Insgesamt wurden 71 Teilnehmer befragt. Bei der Frage nach den wichtigsten aktuellen Rahmenbedingungen für die Handelslogistik ergaben sich zwei grundlegende Erkenntnisse: Was die Perspektive des Handels betrifft, haben sich nur geringe Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr ergeben, zum anderen stimmen die Sichtweisen von Handel und Hersteller weitgehend überein. Beide Parteien sind Partner einer gemeinsamen Lieferkette und sehen sich in vielen Bereichen den gleichen Herausforderungen gegenüber, zum Beispiel steigenden Transportkosten, Mangel an qualifiziertem Personal und dem Thema Nachhaltigkeit.
Gegenüber den Vorjahresergebnissen hat aus Handelssicht die konjunkturelle Lage etwas an Bedeutung verloren (im Handel von Platz 9 auf Platz 13 im Ranking gesunken), während Restriktionen bei der Innenstadtbelieferung (neu in den Top-Ten) und steigende Anforderungen an den Verbraucherschutz (von Platz19 auf 8) an Bedeutung zugenommen haben.
Optimierung der Rampenkontakte
Zur Senkung der Transportkosten eignet sich der flächendeckende Umstieg auf alternative Antriebstechnologien für Lkw erst langfristig, da diese Technologien zurzeit noch keine Serienreife erlangt haben und dadurch in puncto Anschaffungs- und Betriebskosten noch nicht konkurrenzfähig sind. Eher konzentrieren sich Handel und Industrie derzeit auf die Optimierung der Rampenkontakte und die Zeitfenstersteuerung im Wareneingang. Hier sind auf beiden Seiten, genau wie bei der Nutzung von Fuhrparkmanagement- und Tourenoptimierungssystemen, bereits hohe Umsetzungsgrade erreicht. 2011 hatten sich 11 Prozent der befragten Händler noch nicht mit Zeitfenstersteuerung beschäftigt, 2012 sind dies nur noch 7 Prozent.
Noch höher fällt der Umsetzungsgrad von Zeitfenster-Steuerungssystemen aus. Doch diese alleine reichen nicht aus, denn nicht wenige Hersteller und Dienstleister bemängeln, dass gewünschte Zeitfenster oftmals nicht verfügbar sind und es weiterhin zu teilweise erheblichen Wartezeiten kommt. Die Handelsunternehmen verweisen auf infrastrukturbedingte Rahmenbedingungen, zum Beispiel die Anzahl der verfügbaren Tore und die sich daraus ergebende maximal mögliche Zahl an Zeitfenstern. Sie fordern im Gegenzug eine flexible Anpassung der Transportzeitmodelle der Hersteller und Dienstleister an die Gegebenheiten ihrer Lagerstandorte.
Auch die Auslastung der Lkw hat sowohl bei den Händlern als auch bei den Herstellern noch Optimierungspotenzial. Im Handel konnte die Auslastung im Vergleich zum Vorjahr geringfügig um 3 auf 78 Prozent erhöht werden, während die erstmalig befragten Hersteller mit ca. 73 Prozent auf einem ähnlichen Level operieren.
Frachtbörsen
„Flexibel bleiben“ lautet eine der Maxime auf beiden Seiten und meint den Umstand, dass jeweils mehr als zwei Drittel der Befragten Outsourcing-Maßnahmen im Fuhrpark forcieren und inzwischen die Vertragslaufzeiten mit Transportdienstleistern auf 2,3 (Hersteller) bzw. 1,5 Jahre (Handel) verkürzt haben. Noch kürzer scheint aufgrund des administrativen Aufwands nicht möglich. Dabei tun sich die Hersteller bei der Nutzung von Frachtbörsenleichter als der Handel (61 Prozent der Hersteller befinden sich in der Umsetzungs- oder Planungsphase gegenüber 40 Prozent im Handel), vermutlich weil die nach wie vor dominierende Belieferung der Handelszentrallager wesentlich standardisierter abläuft und damit für einen Dienstleisterwechsel geeigneter ist als die handelsinternen Transporte zu den Verkaufsstellen.
Daher ist bei den Logistik-Dienstleistern die Nutzung von Frachtbörsen verbreiteter. Cross-Docking-Verfahren scheinen derzeit gegenüber den klassischen Belieferungsformen Zentrallager und Strecke an Bedeutung zu verlieren, denn ihr Anteil im Handel ist innerhalb von einem Jahr von 19 auf 14 Prozent zurückgegangen. Mit dem Aufbau von Logistikstandorten für den Online-Handel befassen sich Logistikdienstleister wesentlich intensiver als die anderen befragten Branchen, die diesen Schritt bisher nicht zu ihren 10 wichtigsten Maßnahmen zählen. Dienstleister wollen sich offensichtlich in diesem noch relativ neuen Segment weiter professionalisieren und dieses Geschäft den übrigen Supply-Chain-Partnern als Komplettdienstleistung anbieten.
