Die Idee kam Sara Wolf und Milena Glimbovski 2012 bei einem privaten Abendessen. „Beim gemeinsamen Kochen ist so viel Müll angefallen, dass wir dachten: Das muss man irgendwie angehen“, sagt Sara Wolf. Unverpacktes Einkaufen bedeutet schließlich erheblich weniger Plastikmüll. Außerdem werden weniger Lebensmittel weggeworfen, wenn Kunden nur die tatsächlich benötigte Menge kaufen können. Aus dieser Idee wurde erst ein Konzept, dann ein Business-Plan und dann Realität.
Im September eröffneten die Gründerinnen in Berlin-Kreuzberg unter dem Namen OU – Original Unverpackt ihr Geschäft. Früher befand sich in dem Ladengeschäft in der Wiener Straße 16 eine Metzgerei. Die weißen, mit Stuck verzierten Decken sind aus dieser Zeit ebenso erhalten geblieben wie die weiß und blau gekachelten Wände. Für das Ladendesign hat der Architekt Michael Brown von NAU Berlin diesen sauberen, eher kühlen Look aufgegriffen und die Einrichtung mit Glas und Metall, hellem Holz und weißen Fliesen gestaltet. „Das Design soll sehr clean sein“, sagt Sara Wolf.
OU – Original Unverpackt
Eröffnung: 13. September 2014
Adresse: Wiener Straße 16, 10999 Berlin
Öffnungszeiten: Mo bis Fr 10-20 Uhr, Sa 9-19 Uhr
Verkaufsfläche: 60 qm
Ladenbau: Michael Brown, NAU Berlin
Corporate Design: sehen und ernten, Berlin
Dass Wolf und Glimbovski mit ihrer Idee einen Nerv getroffen haben, zeigte sich früh. Für die Gründungsphase erhielten sie ein Stipendium des von SAP geförderten Social Impact Lab, sie belegten beim Businessplan-Wettbewerb der Investitionsbank Berlin vordere Plätze und wurden vom Bundeswirtschaftsministerium als Kultur- und Kreativpiloten 2013 ausgezeichnet. Hinzu kam eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne. 20.000 Euro wollten die Gründerinnen über Startnext für ihr erstes Ladengeschäft sammeln, die Internetgemeinde stellte ihnen jedoch 115.000 Euro zur Verfügung.
Wodka zum Abfüllen
Dieser erste Laden ist kleiner geworden als geplant. Auf etwa 60 qm Verkaufsfläche können die Kunden zurzeit aus etwa 350 Produkten wählen. Brot, Obst und Gemüse zählen dazu, Marmeladen und Säfte, Trockenprodukte wie Getreide und Bohnen, Reis und Nudeln, Tee und Gewürze, aber auch Biere und Wodka sowie Kosmetikprodukte und Reinigungsmittel. Das lose Trockensortiment wird vor allem in sogenannten Bulk Bins angeboten, die im US-Einzelhandel bereits seit Jahren eingesetzt werden, flüssige Produkte kommen aus Spendern aus Glas oder Metall. Geeignete Umverpackungen – Beutel, Gläser, Dosen – können im Laden gekauft oder über ein Pfandsystem ausgeliehen werden.
Wer eigene Verpackungen mitbringt, wiegt sie vor dem Einkauf im Eingangsbereich und versieht sie mit einem entsprechenden Etikett; abgewogen werden die Einkäufe dann an der Kasse. An einigen Details musste das OU-Team eine Weile tüfteln. Empfindliche Produkte wie Käse oder Tofu dürfen aus Hygienegründen nicht in mitgebrachte Verpackungen verkauft werden. Und während sich Nudeln oder Gewürze problemlos abwiegen lassen, musste für jede einzelne der angebotenen Flüssigkeiten der Grundpreis in Gramm zunächst aus dem Literpreis errechnet werden – Vorschrift des Eichamts.
Corporate Design
Für das Konzept selbst haben sich die Gründerinnen ebenfalls intensiv mit dem Thema Verpackung beschäftigt. Gemeinsam mit „sehen und ernten“, einem studentischen Design-Netzwerk der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, entwickelten sie ihr Corporate Design. „Einerseits ist es natürlich die innovative Idee, die OU ausmacht, andererseits sollen Kunden vom neuen Konzept nicht verschreckt werden und auch keine Zweifel an Auswahl oder Qualität der Produkte haben“, beschreibt „sehen und ernten“ das Ziel.
Zentraler Bestandteil ist das neue Logo, ein Signet aus den Konturen der Buchstaben O und U, das sich zugleich als Key-Visual für viele Anwendungen innerhalb des Ladens und in der Unternehmenskommunikation wiederfindet. Kunden und Mitarbeiter können sich beispielsweise bei der Wahl ihrer individuellen Jutebeutel, Geschenkgutscheine, Mitgliedskarten, Kaffeebecher bis hin zu Visitenkarten ein persönliches OU gestalten. Das Rot als Primärfarbe soll eine visuelle Nähe zu existierenden Supermärkten wie Rewe, Real, Kaiser’s oder Kaufland schaffen.
