsatz kommen, bezahlt wird mittels NFC direkt an den Mobilgeräten. Und den Kassenbon nehmen die Kunden als E-Bon mit nach Hause (siehe Kasten). „All dies wird dazu führen, dass Magnet- und Chipkarten an Bedeutung verlieren und sich Online-Bezahldienste weiter verbreiten“, meint der Micros-Geschäftsführer.
Test bei Douglas
Als erstes großes Handelsunternehmen hat im vergangenen Jahr Parfümerie Douglas den Einstieg in diesen Service getestet. Per iPod 4g konnten die Kundenberaterinnen in 3 Douglas-Filialen relevante POS-Funktionalitäten am Warenregal aufrufen, etwa um die Bestände nach einzelnen Artikeln zu durchsuchen, um Produktinformationen bereitzustellen oder um Gutscheinkarten aufzuladen. Auch der Kassiervorgang wurde über den iPod abgewickelt. Auf einen aufsteckbaren Adapter für die Abwicklung des Bezahlprozesses mit Debit- und Kreditkarten wurde im ersten Schritt verzichtet – die Kunden bezahlten an einem separaten, speziell für diesen Service eingerichteten Terminal.
„Wenn sich sinnvolle neue Techniken zur Optimierung unserer Services anbieten, werden wir sie einsetzen“, sagt Madeleine Bettag, Teamleitung Vertriebsprozesse Frontoffice bei Douglas International. Dazu können in Zukunft neben mobilen Kassen oder der Handy- bzw. Tablet-basierten Kundenberatung auch Anwendungen wie der E-Bon und das Couponing oder die Bezahlung per Smartphone gehören. „Gerade die Anwendungen via Smartphone gewinnen zurzeit immer mehr an Bedeutung. Dabei darf man bei Vorgängen, die sensible Daten verarbeiten, natürlich nicht den Sicherheitsaspekt außer Acht lassen. Vor allem die Zahlung über das Smartphone muss so aufgestellt sein, dass keinerlei Sicherheitsbedenken entstehen und die Technik auch aus Kundensicht vertrauenswürdig ist“, so Madeleine Bettag. Den Test in der Filiale Lüdenscheid hat Douglas zwischenzeitlich beendet. Bettag: „Wir werten die Erfahrungen aus und entscheiden dann, ob und in welchem Umfang wir diesen Service fortführen.“
Fotos: Tegut (1), ITAB (1)
Das Smartphone am Checkout
Mit dem digitalen Couponing und mit dem elektronischen Kassenbon entwickeln sich Einstiegstechniken, die den Kunden an die Nutzung des Smartphone am Checkout heranführen.
Laut EHI-Kassenstudie 2012 planen fast 70 Prozent der Händler, ihre Checkouts auf die technische Abwicklung digitaler Coupons vorzubereiten. Parallel dazu bieten immer mehr Unternehmen ihren Kunden an, sich ihre Kassenbons auf das Smartphone aufspielen zu lassen. Vorreiter für E-Bons in Deutschland waren die Apple-Stores, die ihren Kunden bereits seit 2007 die Rechnungsbelege per Mail auf den heimischen Computer schicken. Seit Herbst 2011 testet ein Euronics-Fachhändler den E-Bon. Eine Initialzündung löste dm-drogerie markt im Herbst 2012 aus. Seitdem können sich die dm-Kunden ihren Kassenzettel per Mail schicken lassen. Der Händler arbeitet dabei mit Payback zusammen – den Service können somit nur Payback-Kartenbesitzer nutzen.
Über das Smartphone läuft dagegen die Anwendung von Nu-Bon, eines mehrheitlich der Otto Group zugehörigen Dienstleisters. Um den Service zu nutzen, müssen Handy-Besitzer die NuBon-App herunterladen und sich mit ihrer Mail-Adresse registrieren. An der Kasse rufen sie das Programm auf. Es generiert einen QR-Code, der vom Kassenpersonal eingescannt wird. So wird der digitale Bon erzeugt und automatisch auf dem NuBon-Server gespeichert. Inzwischen bieten mehrere große Filialisten diesen Service, unter anderem die Schuhhändler Görtz und Deichmann sowie die Modehändler Wöhrl und Snipes.