Die lokalisierte Ansprache von Kunden über mobile Geräte – sogenanntes Proximity Marketing – ist im Grunde die Fortsetzung des Ringens um Aufmerksamkeit mit innovativen, technischen Mitteln. Das besondere Interesse vieler Einzelhändler gilt hier einer noch recht jungen Entwicklung: den Beacons. Diese Bluetooth-basierte Technologie erlaubt es, potenzielle Kaufinteressenten vor dem Geschäft mit einer Push-Nachricht anzusprechen oder mit einem Einkaufscoupon zu einem Besuch im Shop zu motivieren. Das funktioniert durchaus, ist allein aber noch kein tragfähiges Konzept: Denn auf der einen Seite sollten Push-Nachrichten wohl dosiert eingesetzt werden – da Kunden sonst abwehrend reagieren könnten – und auf der anderen Seite bietet die Technologie weit mehr Möglichkeiten.
Beacons sind kein Allheilmittel, erweitern aber als ein neuer Baustein das Spektrum eines integrierten Retailmarketings durch die individuelle Ansprache des Kunden per Smartphone. Zunächst gilt es, Ziele zu definieren, die mit ihrem Einsatz im und um den Shop angestrebt werden. Soll zum Beispiel eine längere Verweildauer erreicht werden oder liegt das Augenmerk eher auf Cross-Selling? Ausgangspunkt für ein Konzept oder einen Case ist stets die Frage: Welchen Vorteil hat der Kunde? Die Informationen oder Interaktionen sollten Kunden den Kauf angenehmer machen. Je nach Ziel und Käufergruppen können dabei Convenience oder Erlebnis im Vordergrund stehen.
Technische Voraussetzung determiniert Zielgruppe
Für die Interaktion mit dem Kunden genügt es noch nicht, Beacons im Laden zu installieren, dazu muss auch die Bluetooth-Funktion auf den Smartphones aktiviert sein. War das früher wegen des sehr hohen Energieverbrauchs eher unüblich, so ist jetzt eine Trendwende zu beobachten: Beacons arbeiten mit der batterieschonenden Bluetooth Low Energy(BLE)-Technologie; etwa zwei Drittel der Android-Smartphones ist bereits mit BLE ausgestattet, beim iPhone kommt sie ab Version 4s zum Einsatz. Da zugleich sowohl Bluetooth-Kopfhörer und -Lautsprecher als auch andere Peripheriegeräte wie Smart Watches mehr Verbreitung finden, haben immer mehr Nutzer Bluetooth durchgehend aktiviert.
Die zweite Voraussetzung ist, dass der Adressat eine entsprechende App des jeweiligen Anbieters auf dem Smartphone installiert. Diese App kommuniziert mit einem zentralen System. Die Beacons in der Nähe senden parallel dazu ihre ID, sodass der Kunde lokalisiert werden kann. Dabei unterscheidet man je nach Reichweite „immediate“ – unmittelbare Nähe, bis auf einige Zentimeter entfernt –, „near“ – im Radius von einigen Metern – oder „far“ – weiter als zehn Meter entfernt. Abgestimmt auf diese lokale Eingrenzung werden Aktionen oder Nachrichten aktiviert und auf das Smartphone gesendet. Eine alternative Technologie zu den iBeacons bietet Google seit dem Jahr 2015 mit Eddystone. Diese nutzt ebenfalls BLE, jedoch statt Apps einen generischen Ansatz. Dabei wird zusätzlich zu den Standortdaten (UID) auch eine Webadresse (URL) mit entsprechenden Informationen gesendet. Diese wird dem Nutzer direkt im Webbrowser angezeigt. Dazu muss keine spezielle App, sondern lediglich Chrome als Webbrowser auf dem Smartphone installiert sein.
Welche Möglichkeiten können nun mit Beacons zusätzlich zur Interaktion mit Interessenten vor einem Geschäft genutzt werden? Ausgehend von der Information „Ein Kunde befindet sich an einer definierten Stelle im Shop“ lassen sich verschiedene Handlungsvarianten ableiten:
- Es können Informationen zu Produkten aktiviert werden, die sich am Standort des Kunden befinden.
- Der Kunde kann dazu animiert werden, von seinem Standort zu einem anderen Punkt zu gehen – durch fortlaufende Ketten lässt sich ein Leitsystem erstellen oder ein Gamification-Ansatz umsetzen.
- Mitarbeiter wissen, wo sich der Kunde befindet, und können gezielt Hilfe anbieten.
