Rein äußerlich ist dem großformatigen Spiegel sein komplexes Innenleben nicht anzusehen. Die komplette Technik ist unsichtbar integriert bzw. im Kasten hinter der Spiegelfläche verborgen. Die Kundin löst den Scanvorgang mittels Touch-Button auf einem Bedienfeld auf dem Spiegel selber aus und dreht sich sodann einmal langsam um die eigene Achse. In weniger als einer Minute werden 140 Körper-Messpunkte erfasst, ein 3-D-Schema des Oberkörpers erstellt und der Körpertyp bestimmt. Bei Rigby & Peller nennt man das die „Shape-ID“, sozusagen die Identifikationskennzahl der persönlichen Oberkörper-Silhouette.
Daten + Fakten: Rigby & Peller
1939: gegründet in London als Atelier für maßgefertigte Korsetts
1960: zum Hoflieferant der Queen ernannt
2011: 87-prozentige Übernahme durch die belgische Van de Velde-Gruppe, die Dessousmarken wie Marie Jo, Prima Donna und Andres Sarda herstellt
Filialen: 19 Filialen insgesamt (in GB, D, ES , DK), davon 9 in Deutschland
Aufgrund der individuellen Vermaßung wirft das Programm eine BH-Größen- Empfehlung aus und schickt sie auf das iPad der Kundenberaterin, die bei Rigby & Peller „Lingerie-Stylistin“ heißt und über tiefes Spezialwissen im Wäschebereich verfügt. Sie fungiert als menschliche Schnittstelle, die via iPad mit dem 3-D-Scanner kommuniziert und zugleich face-to-face mit der Kundin, um die soeben ermittelten „harten Fakten“ mit den „Soft Facts“, den persönlichen Vorlieben der Kundin, anzureichern. Sie sucht dann die Modelle und Farben aus dem Sortiment aus, die der Figur und dem Stil der Kundin am besten entsprechen. Die Kundin probiert die Modelle und kann Oberkörper-Fotos davon anfertigen, wieder mittels Betätigung eines Touch-Buttons. Die dann auf dem Monitor im Spiegel abgebildeten Selbst-Porträts mit unterschiedlichen BH-Styles können in Ruhe miteinander verglichen und nach der Auswahl gelöscht werden.
Passform-Problematik
Im Wäschehandel gilt die Umkleidekabine – stärker noch als im übrigen Textilhandel – als sensible Zone mit einem hohen Bedarf an Diskretion, dem Handelshäuser manchmal nicht ausreichend Rechnung tragen. Der Online-Handel bietet zwar naturgemäß einen privaten Rahmen beim Einkauf, die Passform- Problematik im Dessous-Bereich löst er nicht.
„Jede Frau trägt mit 70-prozentiger Wahrschein-lichkeit die falsche BH-Größe“, sagt Liesbeth Delmote, als Field Manager Deutschland beim belgischen Wäschespezialisten Van de Velde für die hiesigen Rigby & Peller-Filialen verantwortlich. Ein gut sitzendes Modell in der richtigen BH-Größe ausfindig zu machen, fällt vielen Frauen schwer, da sich die Größe aus einem Quotienten aus verschiedenen Kennmaßen (Brust-Umfang, Unterbrust-Umfang, Schulter- Brust-Abstand etc.) ergibt.
Die Shape-ID wird auf Kundenwunsch samt Einkaufsdaten und persönlichen Vorlieben gespeichert. Das erleichtert Folgekäufe: Ob vor Ort im Laden oder über den Webshop – ohne Anprobe tragen die individuellen Kennzahlen dazu bei, Passformsicherheit und „Trefferquote“ zu erhöhen – und damit auch die Selbstsicherheit der Kundin. Das Unternehmen Van de Velde seinerseits erhält über die Maßangaben wertvolles – anonymisiertes – Datenmaterial, das in die Modell- und Kollektionsgestaltung einfließt. Entwickelt wurde der Spiegel mit der 3-D-Vermessungstechnik von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Van de Velde. Für Spiegel und Technologie wurden Patente angemeldet. Bundesweit sollen alle Rigby & Peller-Filialen mit der Innovation ausgestattet werden.
Fotos (2): Rigby & Peller
Weitere Informationen: www.rigbyandpeller.de
3-D-Bodyscanner: Hightech am POS
Die Human Solutions GmbH, Kaiserslautern, ist Spezialist für die Entwicklung von Technologien zur Erfassung und Verarbeitung von Körpermaßdaten und „Ergonomiesimulationen“ für die Branchen Fashion und Mobility.
Das Unternehmen hat im Bereich der Maßkonfektion seit Jahren eine bereits etablierte 3-D-Körperscanning-Lösung, die auch am POS zum Einsatz kommt. Der von Human Solutions entwickelte virtuelle Spiegel geht noch einen Schritt weiter. Da kann sich der Kunde bereits im neuen Anzug bewundern, auch wenn es diesen noch gar nicht gibt. Die Basis ist ein Großmonitor von 55 Zoll und damit nahezu in Lebensgröße. Dieser wird um eine Bedien- und Steuereinheit ergänzt. Daran angebunden ist ein Dreisäulen-Scanner zur vollautomatischen Körpermaßabnahme in 3-D, der laut Unternehmen die Anforderungen an die Platzverhältnisse in den Umkleidekabinen im Handel erfüllt. Dieser wird an die Steuereinheit des virtuellen Spiegels geknüpft. Im Produkt-Konfigurator wählen der Kunde und ein Verkäufer das oder die gewünschten Bekleidungsstücke aus und konfigurieren sie, sodass sie am eigenen Abbild, am sogenannten Scanatar, anzuschauen sind. Der virtuelle Spiegel in Verbindung mit der Bodyscan-Technologie bietet dem Kunden ein innovatives Einkaufserlebnis. Der Händler erhält die Passform-Daten der Kunden. Dr. Andreas Seidl zufolge kann der Kunde damit sogar Produkte, die im Shop nicht erhältlich sind, „anprobieren“.