Kaum ein Einzelhändler, der auf sich hält, kommt heute darum herum, vollmundig mit der Eröffnung eines „Flagshipstores“ zu werben – auch wenn er im Extremfall vielleicht nur ein einziges Geschäft sein eigen nennt. Bei Unternehmen, die mindestens fünf Geschäfte betreiben und im Allgemeinen als „Kette“ bezeichnet werden, ist es dagegen der Normalfall, dass einer der Standorte zum „Flagshipstore“ ausgebaut wird. Das kann die größte der Filialen sein oder die umsatzstärkste – häufig treffen beide Kriterien zu. Für Einzelhandelsketten mit Filialen in unterschiedlichen Ländern wäre es möglicherweise sinnvoll, mehrere Geschäfte zu Flagshipstores zu erklären – beispielsweise eins in jedem Land. Doch vielleicht ist auch diese Lösung irgendwann unbefriedigend, und man benötigt ein markenbildendes Prestigeobjekt, das auf internationaler Ebene Aufsehen erregt: „Willkommen im weltweiten Flagshipstore!“
Eines der wahrscheinlich besten aktuellen Beispiele für diese Philosophie liefert der spanische Fashion-Retailer Zara. Das Unternehmen betreibt Filialen auf allen Kontinenten. Seine Geschäfte sind überall bekannt und weitgehend ähnlich gestaltet – egal, ob man eine Zara-Filiale in Mexico City oder in München betritt. Zu den bemerkenswerten Leistungen des Unternehmens zählt die Entwicklung einer weltweit akzeptierten Vorlage für sein Store-Design.
Intuitive Kundenführung
Kommt man nun aber nach New York, ist alles anders. Zara betreibt sieben Geschäfte im Bezirk Manhattan, die erste Filiale wurde dort 1989 eröffnet. Doch seit März diesen Jahres befindet sich in dem bekannten New Yorker Stadtteil zudem ein weltweiter Flagshipstore mit der prestigeträchtigen Adresse 666 Fifth Avenue, der sich deutlich von den anderen Verkaufs-
standorten des Unternehmens unterscheidet. Zunächst einmal wäre da der Standort: Die Filiale erstreckt sich über 2.972 qm auf einem der begehrtesten Grundstücke an der für ihren Luxus bekannten Einkaufsmeile. Auf den ersten Blick passt sich das dreistöckige Geschäft hervorragend in die hochpreisige Umgebung ein.
Entworfen wurde die Filiale von Elsa Urquijo Architects, einem Architekturbüro aus La Coruña, der nordspanischen Stadt, in der die Muttergesellschaft ihren Hauptsitz hat. Die Zara-Filiale hat sich in den Tishman-Bau, eine Ikone der Moderne, eingekauft. Zuvor war hier der NBA-Shop ansässig, und der Laden galt allgemein als einer der weniger attraktiven Einzelhandelsstandorte der Gegend. Trotzdem legte Zara Anfang 2011 nicht weniger als 320 Mio. US-Dollar auf den Tisch, um sich den Standort zu sichern.
In Zusammenarbeit mit Elsa Urquijo begannen dann die Umbauarbeiten an dem Gebäude, wobei man sich weitgehend an einer Pilot filiale in La Coruña orientierte. Das Ergebnis ist ein klares Bekenntnis zu der modernistischen Philosophie des Unternehmens. Die klaren Linien der Front setzen sich auch im Inneren fort.
Der langgezogene, schmale Raum ist so gestaltet, dass die Kunden ihn leicht von der Tür bis zur Rückwand überblicken können. Hierfür sorgen zwei parallele Gänge die sich von vorne bis hinten durchziehen, sowie die in die abgehängte weiße Decke eingelassenen Reihen von LED-Spots. In thematisch sortierten, abgetrennten Bereichen, die ihrer Form nach als „Kuben“ bezeichnet werden, soll die leuchtend bunte Ware für sich sprechen – in dieser Saison sind übrigens Sorbet-Farben und helle Pastelltöne angesagt. Große hell erleuchtete Kästen an der Rückwand des Ladens und im Kassenbereich sorgen zusätzlich dafür, dass der Blick des Kunden den Laden durchquert.