Beispiele verdeutlichen, wie diese Optionen kombiniert eingesetzt werden: Hält der Kunde sich über einen längeren Zeitraum in unmittelbarer Nähe bestimmter Produkte auf, kann per App mit Informationen darauf reagiert werden. Grundsätzlich sollten die Aktionen einen Mehrwert bieten, z.B. Informationen beschaffen sowie Produktvergleiche und die Kaufabwicklung vereinfachen.
Kunden werden in jedem Fall Produkte vergleichen – Händler können hier versuchen, durch besseren Service Einfluss zu nehmen. Es geht darum, Handlungen zu antizipieren und durch Automatisierung zu erleichtern. Zum Beispiel sind bei TV-Geräten Zusatzinformationen zu einem Gerät denkbar oder es kann ein Vergleich der letzten drei angeschauten Produkte angeboten werden. Während der Kunde ohne App zuerst die genaue Produktnummer suchen und eingeben müsste, könnte das Gerät direkt weitere Informationen dazu ausgegeben, etwa Ergebnisse aus Produkttests und Rankings. Ein Wegeleitsystem kann auch zum Finden der erwähnten Zubehörteile eingesetzt werden, häufiger wird noch der Gamification-Ansatz genutzt. Eine Möglichkeit wäre, potenzielle Kunden in einem bestimmten Umkreis des Geschäfts zu orten und per Push-Nachricht zu einem Rabatt-Countdown einzuladen: Je früher der Interessent im Shop ankommt, desto höher der Rabatt. Der Zeitpunkt des Eintreffens lässt sich mithilfe der Beacons nachvollziehen, entsprechend erhält der Kunde den ihm zustehenden Rabatt.
In einem anderen Fall testete eine US-Fastfoodkette ein neues Bestellsystem: Statt in der Schlange zu warten, können Kunden vorab bestellen und das Menü wird im Geschäft vorbereitet. Sobald der Kunde ins Restaurant kommt, kann mithilfe der Beacons geortet werden, wo er sitzt – und kann das Essen an den Tisch serviert werden. Das Modell ließe sich auch auf den Einzelhandel, beispielsweise im Fashion-Bereich, übertragen. Im letzten Beispiel deutet sich an, dass auch Änderungen im Verkaufskonzept und im Einsatz der Mitarbeiter erforderlich werden können, wenn man dem Kunden einen Mehrwert bieten möchte. Aber selbst ohne gravierende Änderungen ist die Einbindung der Mitarbeiter eine der wichtigsten Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz von Beacons. Ohne Erklärung fühlen diese sich leicht überwacht, befürchten unerlaubte Datensammlung. In einigen Fällen wurden angebrachte Beacons durch Mitarbeiter sogar wieder entfernt – aus Unkenntnis über Sinn und Zweck. Ziele und Vorteile sollten daher allen Verkäufern und Beratern erläutert werden: Sie müssen wissen, warum Kunden unter Umständen länger mit Smartphones vor den Regalen stehen und welche Informationen Kunden per App erhalten, um bei Fragen oder Rückmeldungen kompetent agieren zu können.
Zusätzlich zu einem durchdachten Konzept und der internen Kommunikation kommt es auch auf die adäquate technische Umsetzung an: Zwar stellt die Installation der Beacons keine technische Hürde dar – sie werden in der Regel einfach aufgeklebt –, die Mini-Sender müssen jedoch entsprechend ausgerichtet werden, um ihre Signale zuverlässig und störungsfrei zu übertragen.
Herausforderung: Beacon Management System
Die eigentliche Herausforderung liegt im Beacon Management System (BMS). Gerade bei größeren Anwendungen müssen alle eingesetzten Beacons übersichtlich zu warten sein. Die richtige Hardware und die passende – auch auf die jeweilige App abgestimmte – Software müssen ausgewählt werden. Da die Entwicklung noch am Anfang steht, gibt es kaum Standards. Die Angebote verschiedener Hersteller sind schwer zu vergleichen und für Außenstehende oft unübersichtlich. Daher empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem auf technische Retail-Lösungen spezialisierten IT-Dienstleister. Sinnvoll ist eine Konsultation bereits in der Konzeptphase, um zu sondieren, welche Ideen mit welchem Aufwand technisch umsetzbar sind. Die Beacon-Technologie kann als ein neuer Baustein im POS-Marketing in Verbindung mit weiteren Maßnahmen gewinnbringend genutzt werden. Bedingungen sind eine ausreichend große Nutzerbasis, ein zielbasiertes und professionell umgesetztes Konzept sowie die Einbindung der Mitarbeiter.
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Autor Philipp Kratochvil ist als Business Development Manager bei der Cancom Didas GmbH tätig.
Weitere Informationen: www.cancom-didas.de