2016 machte der US-Marketingdienst eMarketer eine Händlerbefragung: 58 Prozent waren damals der Meinung, dass Techniken zur exakten Bestimmung des Standorts eines Nutzers dazu geeignet seien, den Umsatz im stationären Geschäft zu steigern. 2018 titelte das Branchenmagazin „Lead Digital“: „Ade Beacons“. Und die Kollegen von „Locationinsider“ publizierten zum gleichen Thema eine Mini-Umfrage, die zu dem Ergebnis kam: „Jedoch konnten die Erwartungen der Einzelhändler aufgrund einer zu geringen Nutzerzahl nicht erfüllt werden.“
Es ist ziemlich still geworden um die Beacons, die kleinen digitalen Leuchtfeuer. Sie sind zwar keineswegs tot, aber man hat inzwischen verstanden, wie man sie sinnvoll einsetzen kann – und das Abfeuern von unerwünschten Push- Nachrichten, wenn ein potenzieller Kunde gerade zufällig am Laden vorbeigeht, scheint nicht dazuzugehören.
Die Mitarbeiter sind unsere besten Touchpoints.
Bernhard SauerInzwischen ist klar: Der Einzelhändler, der versucht, eine eigene App auf den Smartphones der Nutzer unterzubringen, muss gute Argumente dafür haben, oder eine große Menge an Filialen, sodass sich der Aufwand, der mit der Entwicklung und Bewerbung der App verbunden ist, rechnet.
Geotargeting
McDonald‘s hat diese Filialmenge. In der neuen App finden sich u.a. die Wochenangebote. Wählt der Nutzer ein solches Angebot, führt ihn die Navigation direkt zum nächsten Restaurant. Und seit Sommer kann auch über die App direkt bestellt werden. Bei McDonald‘s weiß man aber auch, dass nur ein Teil der Kunden die App installiert. Also muss es aus Sicht des Unternehmens weitere Wege geben, um den Nutzer gezielt lokal anzusprechen. Das gelingt über Geotargeting. Ortsdaten stehen heute in praktisch jedem Werbeumfeld zur Verfügung. Google und Facebook kennen den Standort, weil der Nutzer ihn für deren Apps freigegeben hat. Andere Werbeumfelder kaufen die Ortsdaten zu. Ein Hauptlieferant sind Wetter-Apps – hier zog der User einen direkten Nutzen da-raus, der App seinen Standort mitzuteilen.
Solche Daten werden dann von Dienstleistern gesammelt und stehen für die Buchung von Bannern zur Verfügung. Das heißt: Die entsprechende Werbung wird nur angezeigt, wenn sich der Nutzer zum Beispiel in der Nähe einer Filiale befindet. Idealerweise nimmt das Werbemittel dann auch direkt Bezug darauf. Entweder hat das Unternehmen mehrere Banner für die verschiedenen Standorte produzieren lassen, oder der Banner selbst ist dynamisch und bindet zum Beispiel den Ortsnamen in die Werbung ein. Online-Reiseportale machen das gerne, um dem Nutzer Urlaubsflüge von seinem Heimatflughafen schmackhaft zu machen. Reiseportale nutzen die verfügbaren Ortsdaten aber auch noch auf andere Weise: LTU fuhr Anfang des Jahres eine Kampagne, bei der potenzielle Kunden exakt dann angesprochen wurden, wenn sie eine Filiale von DER oder Alltours betraten.
Wer davon absieht, die User direkt nach ihren Ortsdaten zu fragen, hat inzwischen eine ganze Reihe anderer Möglichkeiten, um ihm auf die Spur zu kommen. Die Tankstellenkette Aral erdachte gemeinsam mit Brandlocal eine Kampagne zur Eröffnung der Rewe To Go-Filialen. Brandlocal hat Deutschland in kleine Sechsecke eingeteilt. Die Werbeausspielung erfolgt zeitgesteuert: Befindet sich ein Park oder ein Spielplatz in der Nähe der Tankstelle, so wird zum Beispiel für eine Kaffeepause um 11 oder 15 Uhr geworben. Pendler bekommen entsprechende Botschaften frühmorgens oder kurz vor Feierabend. Insgesamt stieg die Besucherfrequenz der gewünschten jüngeren Zielgruppe laut Aral um 171 Prozent.
Weniger Streuverluste
Auch die großen Telefonunternehmen besitzen sehr gute Standortdaten. Telefonica Next vermarktet diese für Telefonica, und zwar vollständig anonymisiert. So kann ein Händler zum Beispiel erkennen, aus welchen Wohngebieten Pendler am eigenen Geschäft vorbeikommen – in diesen Wohngebieten hat eine Werbung potenziell weniger Streuverluste.
Aber es geht auch noch direkter: Unter dem Namen O2morelocal hat Telefonica einen Tarif, bei dem die Nutzer aktiv zustimmen, ortsbezogene Werbung per SMS zu erhalten. Das ist sehr aufmerksamkeitsstark, und entsprechend sensibel muss mit diesem Format umgegangen werden. Telefonica verspricht, maximal eine SMS pro Tag mit werblichem Inhalt auszusenden.
Es zeigt sich also, dass Werbung mit Ortsbezug nicht buchstäblich im Vorbeigehen zu machen ist, sondern sie bedarf sorgfältiger Planung. Und es bedarf eines guten Methodenmix, um Standort-Kommunikation effektiv zu betreiben. Ein zurzeit interessantes Beispiel ist Alnatura. Dort schaffte man jüngst die Angebotswerbung auf Papier ab, den geliebten Handzettel. Den gibt es nur noch als App. Flankiert wurde die Einführung von einer umfassenden Kampagne zur Lead-Generierung im Laden sowie einer Schulung der Mitarbeiter. „Diese sind unsere besten Touchpoints“, so Bernhard Sauer, Bereichsleiter Digital bei Alnatura.
Durch die eigene App und die Kooperation mit Payback ergeben nun die Beacons am Eingang wieder einen Sinn. Über sie kann den Nutzern beim Betreten der Filiale ein konkretes Angebot unterbreitet werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine der beiden Apps läuft, ist hoch, denn damit werden entweder im Laden Punkte gesammelt, oder es werden die aktuellen Wochenangebote angezeigt. Location-based- Marketing ist also nicht nur zur Neukundengewinnung geeignet, sondern kann auch ein CRM-Tool sein. „Wir haben keinerlei negative Umsatzeffekte durch die Digitalisierung der Angebote gesehen“, sagt Bernhard Sauer. Gleichzeitig seien die Prozesskosten deutlich gesunken. Um wieviel, will er aber nicht verraten.
Fotos (3): McDonald’s (2), Alnatura
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