Innovationen entstehen nicht ohne einen Moment der Überraschung, bei dem man zu einer Erkenntnis gelangt oder etwas findet, wonach man nicht explizit gesucht oder geforscht hat. Inzwischen gibt es bereits einen festen Begriff für diese Glücksfunde: Serendipität als die „Logik des ungesuchten Fundes“.
Gemeinsam mit den Mitgliedern der EHI-Arbeitskreise „Store Planning + Design“ und „Marketing“ hat sich das EHI Anfang Juni aufgemacht, den „Zufall“ zu entdecken. Zielort des zweiten Innovation Camps war – nach der Premiere vor zwei Jahren in London – diesmal Berlin und damit eine Stadt, die durch ihr Nebeneinander von schick und schäbig, alt und neu, glatt und rau nach wie vor vielfältige Brüche generiert und für permanente Veränderung steht.
Das EHI Innovation Camp wurde wieder von Prof. Dr. Martin Kiel konzipiert und vor Ort begleitet. Kiel: „Der Zufall will auch gefunden werden oder besser, was sich zufällig zeigt, will auch gesehen werden.“ Ausgestattet mit ausreichend Zeit – ein Mangel im Tagesgeschäft – begaben sich drei Gruppen als urbane Trendforscher auf thematisch unterschiedliche, vorgegebene Routen.
Den Mainstream verlassen und den Blick für Neues und Unbekanntes schärfen – schon war man mittendrin in einem sehr intuitiven und innovativen Kreativitätsprozess. Die Ergebnisse dieser Feldforschung brachten nicht nur eine Fülle kurioser Fundstücke, sondern führten auch zu einem breiten Spektrum nachdenklicher Statements wie auch zu provokanten Thesen zum Shopping der Zukunft und damit zu neuen Ideen und innovativen Themen.
Den Mainstream verlassen
Wenn Store-Konzepte immer kurzlebiger werden, wächst der Druck, immer wieder etwas Neues zu entwickeln. Perspektiven wechseln und damit seiner Kreativität und neuen Ideen freien Lauf lassen wie in Berlin sind dafür ebenso wichtige Voraussetzungen wie das richtige Handwerkszeug für die Ideenfindung und vor allem für die Bewertung von Ideen und ihre Umsetzung in die Realität – Gegenstand eines weiteren EHI-Workshops zum Innovationsmanagement.
Ein beständiges Innovationsmarketing ist hier enorm wichtig. Um innovative Themen voran und letztlich in die Umsetzung zu bringen, müssen sie in die tägliche Kommunikation eingebunden werden, zum Beispiel über entsprechende Intranettools zur Ideenfindung und -bewertung, damit innovatives Denken Teil der Unternehmens-DNA wird. Mit dem richtigen Wissen um die internen Strukturen eines Unternehmens gilt es dann, die richtigen Multiplikatoren, aber auch mögliche Verhinderer mit einem eigenen Konzept zu adressieren. Dies erfordert die Zusammenarbeit von Disziplinen und Fachabteilungen wie Ladenbau, VM und IT, die man vorher oft mit großer Kraft separierte.
Denken in Möglichkeiten
Mit der dialektischen Technik der Fahnenbildung (= ars construendi vexilla) gelingt es auch in sehr heterogenen Gruppen, Übereinstimmungen zu erarbeiten. Die Beteiligten müssen dazu ihre Bedingungen für die Umsetzung neuer Ideen und Konzepte gemeinsam ausformulieren, die dann zu einer möglichst einheitlichen und folgerichtigen Liste (in der römischen Dialektik als Fahne bezeichnet) zusammengefügt werden sollen. Ziel ist ein gemeinsames Denken in Möglichkeiten statt in Problemen.
Der Einzelhandel ist derzeit einem besonders hohen Veränderungsdruck ausgesetzt. Der Aufbau einer eigenen Innovationskultur im Unternehmen sollte daher für Handelsunternehmen von herausragender Bedeutung sein. Denn: „Im Bizarren von heute liegt der Keim des Mainstreams von morgen“ (Franz Liebl: Woher kommt der Trend?, Brand Eins 10/2003). Das EHI wird dies auch weiter konzeptionell und inhaltlich mit verschiedenen Formaten begleiten.
Fotos (6): Medienfabrik Gütersloh (3), gmvteam GmbH (2), EHI (1)
Weitere Informationen: www.ehi.org