Auf rund 80 qm haben Dirk Moysig und Thomas Lehrich unter dem Namen „Kosfeld“ – vorgefunden auf dem alten Schild einer ehemaligen Gütersloher Bäckerei – im kommerziellen Umfeld des Herforder Elsbach-Hauses eine Ladenfläche für junge Mode etabliert, die anders funktionieren sollte als üblich. Bei der Neugestaltung wurden zwar die bestehenden Wandfarben Weiß, Graublau und Schwarz beibehalten. Der Fußboden jedoch wurde in poliertem Marmorkies neu verlegt, dessen weiß schimmernder Untergrund dem Store eine besondere Aura verleiht. Fixpunkte der Ausstattung bilden je zwei Rückwände und Mittelraummöbel des Modelabels „Campus“. Ansonsten besteht die Einrichtung überwiegend aus Gebrauchtmöbeln aus einem Antiquitätengeschäft in Bielefeld. So steht eine Vitrine aus den 1960er-Jahren mit einer alten Anker-Kasse von 1920 vor einem alten Apothekerschrank.
Im „Kosfeld“-Store ist auch darüber hinaus vieles anders als gewohnt: Die Warenpräsentation unterliegt keinen Zwängen. Turnschuhe stehen auf einer alten Werkbank oder hängen an der Lampe. Bunte Schals quellen aus dem Apothekenschrank. Pullover liegen in Regalen des Recycling-Designers Olli Schübbe. Die Hemden kann man kaufen und das Regal gleich dazu mitnehmen. Ein Flipperautomat, coole 1970er-Jahre-Möbel, echte und nachgemachte Antiquitäten, ein ausgestopftes Krokodil – die Requisiten sind durchweg Einzelstücke; werden sie verkauft, werden sie durch ein anderes Accessoire ersetzt. So wie eine Wohnungseinrichtung, wächst und verändert sich auch der Store. Dadurch entsteht eine unverwechselbare Mischung aus alt und neu, funktional und dekorativ, aus geplanten und ungeplanten Bereichen. Eine lebendige, authentische Atmosphäre entsteht, in der Kunden den Store nach Belieben nutzen können. „Das Sofa ist eben nicht bloß Dekoration, sondern man soll tatsächlich darauf sitzen und das iPad benutzen können. Wer mit dem Flipperautomaten spielen will, darf das tun, und wer die Jeanskissen anders hinlegt, hat nicht gleich den Look des Ladens zerstört“, sagt Dirk Moysig. „So kann man sich bei Kosfeld wirklich wohl fühlen.“
Aufs Bauchgefühl gehört
„Kosfeld“ ist die Kunst, das Ungeplante einzubeziehen: Zum Beispiel darf jeder Besucher dem bereitstehenden Kühlschrank Getränke entnehmen. Anschließend wirft er in ein rosa Sparschwein den Betrag, den er für richtig hält – auch das wird nicht kontrolliert. Entstanden ist die Idee des gewollt Ungewollten spontan während einer Mode-Messe in Berlin: Dirk Moysig hatte eine Eingebung: Wie wäre es, wenn er bei seinem nächsten Ladendesign auf jede strategische Überlegung verzichten würde, und einfach nur das täte, was ihm spontan in den Sinn kommt? Wenn er also alles sofort umsetzte, was ihm sein Bauchgefühl riete, ohne diese Entscheidungen in stundenlangen Meetings zu begründen, zu prüfen und auf irgendwelche Markenbotschaften abzuklopfen.
Nur wenig später traf Dirk Moysig auf Thomas Lehrich und erzählte diesem von seinen Gedanken. Lehrich – von der Idee fasziniert – sagte zu: „Das machen wir!“ Schon jetzt zeitigt das Experiment überraschende Ergebnisse, und auch künftig soll „Kosfeld“ ein Experimentierfeld bleiben.
Weitere Informationen: www.facebook.com/Kosfeld.Herford
Fotos (4): Joachim Grothus
Improvisieren und provozieren
Thomas Lehrich betreibt im historischen Herforder Elsbachhaus gegenüber dem Marta-Museum mehrere Fashion-Stores. Kosfeld ist der etwas andere Neuzugang in der Laden-Familie.
Was bereitete Ihnen bei der Planung oder Umsetzung von Kosfeld Schwierigkeiten?
Bei meinen Mitarbeitern musste ich Lobby-Arbeit betreiben. Sie sind in die betriebswirtschaftlichen Prozesse unseres Unternehmens eingebunden und äußerten Bedenken, dass zur Finanzierung einer solchen „Spielerei“ an anderer Stelle Ressourcen eingespart und Limite gekürzt würden, sodass in unseren Stamm-Läden mit weniger Ware mehr Umsatz erzielt werden muss. Ich musste Überzeugungsarbeit leisten und gewährleisten, dass das neue Konzept nicht zulasten der Budgets geht.
Was sagen Ihre Mitarbeiter jetzt, ein paar Wochen nach der Eröffnung?
Sie haben den Wert erkannt, in einem Unternehmen zu arbeiten, das nicht schläft und innovative Wege geht, das erhöht ihre Identifikation und die Begeisterung.
Ist eine 2B-Lage im westfälischen Herford das richtige Pflaster für ein so experimentelles Konzept?
Es verlangt Mut zu improvisieren, zu provozieren und unter Umständen auch, betriebswirtschaftliche Kennzahlen und Belange zugunsten der Idee unterhalb der Ertragsgrenze anzusetzen. Die Standortfrage ist da meiner Meinung nach zweitrangig. Unser Unternehmen ist gewachsen hier im Elsbach-Haus in Herford, und damit wäre es nicht an anderer Stelle reproduzierbar. Ich meine festzustellen, dass Konzepte wie unseres derzeit einen gewissen Zulauf verzeichnen und sehe eine wachsende Chance darin, Leute zu bedienen, die ungern in große Städte zum Shopping gehen und daran arbeiten, sich selber zu entschleunigen.
Welches Signal empfängt Ihr Kunde durch Kosfeld?
Wir probieren etwas Neues, das wird als sympathisch empfunden. Die Kunden bekommen sehr genau mit, welche Emotionen und welche Authentizität dahinter stehen.