In Berlin suchen die Gründerinnen bereits nach einem größeren Standort, außerdem soll das OU-Konzept in Serie gehen. „Über Franchising wollen wir es überall in Deutschland möglich machen, unverpackt einzukaufen“, sagt Sara Wolf. Erste Gespräche mit Interessenten gibt es bereits, mögliche nächste Standorte sind derzeit Hamburg, Hannover und Freiburg. Franchise-Nehmer können auf die Unterstützung des Berliner Teams setzen. Und die Crowd, die die Realisierung des ersten OU-Standortes möglich gemacht hat, soll für jedes neue Geschäft mobilisiert werden.
Foto: Jendrik Schröder
Weitere Informationen: www.original-unverpackt.de
Eine Idee breitet sich aus
Seit Anfang des Jahres eröffnen in vielen Ländern verpackungsfreie Handelsformate. Der deutschlandweite Pionier unter den Stores, die auf jegliche Verpackung verzichten, eröffnete im Februar dieses Jahres in Kiel mit dem schlichten Namen Unverpackt.
Die „Tante Emma“ von Kiel heißt Marie Delaperrière und stammt aus der Nähe von Toulouse. Das erklärt auch gleich das französische Flair, das ihren kleinen Laden Unverpackt in Kiel umweht. Gemütlich und persönlich wie einer dieser kleinen französischen Delikatessenläden wirkt die 60 qm große Fläche. Dunkle Holzregale an den Wänden enthalten Spender und Gefäße, Gläser mit Schaufeln, Flaschen und Fässer, Kanister und Alu-Eimerchen zum Abfüllen. Ein Regal in der Mitte des Raums enthält Körbe mit Obst, Gemüse und Bio-Eiern. Rund 300 Produkte für den täglichen Bedarf bietet das Unverpackt-Team an, von Hülsenfrüchten über Spirituosen bis zum Duschgel.
Das Storedesign entwickelte die Unternehmerin selbst. Das Mobiliar inklusive Gefäße stammt von zwei auf solche Ladeneinrichtungen spezialisierten Lieferanten aus Frankreich: Bio Création Bois und Mobile Wood. Als etwas mühsam in der Realisierungsphase erwies sich der IT-Bereich. Verfügbare Kassensysteme und Lagerverwaltungsprogramme erfüllten Delaperrières spezielle Anforderungen nur unzureichend, sodass sie eine individuell zugeschnittene Software programmieren lassen musste. Von Haus aus ist die Einzelhändlerin Logistik-Fachfrau, umgesattelt hat sie aus Überzeugung. „In vielen Ländern ist dieses Thema im Handel schon viel weiter. Die Idee wird sich ausbreiten.“ Dafür spricht auch die durchweg positive Resonanz auf ihr Konzept – von Kundenseite als auch interessierten Einzelhändlern bzw. Existenzgründern. Marie Delaperrière entwickelte mit einem Franchise-Profi ein „Franchise-Light-Konzept“, auch für Corners oder Shop-in-Shops in Bioläden, und ist aktuell auch als Beraterin für das Thema verpackungsfreier Einkauf unterwegs.
Neben frühen Vorläufern in London und den USA ruft die Zero-Waste-Bewegung verstärkt seit Anfang dieses Jahres in verschiedenen europäischen Ländern Start-ups auf den Plan.
Nachfolgend eine Liste aktueller Verpackungsfrei-Läden:
Unpackaged, London (eröffnet 2006):
zurzeit geschlossen, soll in diesem Herbst im Londoner Stadtteil Hackney wieder neu eröffnen. Weitere Informationen: www.beunpackaged.com
In.gredients, Austin (eröffnet 2011):
2610 Manor Road, Austin, TX 78722, Texas, USA. Weitere Informationen: www.in.gredients.com
Lunzers Maß-Greißlerei, Wien (eröffnet Januar 2014):
Heinestr. 35, 1020 Wien, Österreich. Weitere Informationen: www.mass-greisslerei.at
Unverpackt, Kiel (eröffnet Februar 2014):
Holtenauer Str. 85, 24105 Kiel. Weitere Informationen: www.unverpackt-kiel.de
La Recharge, Bordeaux (eröffnet Anfang 2014):
38 Rue Sainte-Colombe, 33000 Bordeaux, Frankreich. Weitere Informationen: www.la-recharge.fr
Robuust, Antwerpen (eröffnet Anfang 2014):
Reynderstraat 2/1, 2000 Antwerpen, Belgien. Weitere Informationen: www.berobuust.com
Freikost Deinet, Bonn (eröffnet Mai 2014):
Rochusstr. 266, 53123 Bonn. Weitere Informationen: www.freikost.de