Annäherung an die neue Welt | stores+shops
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Im bayrischen Modehaus Schödlbauer können die Kunden auf das 25.000 Artikel umfassende Hemdensortiment des Schödlbauer-Onlineshops hemdenmeister.de zugreifen. Hier berät Peter Schödlbauer eine Kundin am Touch-Terminal. (Foto: Schödlbauer)

Annäherung an die neue Welt

Handelsunternehmen testen einzelne Anwendungen und suchen ihren individuellen Migrationspfad, um Schritt für Schritt in die Welt der kanalübergreifenden Services vorzudringen. Beispiele aus der nationalen und internationalen Handelsszene.

Doug McMillon, seit Februar neuer CEO des weltgrößten Handelsunternehmens Walmart, will mit Hochdruck an der Verknüpfung von stationärem Geschäft und E-Commerce arbeiten. 10 seiner weltweit rund 476 Mrd. US-Dollar Umsatz machte der US-Händler im Jahr 2013 über das Internet – in diesem Jahr soll dieser Anteil um 27 Prozent auf rund 13 Mrd. Dollar steigen. Im ersten Schritt will Walmart insbesondere die Zahl der Abholstationen für im Internet bestellte Ware in seinen weltweit rund 11.000 Märkten deutlich erhöhen.

Drive-Thru-Konzepte für die Abholung online bestellter Lebensmittel sind sowohl in Frankreich als auch in England schon recht verbreitet, hier bei Asda in UK. (Foto: Asda)

Drive-Thru-Konzepte für die Abholung online bestellter Lebensmittel sind sowohl in Frankreich als auch in England schon recht verbreitet, hier bei Asda in UK. (Foto: Asda)

Konkret abzulesen ist diese Strategie an der britischen Walmart-Tochter Asda. Die Supermarkt-Kette plant, alle rund 570 Märkte mit „Drive Thru“-Stationen auszustatten. Darüber hinaus will das Unternehmen eine Vielzahl von Click & Collect-Stationen einrichten – in den Märkten, aber auch extern an frequenzstarken Standorten wie etwa an U-Bahnhöfen.

Im Food-Handel des Nachbarlandes Frankreich gehören Abholstellen schon fast zum Standard. Intermarché und Système U betreiben jeweils über 500 Click & Collect- bzw. Drive Thru-Stationen, bei Leclerc und Carrefour sind es mehr als 200. In seinem SB-Warenhaus im Pariser Vorort Villeneuve la Garenne erprobt Carrefour weitere vernetzte Kundenservices. So kann der Kunde zu Hause per App seine Einkaufsliste zusammenstellen und die EAN-Codes der einzelnen Produkte registrieren. Auf dieser Basis berechnet die App seine kürzeste Route für das Einsammeln der Artikel im Markt. Mit dem Smartphone kann der Kunde am Regal scannen, an der Kasse kann er anschließend kontaktlos per Karte oder Handy bezahlen.

Volle Transparenz per RFID

Auch international bekannte Unternehmen des Nonfood-Handels bauen kanalübergreifende Anwendungen. Unter den Generalisten zählt Macy’s zu den Vorreitern im Multichannel-Retailing. Die US-Warenhauskette will perspektivisch ihr gesamtes Kernsortiment von den Lieferanten mit RFID-Chips ausstatten lassen. Damit weiß der Händler künftig jederzeit, welcher Artikel in welcher Menge an welchem Ort vorrätig ist. Ob Online-Bestellung und Pick-up im Store oder Bestellung von gerade nicht vorhandenen Artikeln im Store – für alle Varianten des kanalübergreifenden Einkaufs will Macy’s damit die sehr kurzfristige Bereitstellung bzw. die taggleiche Auslieferung der Ware möglich machen. Multichannel-Anwendungen erprobt der Händler auch für sein Marketing. So kommt in einigen größeren Häusern die Beacon-Technik zum Einsatz. Macy’s sendet damit personalisierte Botschaften, Produktempfehlungen und digitale Rabatt-Coupons auf die Smartphones der Kunden.