Ein Unternehmenssprecher von Zara erklärte dazu, in anderen Geschäfte komme es viel zu häufig vor, dass „die Augen der Kundinnen in alle Richtungen blicken, in dem Bemühen, die viel zu große Menge an Waren in ihrem Blickfeld wahrzunehmen. Durch das neue Design bewegt sich die Kundin intuitiv von einem Bereich in den nächsten.“ Auf dieser und den anderen Etagen soll ein Eindruck von Modernität und Minimalismus erweckt werden, doch es geht auch darum, selbst mit den Flächen tief im Inneren des Ladens die Kauflust der Kundschaft zu wecken.
Bevor die Kunden allerdings am hinteren Ende angekommen sind, gelangen sie an eine große Freifläche mitten im Laden. Hier führt eine breite Treppe von der Damenabteilung im Erdgeschoss in eine Damen- und Kinderabteilung im Untergeschoss. Um die Besucherinnen auch wirklich auf die Treppe zu locken, wird diese gleichzeitig als eine Art Laufsteg genutzt, auf dem weiße Schaufensterpuppen drapiert sind.
Sparsam im Verbrauch
Im Untergeschoss ist die Farbgestaltung stärker von Gelbtönen geprägt. Der Aufbau ist hier ähnlich wie im Erdgeschoss mit langen Gängen und „Kuben“, doch dank der größeren Grundfläche findet sich auf einer Seite noch Raum für Sofas und Stühle, auf denen sich die Kunden ausruhen können. Bemerkenswert an der Kinderabteilung ist, dass sie genauso aussieht wie maßstabsgerecht verkleinerte Abteilungen für die Erwachsenen.
Im Obergeschoss ist die Herrenabteilung untergebracht, und da es sich ja um den weltweiten Flagshipstore handelt, präsentiert Zara hier eine Sonderkollektion an Herrenmode. Polierter Beton und an den Innenseiten mit LEDs beleuchtete Glasschaukästen prägen hier die maskuline Atmosphäre.
Nicht einfach nur Kleidung ausstellen.
Architekturbüro Elsa Urquijo, La CaruñaElsa Urquijo erklärt, dass die Gestaltung auf dem Gedanken beruht, „nicht einfach nur die Kleidung auszustellen, sondern eine Umgebung zu schaffen, in der die Kollektion durch den richtigen Hintergrund am besten zur Geltung kommt“. Bemerkenswert ist ebenfalls der Beitrag zum Umweltschutz, den das Geschäft leistet, denn es verbraucht 50 Prozent weniger Wasser und 30 Prozent weniger Energie als ein anderer Zara-Laden ähnlicher Größe.
Alle Zara-Filialen sind modern eingerichtet, da dies ein Merkmal des Markenauftritts ist, doch der weltweite Flagshipstore in New York geht noch einen Schritt weiter: Bereits in seiner grundlegenden Gestaltung orientiert sich das Geschäft deutlich mehr als die anderen Filialen an seinen hochpreisigen Konkurrenten an der Fifth Avenue. Hier geht es um ein Prestigeobjekt im Einzelhandelssektor, und dafür wurden keine Kosten und Mühen gescheut. Vor diesem Hintergrund können sich Anwohner und Besucher New Yorks darauf freuen, in diesen Teil der Stadt zu kommen und ein Zara-Geschäft zu betreten, das sich deutlich von der Norm abhebt. Zwar hat Zara bereits Ende 2010 einen weltweiten Flagshipstore in Rom eröffnet, doch wie bei keiner anderen Filiale passt sich die Inneneinrichtung in der Fifth Avenue so vollständig ihrer Umgebung an.
Fotos (5): Zara
Zara
Adresse: Zara, 666 Fifth Avenue, New York
Eröffnung: 13. März 2012
Größe: 2.972 qm
Anzahl der Etagen: 3
Design: Elsa Urquijo Architects, La Coruña
Kaufpreis für den Standort: 320 Mio. US-Dollar
Anzahl der Zara-Filialen in Manhattan: 7
Rang: weltweiter Flagshipstore