„Altona ist eines der spannendsten Projekte, die wir bei Ikea je hatten“, sagt Expansionschef Johannes Ferber. Lange suchte der Möbel-Filialist nach einem dritten Standort in der Hansestadt, nach Hamburg-Schnelsen und -Moorfleet. Eine Citylage stand dabei nicht zur Debatte, bis der Blick auf das seit Jahren brach liegende ehemalige Einkaufszentrum Frappant fiel. Dieses bot Rahmenbedingungen, wie sie in Innenstädten selten anzutreffen sind: ein 10.000 qm großes Solitärgrundstück, das rückwärtig eine Verkehrserschließung für Kunden-Pkw sowie Logistik ermöglichte und frontseitig an die älteste Fußgängerzone Deutschlands, die Große Bergstraße angebunden ist. Das Ganze zudem nur 400 m vom Bahnhof Altona entfernt und mit einer Bushaltestelle vor der Tür.
Bevor Ikea das Objekt erwarb, den in die Jahre gekommenen Betonklotz abreißen ließ und 80 Mio. Euro investierte, galt es 2009 zunächst, ein Bürgerbegehren zu überstehen. Ortsansässige, positiv gestimmte Einzelhändler hatten dieses nach hitzigen Diskussionen zwischen Projekt-Befürwortern und -Gegnern initiiert. Der Entscheid ging bei hoher Wahlbeteiligung mit 77 Prozent Zustimmung aus. „Wir wollten eine deutliche Mehrheit, bei lediglich 51 Prozent hätten wir das Projekt wahrscheinlich nicht umgesetzt“, so Johannes Ferber, der generell feststellt: „Als ich vor 15 Jahren bei Ikea anfing, hatten wir etwa dreijährige Vorlaufzeiten, heute sind es acht bis zehn.“
Andere Architektur
Abschrecken lassen sich sein Team und er von den langjährigen Genehmigungs- und Planungsprozeduren nicht. Auch im größten internationalen Ikea-Markt Deutschland, der im letzten Geschäftsjahr knapp 20 Prozent zum Gesamtumsatz von 29,2 Mrd. Euro beitrug, soll die Expansion weitergehen. 20 neue Standorte sollen innerhalb der nächsten 10 Jahre hierzulande an den Start gehen. Die Einrichtungshäuser 49 und 50 befinden sich bereits im Bau, die Eröffnung in Bremerhaven ist für April 2015 geplant, Kaiserslautern soll im Juni 2015 folgen.
Was Hamburg-Altona angeht, war klar: „Wir konnten keine blau-gelbe Kiste in die Innenstadt stellen“, sagt Ferber mit einem Augenzwinkern. Daher wurden 8 Architekturbüros zum Fassaden-Wettbewerb eingeladen. Die DFZ Architekten aus Hamburg gingen mit ihrem an einen Strichcode erinnernden Entwurf als Gewinner daraus hervor. Die weiße Aluminiumblech-Fassade mit gelbem Ikea-Schriftzug fügt sich in die Umgebung ein. Die Schmalseiten sind im CI-Blau eingefärbt. Je nach Betrachtungswinkel zeigt sich das Gebäude dadurch mal neutraler, mal farbiger. Viel Glas schafft eine für Ikea neue Transparenz und bringt erstmals Tageslicht in die Möbelausstellung.
Ikea Hamburg-Altona
Adresse: Große Bergstraße 164, 22767 Hamburg
Eröffnung: 30. Juni 2014
Verkaufsfläche: knapp 18.000 qm
Gastronomieplätze: 350
Parkplätze: 730
Mitarbeiter: rund 300
Architektur: DFZ Architekten (Fassade) und NPS Tchoban Voss, beide Hamburg
Der über 40 m hohe Bau erstreckt sich über 9 Etagen. Im Untergeschoss befinden sich Lager und Warenanlieferung. 3 Mio. Euro mehr als üblich wurden für die Instore-Logistik ausgegeben, die über computergesteuerte horizontale Förderbänder und vertikale Lastenaufzüge weitgehend vollautomatisch funktioniert. Diese bringen die per Laserscanner inventarisierten Paletten mit der Barcode-gelabelten Ware in alle Lager- und Verkaufsbereiche. Ein ähnliches System ist in Gegenrichtung für die Rückführung der Wert- und Reststoffe bis hin zu Küchenabfällen installiert.
Noch ein Solitär
Im Erdgeschoss sowie im ersten und zweiten Obergeschoss befindet sich die rund 18.000 qm große Verkaufsfläche. Der Kunde bewegt sich von unten nach oben, in den anderen Häusern ist es umgekehrt. Zudem werden Möbelausstellung und Markthallen-Sortiment themenbezogen gemischt – Johannes Ferber spricht von „integrated range“ – und nicht, wie sonst, auf getrennten Flächen präsentiert. So wird beispielsweise in einem Areal alles rund ums Schlafen angeboten, vom Bett bis zur Bettwäsche, in einem anderen alles für die Küche, von der Einrichtung bis zu Kleinutensilien wie Geschirrtuch und Löffel.
Könnte dies auch ein Modell für andere Häuser sein? Johannes Ferber räumt ein, dass darum intern eine Grundsatzdiskussion entbrannt sei. „Beide Varianten haben Vor- und Nachteile.“ Der Store in Hamburg-Altona jedenfalls scheint mit seiner Lösung richtig zu liegen, spricht er doch mehr als die Grüne-Wiese-Standorte Laufkundschaft beziehungsweise Spontankäufer an. Zahlreiche Kunden schauen in ihrer Mittagspause vorbei. Um ihnen den Kurzbesuch zu ermöglichen, wurden auf allen Etagen Kassen installiert. Der Durchschnittsbon ist niedriger als in anderen Häusern, es werden zu einem höheren Anteil Markthallen-Artikel gekauft. Die durchschnittliche Besucherzahl, die an Samstagen bei 20.000 liegt, fällt dafür höher aus als andernorts. Die 1a-Lage scheint sich auch deshalb als Gewinn zu entpuppen, da viele Großstädter inzwischen auf ein Auto verzichten und somit nicht mehr so leicht vor die Tore der Stadt gelangen. 90 Prozent der Besucher des City-Ikea jedenfalls reisen nicht mit dem Pkw an. Die Hälfte der 730 Parkplätze, die sich auf 4 Parkdecks in den oberen Etagen des Gebäudes befinden, steht in der Regel leer.
Das Lieferkonzept ist ausgeklügelt: Es reicht vom Fahrradkurier über das Lastentaxi, bei dem der Kunde mitfahren kann, bis hin zu Car-Sharing und Leihtransporter. Eine Sackkarre kann ebenso ausgeliehen werden wie ein Fahrradanhänger, und auch das Rundum-Sorglos-Paket Komplettlieferung plus Montage wird offeriert. „Das von manchen befürchtete Verkehrschaos ist ausgeblieben, bei einer hundertprozentigen Steigerung der Kundenfrequenz in der Straße“, freut sich Johannes Ferber. Inzwischen wird auch im Umfeld viel gebaut, der ganze Bezirk entwickelt sich. Ob sich das Konzept allerdings multiplizieren lässt, bleibt unklar. „Überlegungen gibt es, aber keine konkreten Pläne. Uns werden viele Immobilien angeboten, bisher haben wir alle abgelehnt. Die Rahmenbedingungen in Hamburg-Altona sind besondere“, erklärt der Expansionschef.
Weitere Informationen: www.ikea.de