Bei Marks & Spencer können Kunden an Instore-Terminals bestellen und direkt bezahlen. (Foto: Marks & Spencer)

Bei Marks & Spencer können Kunden an Instore-Terminals bestellen und direkt bezahlen. (Foto: Marks & Spencer)

Smart-Shopping für den Multichannel-Kunden bietet auch Marks & Spencer, britischer Händler mit knapp 1.200 Stores in England und im Ausland. An Kiosk-Terminals können die Kunden bei M&S nach Angeboten aus dem jeweiligen Geschäft suchen und diese mit Debitkarte und Pin direkt bezahlen. Außerdem können sie im M&S-Webshop Artikel bestellen, die im Geschäft gerade nicht zur Verfügung stehen. Rund 700 dieser Terminals (Polytouch-SB-Terminals von Pyramide Computer, Software-Integration durch Wincor Nixdorf) im 32 Zoll- und im 22 Zoll-Format sind inzwischen in größeren M&S-Filialen installiert. „Unser Ziel ist es, dem Kunden einen smarten und bequemen Einkauf zu bieten. Die Kiosk-Terminals geben dem Kunden Inspiration und eröffnen ihm verschiedene Optionen und Wahlmöglichkeiten“, so Kyle McGinn, Head of New Channels and Digital Labs bei Marks & Spencer.

US- und britischer Handel an der Spitze

Walmart, Best Buy, Sears, Home Depot, Nordstrom – diese Unternehmen gehören nach einer vom Schweizer IT-Dienstleister Bison beauftragten und vom Marktforscher Ebeltoft durchgeführten Untersuchung zu den internationalen Champions im Multichannel-Handel.

Die Studie stellt auch fest, dass der britische und der US-amerikanische Handel im internationalen Vergleich am weitesten fortgeschritten sind bei der Migration zum Multichannelling (siehe Grafik), befragt wurden 144 Händler in 17 Ländern. In Europa liegt Deutschland, zusammen mit Frankreich und Norwegen, an der Spitze der Multichannel-Reifegrade.

Während viele der Konzern-strukturierten Unternehmen in Deutschland sich noch mit den richtigen Konzepten und Umsetzungsstrategien auseinandersetzen, zeigen sich einige mittelständische, inhabergeführte Filialisten, aber auch Händler mit wenigen Stores und lediglich regionaler Ausdehnung innovativ und experimentierfreudig. Dies betrifft insbesondere den Consumer Electronics und den Fashion-Bereich, also die Branchen mit den größten Online-Marktanteilen. Durch Integration des Online-Kanals – ob über Kundenterminals oder Tablets für die Verkaufsmitarbeiter – sehen diese Händler die Chance, ihren Kundenservice zu verbessern und ihre knappe und/oder teure Verkaufsfläche virtuell zu erweitern.

Virtuelle Flächenerweiterung

Ein Beispiel ist der bayrische Modehändler Peter Schödlbauer. Unter hemdenmeister.de betreibt er schon seit Jahren einen erfolgreichen Onlineshop. In seinem stationären Haus in Bad Kötzting steht ein Touch-Terminal. Damit können die Kunden auf die gesamte Vielfalt seines rund 25.000 Artikel umfassenden Hemden-Sortiments zugreifen. Bei der Auswahl wird der Kunde durch ein speziell entwickeltes Größen-Perfektionierungssystem unterstützt. Anhand von Alter, Gewicht und Körpergröße ermittelt das Modul die passende Konfektionsgröße. Zudem steht das geschulte Verkaufspersonal beratend zur Seite, wenn es Fragen etwa zu den zahlreichen Sonderarmlängen oder Kragenformen gibt.