Das Konzept der Abhollogistik wird vom Handel stärker präferiert als von den Herstellern. Immerhin befindet sich dieses Konzept bei 81 Prozent der befragten Händler mindestens in der Planungsphase, bei den Herstellern sind es 65 Prozent.
Allerdings dient dieses Konzept vor allem der Reduzierung von Rampenkontakten durch die Bündelung der Anlieferung von kleineren Lieferanten, während bei den großen von einem höheren Anteil an Full-Truck-Loads auszugehen ist, weshalb sich dort ein Umstieg auf Abhollogistik weniger nützlich erweisen dürfte.
Wachsende Dynamik in den Marktstrukturen (jeweils 79 Prozent) und stark schwankendes Nachfrageverhalten (76 Prozent der Händler bzw. 82 Prozent der Hersteller) sind weitere Einflussfaktoren, die auf beiden Seiten für wichtig oder sehr wichtig erachtet werden. Dahinter verbergen sich beispielsweise Sortimentserweiterungen, neue Vertriebskonzepte oder Multi-Channel-Retailing. Diese Faktoren erfordern eine Verbesserung des Informationsflusses zur Stabilisierung der Planungsbasis. Aus diesem Grund haben in den letzten Jahren besonders Forecasting-Systeme sowohl bei Handel (Anwenderquote 95 Prozent) und Hersteller (Anwenderquote 87 Prozent) zumindest das Stadium der Planungsphase erreicht.
Forecasting-Systeme
Lieferantenportale zum Datenaustausch werden ebenfalls vermehrt genutzt, während der Einsatz der RFID-Technologie unverändert auf niedrigem Niveau verharrt. Aktuelle Forschungsprojekte hinsichtlich des Einsatzes von RFID auf Ladungsträgerebene zeigen aber, dass über Einsatzmöglichkeiten von RFID weiterhin nachgedacht wird.
Dass gleichzeitig eine zunehmende Tendenz zur Automatisierung von Lagerabläufen, sowohl auf Handels- als auch Herstellerseite, zu verzeichnen ist, scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zum Faktor schwankendes Nachfrageverhalten zu stehen, welches eher eine höhere Flexibilisierung und Adaptierbarkeit von Lagerungs- und Kommissionierprozessen erfordern würde. Jedoch wirken sich hier besonders die Folgen des demografischen Wandels aus und verstärken die Tendenz zu (Teil-)Automatisierungen der Intralogistik als Reaktion auf den zunehmenden Fachkräftemangel und eine alternde Belegschaft.
In der Erhebung für 2012 wurde die Frage nach dem Status der Automatisierung weiter differenziert, und zwar für die Bereiche Lagerung, innerbetriebliche Prozesse und Kommissionierung. Dabei wird die Automatisierung der Lagerung (78 Prozent) und der innerbetrieblichen Transporte (43 Prozent) in der Industriestärker umgesetzt als im Handel (36 bzw. 38 Prozent). Umgekehrt verhält es sich dagegen bei der Kommissionierung (22 Prozent in der Industrie, 29 Prozent im Handel). Grund: Ein Herstellerverfügt im Vergleich zu einem Händler über ein einheitlicheres Sortiment und einen hohen Grad an artikelreinen Paletten und kommissioniert dagegen wesentlich seltener auf Artikelebene.
Die Trendstudie Logistik kann ab sofort beim EHI bezogen werden. Der zweite Teil der Ergebnisse im nächsten Heft von rt-retailtechnology wird sich mit den Themen Wettbewerb und Kooperation in der Handelslogistik, Ökologie, gesellschaftliche Herausforderungen und neuen Technologien beschäftigen.
Foto: Metro Group
Studie: Trends in der Handelslogistik
Welche Rahmenbedingungen,Trends und Zukunftsperspektiven beherrschen aktuell die Handelslogistik? – Ergebnisse einer gemeinsamen Befragung von EHI und Fraunhofer IML in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aktualisierung der erstmals 2010 durchgeführten Studie.
Weitere Informationen: www.ehi.org/gb/verlag/shop-seiten
Format: 21 x 21 cm, Klebebindung
ISBN: 978-3-87257-384-1
Preis: 395,00 EUR inkl. MwSt. und Versand
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