Ist der passende Artikel gefunden, können die Mitarbeiter des Modehauses direkt aus dem Warenkorb des stationären Onlineshops einen Kommissionierschein drucken. Die ausgewählten Artikel werden dann aus dem Lager im Obergeschoss des Gebäudes zusammengestellt und binnen weniger Minuten zum Kunden in die Verkaufsräume gebracht. Kauft dieser die Ware, verringert sich der Bestand im Onlineshop automatisch – dank der Anbindung des Kassensystems an die Warenwirtschaft und die Shop-Plattform (Umsetzung der Lösung durch D&G-Software). „Der Marketingeffekt ist enorm, das Projekt hat uns einen ordentlichen Verkaufsschub im Laden ermöglicht“, berichtet Peter Schödlbauer.

Tablets erobern die Fläche

Nach einer Studie von Motorola Solutions erklärten 74 Prozent der befragten Händler, dass die Vernetzung und Interaktion mit dem Kunden sowie die Unterstützung von Shop-Mitarbeitern durch einen Echtzeitzugang zu Informationen den Erfolg von Retail-Unternehmen künftig entscheidend prägen werden. Probates Medium dafür sind Tablets. Zahlen darüber, wie viele Handelsunternehmen inzwischen Tablets am POS im Einsatz haben, liegen nicht vor. Eindeutig zu beobachten ist jedoch, dass immer mehr Händler aufrüsten – nicht nur in Technik-affinen Branchen wie den Consumer Electronics.

Beim Filialisten Sport Scheck zum Beispiel sind die mobilen Geräte schon seit Langem und mit vielfältigen Anwendungen im Einsatz, zum Beispiel für Bestellungen im Webshop, falls Ware in der Filiale nicht verfügbar ist, für Recherchen und Preisvergleiche gemeinsam mit dem Kunden oder für das Ausfüllen eines Kundenkarten-Auftrags über die Club-App. Auch den Mitarbeitern des EP-Fachhändlers Coldewey Tec in Westerstede stehen iPads zur Verfügung, auf denen entsprechende Anwendungen für die Verkaufsberatung laufen. Unter anderem ist auf den Geräten eine Sonos-App aufgespielt, mit der Home-Entertainment-Anlagen angesteuert und dem Kunden vorgeführt werden können.

Tradition trifft Moderne

Welche Innovationskraft sich auch Traditionsunternehmen bewahren können, zeigen Beispiele wie der Ulmer Händler Carl Abt oder das im Jahr 1842 gegründete Münchner Traditionshaus Lodenfrey. „Kunden erwarten die Ansprache auf allen Kanälen, und wenn man hier zurückbleibt, verliert man schnell Chancen“, sagt Ralf Mager, Online Marketing Manager bei Lodenfrey. Das Unternehmen hat daher schon frühzeitig durch den Aufbau eines Onlineshops und durch den Einstieg in kanalübergreifende Kundenservices die Weichen für das Multichannel-Zeitalter gestellt.

Der süddeutsche Home-Accessoires-Händler Abt ist in Deutschland ein Multichannel-Vorreiter. (Foto: Abt)

Der süddeutsche Home-Accessoires-Händler Abt ist in Deutschland ein Multichannel-Vorreiter. (Foto: Abt)

Dies gilt auch für das vor über 130 Jahren gegründete Unternehmen Carl Abt in Ulm. Abt vertreibt Geschenkartikel, Haushaltswaren und Porzellan in mehreren Filialen in Ulm, Ravensburg und Günzburg mit zusammen rund 5.000 qm Verkaufsfläche. Der Händler wurde mit dem „Global Innovator Award“ als eines der 5 besten Fachgeschäfte seiner Branche weltweit ausgezeichnet. Im Onlineshop (www.abtshop.de, Shop-Software von Oxid) können Kunden bestellen, sich die Ware nach Hause liefern lassen oder diese direkt im Fachgeschäft abholen.  

Bei gleichen Preisen online und stationär umfasst das Online-Sortiment aktuell rund 8.000 Artikel und wird stetig erweitert. Ziel ist es, das komplette Sortiment von 120.000 Artikeln online abzubilden. „Die Präsenz im Internet bringt mehr Kunden in unsere stationären Filialen, umgekehrt schafft unsere stationäre Stärke mehr Bewusstsein für den Online-Kauf“, sagt Geschäftsführer Gunther Strauß. Er plant den weiteren Ausbau des Cross-Channel-Konzepts. „Zum Beispiel sind mobile Dienste zur Nutzung der Online-Vorteile vor Ort ebenso im Gespräch wie ein kundenspezifischer Abo-Service durch den Online-Kanal“, so Strauß.

Technische Exzellenz

Ralf Mager, Online Marketing Manager bei Lodenfrey, über die Migration des Handelsunternehmens zum Multichannel-Anbieter.

Wie ist Lodenfrey als Multichannel-Händler aufgestellt?

Wir haben bereits vor einiger Zeit die technische Basis für Cross-Channel geschaffen, die Lodenfrey-Plattform verzahnt alle Touchpoints. Dazu gehören neben Filiale und Onlineshop auch Smartphone, soziale Netzwerke, Prospekte und Plakate mit QR-Code. Unsere Kunden können über alle Kanäle dieselben Informationen abrufen, Mode online bestellen und stationär umtauschen. Übrigens gehört zu unserem Cross-Channel-Angebot auch die Kundenbetreuung am Telefon.

Ist Online-Bestellung und stationäre Anprobe bzw. Abholung möglich?

Aktuell ist die Nachfrage nach diesem Service eher gering. Anders ist es mit der Beratung am Telefon. Wir haben eine Reihe Kunden, die sich zunächst im Onlineshop informieren, dann Details zu Artikeln am Telefon nachfragen und anschließend einen Termin zur Anprobe im Stammhaus vereinbaren. Nachgefragt ist auch unser Same-Day-Delivery-Service für München, der als Top-Service geschätzt wird und unseren Premium-Anspruch spiegelt. Wir werden aber noch in diesem Sommer Kunden auch die Option bieten, Mode online zu bestellen und dann in der Filiale abzuholen. Auch die Online-Bestandsabfrage für den stationären Store wird in Kürze verfügbar sein.

Sind Online-Bestellungen im Store möglich?

Wir planen die Einführung von Terminals am POS, zunächst als Pilotprojekt. Damit werden wir unseren Service im Stammhaus erweitern – mit zusätzlichem Warenangebot, Hintergrundinformationen zu Kollektionen, individuellen Angeboten und vielem mehr. Auf mobilen Endgeräten finden unsere Kunden den Shop als Web-Anwendung im Responsive Design. Seiten erscheinen immer optimiert für das jeweils aufrufende Gerät. Wir versuchen, das Offline-Verhalten online abzubilden und haben daher auch eine Voting-Option eingerichtet. Über Facebook können Kundinnen beispielsweise den Freundeskreis auffordern, über den Kauf des nächsten Dirndls für das Oktoberfest abzustimmen.

Wie wurden die MC-Anwendungen technisch umgesetzt?

Wir setzten auf eine technische Lösung aus der „Oxid eShop Enterprise Edition“ als E-Commerce-Plattform und „Microsoft Dynamics Navision“ als ERP für die Hintergrundprozesse. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht in Hinblick auf Performance und Funktionalitäten, aber auch auf die Erweiterbarkeit, etwa die Integration von sozialen Medien oder POS-Terminals.

Ist für Lodenfrey die Migration zum Multichannel-Händler eine Notwendigkeit für den langfristigen Geschäftserfolg?

Auf jeden Fall. Wir stehen unseren Kunden dort zur Verfügung, wo und wie sie es wünschen. Wir sind ein Traditionshaus mit Premium-Anspruch. Dazu gehört auch technische Exzellenz.

Das Interview führte Klaus Manz.

Fotos (4): Schödlbauer (1), Asda (1), Marks & Spencer (1), Abt (1)

Grafik: Ebeltoft

Weitere Informationen: www.abtshop.de , www.asda.com , www.marksandspencer.com und www.mode-schoedlbauer.de

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